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Motorsport Formel 1

Mäuschen am Boxenfunk: Wie McLaren Lando Norris zur Pole ferngesteuert hat

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© circuitpics.de

Lando Norris hatte gerade Q1 absolviert, mit einer persönlichen Bestzeit von 1:11.285 Minuten, und 0,056 Sekunden hinter Pole-Favorit Charles Leclerc (Ferrari) den zweiten Platz belegt. Es war das wahrscheinlich wichtigste Qualifying des Jahres, jenes zum klassischen Grand Prix von Monaco, und wenn er am Ende auf Pole stehen wollen würde, lag der größte Brocken noch vor ihm.

Zu oft hatte Norris 2025 schon Q3s vermasselt. In Saudi-Arabien crashte er und wurde Zehnter und Letzter. In Bahrain landete er nach einer enttäuschenden letzten Runde nur auf dem sechsten Platz, während sein Teamkollege Oscar Piastri auf Pole fuhr. Und auch in Imola fehlten ihm im Zeitfahren drei Zehntelsekunden auf Piastri.

Bevor das Q3 in Monaco begann, war McLaren-Teamchef Andrea Stella klar: "Es gibt keinen besseren Prüfstein als Monte Carlo, um tatsächlich zu sehen und zu überprüfen, wie schnell und konstant man ist und inwieweit man in der Lage dazu ist, seine fahrerischen Inputs zu wiederholen, um saubere Runden aneinanderzureihen."

Denn McLaren hatte zwar angekündigt, auch das Auto gutmütiger zu machen, mit technischen Updates, um die Fehleranfälligkeit zu verringern und die Berechenbarkeit des MCL39 zu erhöhen. Doch diese Updates gibt es noch nicht. Und so lag es am Samstagnachmittag in Monaco letztendlich an Norris, das umzusetzen, was er zuvor mit seinen Ingenieuren besprochen hatte.

Boxenfunk: So hat McLaren Norris ferngesteuert

Nachdem er die erlösende Pole geholt hatte, sprach Norris von einem "Team-Effort". Was er damit meinte, wird klar, wenn man den Boxenfunk während des Qualifyings genauer analysiert. Nach dem Ende von Q1 funkte ihm der Kommandostand "Driving-Feedback" durch, und die Detailtiefe dieses Feedbacks zeigt, wie konzentriert McLaren an die Mission Monaco-Pole herangegangen ist.

Am Casino sei seine Q1-Runde "genau wie vorgenommen" gewesen, "also mach weiter so", war da etwa zu hören. Oder: "Kurve 12 auch. Ein bisschen Minimum dort. Halte die gute Liniendisziplin durch 10-11 und 15-16." In Kurve 18 möge er bitte "die Bremsreferenz von der letzten Runde halten, die war gut". Und: "Dann ist da noch ein anderer Punkt, denn die Reifen werden kalt sein. Wir brauchen mehr Warm-up. Es ist wahrscheinlich, dass die zweite Runde besser sein wird." Da waren die Weichen für die Taktik, im zweiten Q3-Run nicht nur eine schnelle Runde mit dem weichen C6 zu fahren, sondern gleich zwei, also schon gestellt.

Nach Q2 - Norris hatte diesmal vor Leclerc Bestzeit erzielt - gab's wieder Feedback: "Bestes Bremsen in Kurve 1, das wir bisher gesehen haben. Beste Kurven 3-4." Dazu die eindringliche Erinnerung: "Lando, erinnere dich dran, was die Runde so gut gemacht hat. Also: Kurve 3 die Anfahrt, Bremsdruck in Kurve 1, und denke an unsere Schlüsselziele. Prio 1 ist die Linie, Prio 2 die Gaspedalstellung, Prio 3 das Bremsen."

Norris lag dann nach der ersten Q3-Runde zunächst in Führung, wurde kurzzeitig von Leclerc von Platz 1 verdrängt, ehe er unmittelbar vor seinem allerletzten Schuss stand. Nochmal letzte Anweisungen am Boxenfunk: "Gelegenheit Ausgang Kurve 8. Fokus darauf, ein bisschen früher zu bremsen. Und Gelegenheit Liniendisziplin Kurven 10 und 11."

Norris wurde gebrieft wie ein NASA-Astronaut, und er setzte die Anweisungen perfekt um, als es drauf ankam. Als er tatsächlich die Pole erobert hatte, sagte er zufrieden: "Es ist nicht so, dass ich jetzt schneller fahre. Sondern ich fahre besser. Schlauer." Keine Brechstange mehr da, wo es möglicherweise Fehler provoziert, sondern kontrollierte Aggressivität an den richtigen Stellen. Genauestens instruiert von Will Joseph und einem weiteren Ingenieur, die die Kommandos am Boxenfunk durchgaben.

Stella: Wie sich Norris an die Gegebenheiten angepasst hat

Stella lobt: "Lando ist an diesem Wochenende sehr, sehr gut, sehr schnell und sehr konstant gefahren. Und vor allem hat er dieses Tempo und diese Konstanz über das gesamte Q3 hinweg beibehalten. Genau dort, wo wir bei einigen der vorherigen Rennen dazu tendiert haben, ein wenig den Rhythmus zu verlieren. Der Verdienst gebührt also ganz allein Lando. Hut ab und großes Lob."

