Motorsport Formel 1
Lewis Hamilton: "Das erste Mal, dass ich so einen Tag hatte"
Als Lewis Hamilton am Donnerstagabend, kurz vor Mitternacht, im Paddock in Las Vegas Bilanz über den ersten Trainingstag zog, wirkte er so entspannt wie seit einigen Wochen nicht mehr: "Das ist das erste Mal in diesem Jahr, dass ich so einen Tag hatte", strahlte er nach seinen beiden Bestzeiten im ersten und zweiten Freien Training.
Im ersten Training, das um 18:30 Uhr Ortszeit begann, war es ungefähr 14 Grad warm, aber extrem rutschig. Um 22:00 Uhr ging es dann mit FT2 los, mit schon etwas mehr Grip, aber nur noch elf Grad. Toto Wolff war so kalt, dass er eine weiße Winterjacke trug, mit der er aussah wie ein Michelin-Männchen, als er sich nach Mitternacht auf dem Weg ins Hotel machte.
"Wir hatten ja schon ein paar gute Freitage, wo nicht viel Grip war und das Auto rumgerutscht ist", sagt der Mercedes-Teamchef im Interview mit dem ORF. "Deswegen ist es schwierig einzuschätzen. Lobe den Tag nicht vor dem Abend! Wenn morgen mehr Grip einsetzt, dann ist unser Auto wahrscheinlich schwieriger zu fahren als die anderen."
"Tatsächlich ist es so, wenn das Auto mehr rutscht, haben wir mehr Pace als wenn der Grip einsetzt, denn dann haben wir das sogenannte 'Three-Wheeling', wo das eine Rad in die Höhe geht. Und da verlierst du massiv Rundenzeit. Das Gleiche ist, wenn es warm wird. Dann überhitzen wir auf der Hinterachse, und das tun wir jetzt, bei den Temperaturen, nicht", analysiert Wolff.
Russell widerspricht Wolff
Sollte sich diese Logik bewahrheiten, dann müsste Mercedes im Laufe des Wochenendes immer weiter zurückfallen. Doch George Russell, im zweiten Training mit 0,190 Sekunden Rückstand auf Hamilton Dritter, widerspricht der Wolff-Erklärung. Seiner Meinung nach fällt Mercedes nach dem Freitag vor allem deswegen zurück, weil man üblicherweise mit weniger Benzin fährt als die anderen.
"Die Wahrnehmung, dass wir Performance verlieren, ist meiner Meinung nach nicht richtig", sagt er. "Es geht mehr darum, dass unsere direkten Gegner nicht mit voller Leistung fahren. Vielleicht haben sie am Freitag auch mehr Sprit im Tank als wir. Die sandbaggen einfach ein bisschen mehr als wir, und wenn sie den Sprit rausnehmen, normalisiert sich die Hackordnung."
"Klar, das kann auch morgen passieren", weiß Russell. "Aber unser Vorsprung im ersten Training war schon ziemlich groß. Ich bin sicher, dass die anderen aufholen werden. Aber ich bin angenehm überrascht. Ehrlich gesagt kratzen wir uns gerade selbst am Kopf, weil wir nicht ganz verstehen, warum die Trainings so positiv gelaufen sind."
"Es war nur ein Training", relativiert er. "Lewis war top drauf, von der ersten Runde an. Und das Auto läuft einfach. Es ist extrem schmutzig, und es wird von Runde zu Runde sauberer. So gesehen stimmt es: Wir waren heute schnell, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir auch morgen schnell sein werden, wenn die Strecke wahrscheinlich drei Sekunden zulegt."
Auch Wolff warnt davor, die Situation so einzuordnen, "dass wir Favoriten sind. Man muss morgen vernünftig drauf aufbauen. Hoffentlich bleibt es so von den Bedingungen, dann sind wir auf jeden Fall gut dabei", sagt er - und macht sich keine Sorgen wegen des Grainings, das am Donnerstag aufgetreten ist, denn: "Ich glaube, da sind alle im gleichen Boot."
Hamilton warnt: Longruns waren nicht gut!
Auch Hamilton, der sich am Ende des ersten Trainings ein heißes Match um die Bestzeit mit Russell lieferte, bei dem die beiden einander mehrmals unterboten, ist zufrieden. Im zweiten Training setzte er sich früh an die Spitze, gehörte bei den Longrun-Simulationen aber nicht zu den Allerschnellsten. Da hatte eher McLaren die Nase vorn.
"Im ersten Freien Training war das Gefühl richtig gut. Im zweiten weniger", meint Hamilton. "Wir haben über Nacht einiges zu arbeiten. Schwer zu sagen, wo wir genau stehen. Aber was man sagen kann: Ich habe es heute wirklich genossen, mit unserem Auto auf dieser Strecke zu fahren. Ich hoffe, dass sich das morgen auch noch so anfühlt."
"Wärmere Bedingungen", räumt er ein, "sind sicher schlechter für uns, und unsere Rennpace ist nicht gerade überzeugend. Es gibt also genug zu tun, um herauszufinden, wie wir im Renntrimm besser werden können, ohne auf eine schnelle Runde Pace zu verlieren. Aber es war ein schönes Gefühl, mal schnelle Sektoren aneinanderreihen zu können, ohne dass mich das Auto gleich abwirft."
Für Hamilton ist Las Vegas der Auftakt zu seinem allerletzten Tripleheader, bevor er zu Ferrari wechselt. Nach dem enttäuschenden Wochenende in Brasilien, wo ihm anzusehen war, dass er am liebsten sofort in die Winterpause abdüsen würde, war der positive Donnerstag mental wichtig, um sich für das Ende einer großen Ära nochmal richtig zu motivieren.
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