Motorsport Formel 1
Red Bull: "Perez muss nicht WM-Zweiter werden"
Red-Bull-Teamchef Christian Horner verneint, dass Sergio Perez in der Formel-1-Saison 2023 WM-Zweiter werden muss, um auch 2024 als Teamkollege von Max Verstappen antreten zu können. "Eine solche Vorgabe gibt es nicht", sagte Horner beim USA-Grand-Prix 2023 in Austin.
Es sei aber natürlich das erklärte Wunschziel, nach dem vorzeitigen Gewinn beider Titel auch den "Doppelsieg" in der Fahrerwertung sicherzustellen. "Wir sind ja noch nie Erster und Zweiter geworden", betont Horner.
"Wir hatten ein paar Mal P1 und P3 mit Sebastian [Vettel] und Mark [Webber] und im vergangenen Jahr mit Max und Checo. Mit diesem Auto und in diesem Jahr wäre es fantastisch, wenn wir Erster und Zweiter werden könnten, aber es gibt nicht diese Vorgabe an Checo, dass er Zweiter werden muss und sonst nächstes Jahr nicht fährt", meint Horner. "Das stand nie zur Debatte."
Horner wirbt um Verständnis für Perez
Zumal Perez den "wahrscheinlich härtesten Job der Formel 1" ausübe als Teamkollege von Verstappen, so Horner weiter. "Denn Max fährt auf so hohem Niveau und das unaufhörlich. Das muss man mental erst mal verkraften. Denn du fragst dich jedes Mal, wenn du seine Daten siehst: Wie zur Hölle macht er das eigentlich?"
Es brauche daher "eine gewisse Charakterstärke", um mit dieser Situation umzugehen, sagt der Red-Bull-Teamchef. Deshalb wirbt Horner um Verständnis für Perez: "Max fährt seit drei, vier Jahren auf so hohem Niveau, dass es für jeden anderen Fahrer [als sein Teamkollege] schwierig wäre."
Dabei hatte es noch zu Saisonbeginn danach ausgesehen, als könnte Perez Verstappen 2023 gefährlich werden. Doch alsbald setzte sich Verstappen mit einer Siegesserie von Perez und allen weiteren Rivalen ab.
Der Wendepunkt in Perez' Saison 2023
Horner macht das an einem "entscheidenden Moment" fest: dem Miami-Grand-Prix. "Dort hatte Checo einen Elfmeter, wenn man so will. Er hatte in Aserbaidschan und in Saudi-Arabien gewonnen, sein Selbstvertrauen war gut. Und dann gewinnt Max das Rennen, obwohl er im Qualifying in eine Rotphase gekommen war und nur als Neunter losfahren konnte."
"Ich schätze, das war mental ganz brutal für Checo. Denn bei jedem Sportler spielt die mentale Stärke eine Schlüsselrolle. Und dann kam Monaco und es summierte sich noch mehr auf, weil Max ab dann praktisch immer nur Trumpfkarten ausspielte."
Gerade aufgrund dieser Überlegenheit prognostizieren viele Beobachter, dass Perez spätestens zur Saison 2025 als Red-Bull-Teamkollege von Verstappen abgelöst wird. Und laut Horner ist das Interesse am Perez-Cockpit "groß". Er sagt weiter: "Wir haben sicherlich genügend Optionen und wir haben auch genug Zeit, um uns das anzuschauen und zu evaluieren. Aber da spielen viele Faktoren eine Rolle."
Red Bull stärkt Perez den Rücken
Zum Beispiel Perez und dessen Form. Denn auch der Mexikaner ist ein Kandidat, sofern er die Kurve kriegt und konstant besser auftreten kann als über weite Strecken der Saison 2023.
Horner meint: "Wir kennen Checo und die Leistungen, die er erbringen kann. Es geht für uns darum, ihn wieder dahin zurückzubringen. Er braucht wieder diese Einstellung, damit er wieder solche Leistungen abrufen kann."
Und Red Bull wird ihm nicht einfach kündigen, sondern Perez 2024 eine weitere Saison neben Verstappen ermöglichen, sagt Horner. "Wir stehen voll hinter ihm und unterstützen ihn. Wir wollen unbedingt, dass Checo Erfolg hat."
Aufwärtstrend in Austin
Das Rennwochenende in Austin habe zumindest einen kleinen Aufwärtstrend gezeigt, auch wenn Perez im Qualifying jeweils gut eine halbe Sekunde verloren hat auf Verstappen. Das ist laut Red-Bull-Sportchef Helmut Marko ein "relativ großer" Rückstand.