"Wir haben als Team, als Gruppe, gemeinsam mit dem Fahrer versucht, die Informationen zu nutzen, die wir aus den letzten Rennen gesammelt haben. Gerade in Bezug auf Situationen, in denen wir das letzte Zehntel nicht finden konnten, wollten wir verstehen, woran es genau liegt. Und ich denke, die Ingenieure haben dabei sehr gute Arbeit geleistet, diese Ansatzpunkte zu identifizieren", erklärt der McLaren-Teamchef.

"Ich habe schon ein paar Mal gesagt, dass wir aus technischer Sicht noch daran arbeiten müssen, die Rückmeldung des Autos für den Fahrer zu verbessern. Aber im Moment ist das eben der Stand, den wir haben. Also mussten wir uns anpassen. Und ich denke, die Ingenieure haben sehr gut erkannt, worauf wir uns anpassen mussten, und Lando hat das dann phänomenal umgesetzt."

Das, was am Boxenfunk stattgefunden hat, hebt Stella in diesem Kontext ausdrücklich hervor: "Die Zusammenarbeit war sehr gut", sagt er, "insbesondere die Kommunikation zwischen den Sessions und während der Session. Vor allem wenn es darum ging, Lando gezielt auf die Möglichkeiten hinzuweisen, wie er sein natürliches Talent optimal ausnutzen kann."

"Bei Lando hatten wir einige Informationen, die wir auswerten und nutzen konnten, insbesondere bestimmte Anpassungen und Punkte, auf die wir achten mussten, vor allem im Verlauf des Qualifyings. Und genau das hat heute sehr gut funktioniert. Ich denke, das wird Lando definitiv ein Stück weit Sicherheit geben. Aber auch seiner Ingenieurscrew und allen, die ihn unterstützen."

Stella: Erinnerungen an ein Schumacher-Zitat

Stella wäre nicht Stella, würde er ob der Monaco-Pole in Jubelstürme verfallen. Bei aller Freude nicht nur über Norris' Pole, "sondern vor allem über den Weg dahin", wurde bei McLaren nach dem Qualifying nicht Champagner getrunken, sondern knallhart analysiert: Pole hin oder her - aber wo hätten wir noch besser sein können?

Stella analysiert das so: "Landos Runde war wirklich eine sehr starke Runde. Einige Kurven waren extrem schnell, zum Beispiel die Schikane nach dem Tunnel: Bremsen, Traktion, das war Spitzenklasse. Aber tatsächlich gab es ein, zwei Kurven, in denen wir ein bisschen Zeit liegen gelassen haben. Etwa in der zweiten Schikane beim Schwimmbad. Ich glaube, Lando hat dort ein wenig zu viel Randstein genommen."

Telemetriedaten belegen, was Stella sagt: Norris verlor an der zweiten Schwimmbad-Schikane ungefähr eine Zehntelsekunde auf Leclerc. Da wäre es beinahe nochmal knapp geworden. Aber durch Rascasse und die Zielkurve Anthony Noghes holte er wieder Zeit auf Leclerc raus - und sicherte sich so seine erste Monaco-Pole.

Stella, der früher mit Michael Schumacher gearbeitet hat, erinnert sich an eine Aussage von "Schumi", der einst philosophiert haben soll, nie in seiner ganzen Karriere eine wirklich perfekte Qualifying-Runde hinbekommen zu haben. In Bezug auf die Norris-Pole sagt Stella daher: "War es also die beste Runde, die je in Monaco gefahren wurde? Vielleicht. Aber eine perfekte Runde war es nicht."

Norris weiß: Monaco war erstmal nur ein Anfang

Norris selbst weiß, dass der Monaco-Samstag ein "Durchbruch in dem Sinne" sein könnte, "dass ich endlich mal einen guten Samstag hatte. Und für mich ist das zumindest ein Schritt in die richtige Richtung." Aber: "Es ist eben nur ein einziges Wochenende. Und Konstanz ist ein ganz entscheidender Faktor."

"Ich werde erst wirklich zufrieden sein, wenn ich an dem Punkt bin, an dem ich mit dem Selbstvertrauen in jede Session gehe, dass ich so performen kann wie heute. Denn meine Leistung war heute auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Das Ziel muss sein, konstant auf diesem Level abzuliefern, wenn wir jetzt nach Barcelona, nach Kanada und zu den nächsten Strecken fahren. Heute war ein Schritt in die richtige Richtung. Ob ein kleiner oder ein großer ist egal, aber es war ein Schritt."

Man konnte Norris nach dem Qualifying ansehen, wie erleichtert er darüber war, es endlich mal auch in Q3 hinbekommen zu haben, im wahrscheinlich wichtigsten Qualifying der Formel-1-Saison 2025. Denn in Monaco herrscht quasi "Überholverbot" - umso mehr, seit die Autos reglementbedingt so groß, breit und schwer geworden sind. Wer nach der ersten Kurve führt, hat in der Regel eine Hand am Pokal.

Norris räumt ein, in den vergangenen Wochen Momente des Selbstzweifels gehabt zu haben: "Ja, die hatte ich. Aber ich habe nie an meinen Fähigkeiten gezweifelt. Natürlich war ich frustriert, ich war unzufrieden. Das ist ganz normal. Wenn man nicht gewinnt, wenn man keine Pole holt, ist man nicht glücklich. Vor allem dann nicht, wenn man weiß, dass man eigentlich dort sein sollte. Aber ich habe trotzdem nie alles in Frage gestellt. Und ein Tag wie heute bestätigt genau das."

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