Motorsport Formel 1
Nico Rosberg warnt: So ungemütlich ist Hamiltons Ferrari-Situation wirklich
Lewis Hamilton trägt an seinem ersten Monza-Wochenende als Ferrari-Fahrer wegen eines Sonderdesigns nicht das klassische Rot, sondern Blau. Ein Schönheitsfehler, der den siebenmaligen Weltmeister womöglich wurmt - und nicht der einzige beim Grand Prix von Italien. Denn das Rennen nimmt Hamilton nach der Plus-Fünf-Strafe, die er sich in Zandvoort eingehandelt hat, nur vom zehnten Startplatz in Angriff.
Vermutlich hatte sich Hamilton nicht nur sein erstes Ferrari-Monza, sondern die ganze Saison 2025 anders vorgestellt. Im internen Duell gegen Charles Leclerc hat er derzeit mit 109:151 Punkten das Nachsehen, nach gewonnenen Qualifyings (F1-Sprints eingeschlossen) steht es 5:17. "Leclerc ist momentan einfach der bessere Fahrer", hält Sky-Experte Nico Rosberg nüchtern fest.
"Lewis tut sich schwer", sagt der Weltmeister von 2016, der von 2013 bis 2016 als Hamiltons Teamkollege bei Mercedes gefahren ist. "Er macht Fehler, hat sich in Spa im Qualifying gedreht, ist in Zandvoort von alleine gegen die Mauer gefahren." Das sei "untypisch" für jemanden wie Hamilton, der seine Leistungen in seinen Peak-Jahren stets zuverlässig abgeliefert hat.
Dazu kommt: "Er ist auch meistens langsamer als Leclerc, und das ist für ihn schon eine sehr, sehr schwierige Situation. Er fühlt sich einfach noch nicht so richtig wohl in dem Auto - und die Zeit ist auch nicht auf seiner Seite. Lewis ist jetzt 40. Schneller wird man in dem Alter auch nicht mehr."
Ralf Schumacher: Der Speed ist nicht weg
Dabei blitzten zuletzt auch positive Ansätze durch. Speed müsse man Hamilton "schon attestieren", räumt selbst Sky-Experte Ralf Schumacher, in der Vergangenheit oft einer der schärfsten Hamilton-Kritiker, ein: "In Zandvoort war er irgendwie da, da sind sie auf einem Niveau gefahren. Aber dann passiert ihm halt wieder so ein Fehler, wie er einem siebenfachen Weltmeister eigentlich nicht passieren darf."
Schumacher prophezeit im Podcast Backstage Boxengasse: "Wenn das so weitergehen sollte, wird es bei Ferrari schwer für ihn. Weil einfach die Erwartungshaltung sehr hoch war, und übrigens auch das Salär. Ich weiß nicht, was höher war, die Erwartungshaltung oder das Salär. Und das wird auf Dauer so nicht funktionieren. Da bin ich mir ziemlich sicher. Auch für ihn nicht."
Es ist gerade mal ein paar Wochen her, dass Hamilton beim Grand Prix von Ungarn frustriert meinte, er sei "nutzlos", und Ferrari solle sich am besten einen neuen Fahrer suchen. Ein von Emotionen geleiteter Kommentar, der seither mehrmals relativiert wurde. Aber einer, der zeigt: Das Selbstverständnis und die Leichtigkeit, die ihn früher mal ausgezeichnet haben, sind Hamilton 2025 abhandengekommen.
Monza: Telemetrie in der Analyse
Dabei ist Monza in vielerlei Hinsicht ein Lichtblick. Zumindest, was den schieren Speed betrifft, war er von Leclerc schon mal deutlich weiter entfernt. Im Qualifying fehlte ihm lediglich eine Zehntelsekunde auf den Monegassen, der als einer der besten Qualifyer der Formel 1 gilt. Und was sein Gefühl für den Ferrari betrifft, sieht Hamilton langsam Licht am Ende des Tunnels.
Er sei "definitiv glücklich mit den Fortschritten, die wir gemacht haben", sagt der Ferrari-Star nach dem Qualifying. Und: "Die letzte Woche war solider als davor, besonders auf meiner Seite der Garage. Das war schon in Zandvoort so, und jetzt noch mehr. Und ich bin dran, es fehlt nur eine Zehntel. Da dürfen wir jetzt nicht lockerlassen und müssen so weitermachen."