"Aber wenn man sich die einzelnen Sektoren anschaut, ist es marginal, ein halbes Zehntel [hier], ein Zehntel [dort], aber er muss halt alle Sektoren optimal zusammenbringen. Also, es ist ein Aufwärtstrend da und da kann man schon zukünftig bessere Leistungen erwarten", sagt Marko bei Sky.
Perez selbst will unbedingt etwas beweisen
Perez selbst tut jedenfalls alles dafür, um diese besseren Leistungen zu erbringen. Vor Austin verbrachte er zum Beispiel gleich drei Tage im Red-Bull-Simulator.
"Normalerweise ist ein Tag Simulator die Vorbereitung", meint Marko. "Sergio hat von sich aus drei Tage beantragt. Das zeigt, dass er das auch ernst nimmt und gewillt ist, alles zu machen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden."
Prompt fuhr Perez laut Horner in Austin ein "ordentliches Sprintrennen" von Startplatz sieben auf P5 im Ziel. Es seien also "ordentliche Fortschritte" erkennbar.
Der große Perez-Schwachpunkt: das Qualifying
"Seine große Schwäche ist das Qualifying mit einer schnellen Runde. Denn wenn du es da nicht umsetzt, dann stehst du umso mehr unter Druck", sagt Horner. "Und unglücklich für ihn ist, dass das Feld gerade im Qualifying enger geworden ist. Schon kleine Abstände können deshalb sehr teuer werden."
Das zeigte sich im Austin-Qualifying: Wäre Perez nur eine Zehntelsekunde schneller gefahren, er wäre nicht auf Startplatz neun gelandet, sondern als Fünfter losgefahren. So aber habe er im Grand Prix mit P4 (durch die Disqualifikationen von Lewis Hamilton und Charles Leclerc) noch "das Maximum" erreicht, sagt Marko.
Pace im Rennen stimmt
Er lobt Perez ausdrücklich: "Auf den Medium-Reifen ist er die gleichen Rundenzeiten wie Max gefahren. Sein Rennspeed war tadellos, aber wir haben gesehen, Überholen ist hier wahnsinnig schwierig. Also, seine ganze Leistung über das gesamte Wochenende war zufriedenstellend und ein deutlicher Aufwärtstrend."
Auch Horner wirkt überzeugt: "Checos Pace war stark. Ich denke, das dürfte ihm viel Selbstvertrauen verleihen. Hoffentlich ist das genau die Menge an Selbstvertrauen, die er vor seinem Heimrennen braucht. Denn ich bin mir sicher: Es wird wieder völlig verrückt für ihn in Mexiko."
In Mexiko ist Perez als der einzige Mexikaner in der Formel 1 natürlich der ganz große Star. Und nun will er vor heimischem Publikum etwas "beweisen", wie er sagt. Nämlich: Dass er dazu in der Lage ist, noch mehr aus seinen Möglichkeiten zu machen.
Ein Schritt zurück für einen Schritt nach vorne
Perez: "Ich glaube, uns sind sehr gute Fortschritte gelungen. Ich erwarte aber von mir, viel besser zu sein. Denn wir glauben, [in Austin] steckte noch viel Leistung im Auto drin." Eine nicht optimale Balance aber habe das kaschiert. "Und das müssen wir uns nochmal anschauen", sagt Perez.
Eine eben solche Aufarbeitung habe bereits vor Austin zum Erfolg geführt. Er sei "so verloren" gewesen, meint Perez, "dass wir Schwierigkeiten hatten bei der Vorbereitung im Simulator und dann [bei der Umsetzung] auf der Rennstrecke". Das habe sich in falschen Abstimmungen niedergeschlagen, "mit schwerwiegenden Folgen für den weiteren Wochenendverlauf", so Perez.
Er habe deshalb "einen Schritt zurück machen und von ganz vorne beginnen" müssen, um sich langsam wieder heranzutasten im Red Bull RB19. Sein Auftreten in Austin werte er daher als Bestätigung, damit alles richtig gemacht zu haben.
"Es ist einfach nur gut, mal eine komplette Distanz gefahren zu sein und zu sehen, dass da noch viel Potenzial drinsteckt. Denn am vergangenen Wochenende haben wir nicht unsere wahre Pace gezeigt. Ich glaube wirklich, wir müssten viel stärker sein als das", sagt Perez.
"Das Team verbessert das Auto und wir sehen, wie wir Rennen für Rennen stärker werden. Ich gebe jetzt einfach mein Bestes und dann sehen wir, wohin das führt. Ich muss sicherstellen, dass wir dazu in der Lage sind, einen Gang hochzuschalten."