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Motorsport Formel 1

Lando Norris: Hatte mich schon in Brasilien für den Platztausch entschieden

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© Motorsport Images

Lando Norris hat sich für den geschenkten Sprintsieg von Brasilien bei seinem Teamkollegen Oscar Piastri revanchiert und dem Australier den Sprintsieg in Katar überlassen. Obwohl sein Team die Positionen nicht tauschen wollte, ging der McLaren-Pilot in der letzten Kurve vom Gas und ließ den Australier passieren, der damit nach 2023 zum zweiten Mal den Sprint in Doha gewann.

Für Norris war dabei schon lange klar, dass er den Gefallen zurückgeben würde, nachdem Piastri in Sao Paulo seinen Sprintsieg an Norris abgegeben hatte, um diesem im WM-Kampf gegen Max Verstappen zu helfen. "Ich hatte mich schon in Brasilien entschieden", verrät Norris seinen Gedankengang zum Positionswechsel.

Denn weil er mittlerweile nicht mehr rechnerisch Weltmeister werden kann, kann er die Gefallen, die er im Saisonverlauf von seinem Teamkollegen Piastri bekommen hat, nun zurückgeben. Der Sieg im Sprint interessiere ihn ohnehin nicht allzu sehr, wie er sagt. "Ich denke nicht, dass irgendjemand von uns besonders stolz auf einen Sprintsieg ist", winkt er ab.

Sein Team war in die Aktion dabei nicht eingeweiht - nur seinem Renningenieur William Joseph habe er vor dem Rennen davon erzählt. Das heißt auch: Norris gab den Sieg aus freien Stücken ab und nicht, weil das Team es angewiesen hat.

Im Gegenteil: Sein Renningenieur wollte Norris kurz vor Rennende noch davon abhalten: "Wir fahren in dieser Reihenfolge ins Ziel", bekam Norris als Ansage, denn George Russell lag zu dicht hinter Piastri, sodass McLaren den Doppelsieg nicht gefährden wollte.

Eine Antwort gab Norris darauf nicht - nur auf der Strecke. Er wurde am Ausgang der letzten Kurve langsamer und ließ Piastri vor dem Zielstrich passieren. Dabei passte er aber auf, dass er noch vor Russell ins Ziel kommen würde. Am Ende lag er 0,136 Sekunden hinter Piastri und 0,274 Sekunden vor Russell - perfektes Timing.

Teamchef Andrea Stella gibt bei Sky jedoch zu, dass man am Kommandostand aufgrund des geringen Abstands "ein bisschen nervös" gewesen sei. "Aber das zeigt wieder einmal, dass die Fahrer im Auto solche Situationen manchmal präziser einschätzen können als wir an der Boxenmauer", meint er.

Piastri: "Das spricht Bände!"

Piastri selbst war sich laut eigener Aussage bewusst, dass so eine Aktion passieren könnte. "Ich war aber überrascht, dass es auch so gekommen ist", sagt er. Denn durch den geringen Vorsprung auf Russell war er nicht davon ausgegangen, dass Norris das Risiko eingehen würde.

"Ich wusste aber, dass es eine Möglichkeit war. Es war nicht komplett unerwartet", sagt er. "Vielleicht unter den Umständen, aber das spricht Bände über unseren Teamwork und unsere Fairness und unseren fehlenden Egoismus."

Genau in diese Kerbe schlägt auch Norris als er über die Gründe für den Platztausch spricht: "Oscar hat seinen Teil getan und versucht, mir zu helfen, näher an Max in der Meisterschaft zu kommen. Ich hatte das Recht darauf verdient, weil wir als Team zusammenarbeiten müssen, wenn einer von uns die Möglichkeit hat, und ich habe den Gefallen heute zurückgegeben", sagt der Engländer.

"Wenn ich nicht gewollt hätte, hätte ich es nicht machen müssen", betont er und fügt an: "Wir arbeiten als Team gut zusammen, und das ist eine unserer größten Stärken. Ich denke nicht, dass irgendein anderes Team so etwas tun und dem anderen helfen würde." Aussicht: "Wir machen das weiter so."

Perfektes Ergebnis für die Konstrukteurs-WM

Für McLaren selbst war ohnehin egal, wer von seinen beiden Piloten den Sprint gewinnen würde. Wichtig war nur, dass man möglichst viele Punkte einfährt, um Ferrari im Titelkampf zu distanzieren. Mit 15 Punkten hat man selbst das Optimum an Zählern erzielt, Ferrari hat mit den Positionen vier und fünf sechs Zähler verloren und liegt jetzt 30 Punkte zurück.

"Das war das Ergebnis, das wir heute haben wollten", freut sich Piastri. "Was die Punkte angeht, hätte es nicht besser laufen können."

"Aber wir mussten ein wenig härter dafür arbeiten, als uns lieb war", sagt er weiter. Zwar kam Piastri am Start von Startplatz drei an Russell vorbei und legte damit den Grundstein für den Doppelerfolg, doch ganz so leicht machte es der Mercedes-Pilot den beiden McLaren nicht.

Denn immer wieder griff Russell Piastri an, der Schützenhilfe seines Teamkollegen bekam. Immer wieder ließ sich Norris (auch auf Bitte des Teams) zurückfallen, um Piastri DRS zu geben, damit sich dieser verteidigen kann.

Ob es auch ohne DRS geklappt hätte, weiß der Australier nicht. Er sagt aber: "Es wäre schwierig gewesen. Sie waren auf den Geraden sehr schnell, in den schnellen Kurven sehr schnell, von daher hat das Teamwork heute definitiv sehr geholfen."

Russell: So wünsche ich mir die Formel 1 nicht

Russell gefiel das Ganze naturgemäß weniger: "Es ist frustrierend, wenn die vor dir so eine Teamorder durchspielen und dabei zwei gegen einen sind", hadert er. "Wir wissen, dass du in der Formel 1 ohne DRS nicht überholen kannst. Ich denke, Lando hatte noch einiges an Pace in der Hinterhand, und ich auch. Aber sie haben als Team sehr gut zusammengearbeitet."

Der Mercedes-Pilot sagt aber auch, dass er sich die Formel 1 nicht so wünsche: "Wenn ich als Fan zu Hause sitze, will ich sowas nicht sehen, denn dann will ich einen Kampf sehen auf der Strecke, und ich will, dass der Beste gewinnt", sagt er.

"Aber man muss respektieren, dass sie ihr Ziel verfolgen, nämlich den Sieg in der Konstrukteurs-WM. Und wenn Lando vorn davongezogen wäre, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich Oscar überholt hätte, und das wäre dann ein Punkt weniger für sie gewesen."

Frustrierend waren für Russell aber auch einige harte Manöver von Piastri, die für ihn teilweise grenzwertig waren: "Ich muss mir anschauen, wie es von außen ausgesehen hat. Wir waren Rad an Rad in Kurve 1 rein, ich war innen, und er hat ziemlich aggressiv die Tür zugeschlagen", schildert er.

"Wir haben uns sogar leicht berührt und hatten Glück, dass wir beide weiterfahren konnten. Ein paar Runden später hatte ich dann wieder einen großen Geschwindigkeitsüberschuss, und die Tür so spät noch zuzuschlagen, das ist schon an der Grenze", moniert der Mercedes-Pilot, der sich mit Rang drei begnügen musste.

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