Was dem Ferrari abgeht, sei letztendlich aerodynamischer Anpressdruck. Auf den langen Geraden sei der Topspeed da, "aber dann verlieren wir im Mittelsektor und im dritten Sektor ein bisschen was. Es fehlt uns an Abtrieb, aber auf den Geraden sind wir schneller. Aber würden wir die Flügel steiler stellen, wäre die Effizienz weg. Wir können die Zeit, die wir in den Kurven verlieren, auf den Geraden nicht aufholen. Das macht es schwierig."
Ein Overlay der Telemetriedaten der jeweils schnellsten Qualifying-Runden von Polesetter Max Verstappen, Lando Norris und Hamilton zeigt: Das mit dem besseren Topspeed auf den Geraden stimmt nur bedingt. Ja, der Ferrari macht am Ende der Geraden Zeit gut. Aber beim Herausbeschleunigen aus den langsamen Ecken verliert er erstmal Boden.
Interessant auch: Hamilton geht in Kurven wie Lesmo 2, Ascari oder Alboreto (Parabolica) nicht ganz so stark vom Gas wie Verstappen und Norris, verliert dafür aber am Kurvenausgang deutlich an Zeit. Im direkten Vergleich mit Leclerc wiederum verliert Hamilton in der ersten Schikane, gewinnt dafür aber in der zweiten - und ist ab den Lesmo-Kurven sukzessive überall minimal langsamer.
Rosberg: Journalisten bringen einen ins Grübeln
Insgeheim hatte der 40-Jährige wahrscheinlich gehofft, beim ersten Monza als Ferrari-Fahrer um die WM zu kämpfen. Davon ist er meilenweit entfernt. Stattdessen muss Hamilton ständig Fragen beantworten, wie er sich aus seinem Tief herauszuziehen gedenkt. Und das, weiß Rosberg aus eigener Erfahrung, "ist sehr, sehr ungemütlich. Das ist richtig hart."
"Du kommst am Donnerstag nach Monza, und dann wirst du von den Journalisten nach genau diesen Schlagzeilen gefragt. Du kannst das nicht ignorieren. Du musst darauf mit Respekt antworten. Und wenn dann ein Italiener nach dem anderen fragt, ob da deine Legende bröckelt oder der Traum vorbei ist, mit 50 Journalisten im Raum, dann ist das kein angenehmer Start in so ein Wochenende."
Was Hamilton positive Energie gibt, sind dafür die Fans. Ferrari-Fahrer in Monza zu sein, das ist immer noch etwas Besonderes. Wenn er morgens auf seiner Ducati im Italo-Tricolore-Design in den Paddock fährt, flankiert von einer Polizeieskorte, spürt Hamilton die Unterstützung eines ganzen Landes. Und auch wenn es immer heißt, Leclerc sei bei Ferrari der Goldjunge: Bisher haben die Tifosi für Hamilton genauso enthusiastisch gejubelt wie für seinen Teamkollegen.
Er empfinde es als "unglaublich", in Monza Ferrari-Fahrer zu sein: "Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte. Die Fans hier sind einfach großartig. Schon am Mittwoch sind sie zu Tausenden zu unserem Event in Mailand gekommen. Die sind einfach überall! Nach dem Event, versteckt hinter Bäumen, wenn man durch den Park fährt. Und wenn man rausfährt, stehen sie auf beiden Seiten, so weit das Auge reicht."
"Es ist wirklich beeindruckend, diese Liebe der Menschen in diesem Land für dieses Team zu sehen. So etwas gibt es nirgendwo sonst. Vielleicht haben die Brasilianer so etwas für ihr Fußballteam. Abgesehen davon sehe ich das nirgends. Vielleicht noch in Argentinien. Aber sonst habe ich es nicht erlebt", schwärmt Hamilton.
Er habe versucht, sich sein erstes Ferrari-Monza vorzustellen, seit er bei der Scuderia unterschrieben hat: "Man sieht andere, die hier waren und diese Erfahrung gemacht haben. Ich erinnere mich, wie Seb hier war und ich ihn auf dem Podium beobachtet habe. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn man selbst mittendrin ist. Wunderschön."