Motorsport Formel 1
Toto Wolff fordert von Wurz Formel-1-Strecken "in Grönland und in Alaska"
Nach neun von 24 Grands Prix liegt Mercedes an dritter Stelle der Konstrukteurs-WM 2025, nur sechs Punkte hinter Ferrari und 15 Punkte vor Red Bull. Der Rückstand auf McLaren beträgt allerdings bereits 203 Punkte. Ein Zwischenergebnis, das ungefähr der Konkurrenzfähigkeit der vergangenen Jahre entspricht. Aber der erhoffte Sprung zurück an die Spitze der Formel 1 ist Mercedes offensichtlich nicht gelungen.
Die Probleme, mit denen George Russell und Andrea Kimi Antonelli zu kämpfen haben, sind immer noch die gleichen: "Wir sind eine Riesenorganisation, ein paar tausend Menschen, und wir schaffen es nicht zu verstehen, wie wir in der Hitze einen Reifen im Fenster halten", analysiert Teamchef Toto Wolff im Interview mit dem ORF.
Vereinfacht ausgedrückt: Mercedes schafft es, die Reifen auf Temperatur zu bringen, wenn es kalt ist. Ist es aber heiß, überhitzen besonders die Hinterreifen schnell. "Wenn es kalt ist, so wie in Las Vegas, wo man Winterjacken braucht, dann sind wir sauschnell", sagt Wolff und grinst in Richtung ORF-Experte Alexander Wurz: "Du musst ein paar Rennstrecken bauen in Grönland und in Alaska!"
Dazu muss man wissen: Wurz ist erstens ein Wolff-Weggefährte der ersten Stunde, war seinerzeit als Berater für Williams tätig, als Wolff dort seine erste Station im Management eines Formel-1-Teams innehatte. Und Wurz ist heute nicht nur Vorsitzender der Fahrergewerkschaft GPDA, sondern auch Architekt von Rennstrecken. Unter anderem ist er Designer der neuen Strecke in Saudi-Arabien, und erst kürzlich haben seine Vorschläge für einen Monaco-Umbau auf Social Media die Runde gemacht.
Neue Strecken in kälteren Gefilden zu bauen, sei "eine Frage des Geldes", flachst Wurz in Wolffs Richtung. Der greift das augenzwinkernde Geplänkel auf und bringt noch einen Vorschlag in die Diskussion ein: "Oder wir fahren eine Winterserie. Die gewinnen wir sicher! Aber wenn es im Sommer so wie jetzt ist und fünf Rennen hintereinander so heiß, dann sind wir nicht konkurrenzfähig."
Mercedes: Nur 18 Punkte beim Tripleheader
Der zurückliegende Tripleheader Imola-Monaco-Barcelona war für Mercedes ernüchternd. Russell wurde Siebter in Imola, in Monaco ging das Team leer aus, und in Barcelona eroberte Russell Platz 4. Macht insgesamt 18 Punkte aus drei Grands Prix. Selbst die Racing Bulls mit 20 Punkten waren im Vergleichszeitraum erfolgreicher.
"Wir müssen das einfach in den Griff bekommen", fordert Wolff. "Es ist immer noch dasselbe Muster mit überhitzenden Reifen, egal ob vorne oder hinten." Woran das liegt, kann er nicht beantworten: "Wenn wir das wüssten! Jedes Auto hat eine eigene, grundlegende DNA, die sich im Design widerspiegelt. Auch wenn wir große Organisationen mit vielen Wissenschaftlern und Ingenieuren sind, weiß man manchmal einfach nicht, warum ein Auto etwas Bestimmtes tut."
"Ich bin mir nicht sicher, ob McLaren genau weiß, warum sie so schnell sind. Es hängt einfach mit den kleinen Details, marginalen Verbesserungen und guter Ingenieursarbeit zusammen. Unser Auto hatte über die Jahre hinweg generell mehr Probleme mit Überhitzung der Hinterreifen als andere. Wir waren dafür immer sehr stark, wenn es kalt war und das kein Thema war."
"Wenn man zum Beispiel auf Las Vegas letztes Jahr zurückblickt: Schon ab der ersten fliegenden Runde haben unsere Fahrer gesagt, das Auto sei fantastisch, wir haben unglaublich viel Grip wie nie zuvor. Alle anderen Fahrer sagten hingegen, es gibt buchstäblich keinen Grip, sie rutschen nur herum. Daran sieht man: Das ist eindeutig etwas, das im Auto selbst steckt. Man kann es durch Set-up-Richtungen kaschieren oder verschlimmern, aber es ist im Auto angelegt."
War Barcelona ein kleiner Schritt nach vorne?
Immerhin hat Wolff das Gefühl, dass Barcelona "etwas besser" war als davor Imola und Monaco: "Es ist nicht so, dass wir plötzlich McLaren eingeholt hätten, aber es war besser. Auch im Vergleich zu Ferrari sahen wir nicht allzu schlecht aus. Das war in Monaco noch anders, und in Imola auch. Jetzt müssen wir die Daten analysieren und herausfinden, ob wir vielleicht ein wenig Potenzial freigesetzt oder ein bisschen von den Problemen gelöst haben."
Dabei waren die Updates, die Mercedes für Barcelona gebracht hat, eher geringfügiger Natur: neue Unterbodenkanten, ein neuer Heckflügel, das war's. Aber klar ist auch: In der Ära der modernen "Ground-Effect-Cars" ist gerade das Design des Unterbodens in der Aerodynamik zum wahrscheinlich wichtigsten Performance-Faktor geworden.
Dazu kommt, dass sich die Probleme auf Motorenseite zuletzt gehäuft haben. Bei Russell wurde im Monaco-Qualifying ein Kabelbaum auf einer Bodenwelle so durchgeschüttelt, dass er nur noch elektrisch fahren konnte, bis seine Batterie im Tunnel aufgebraucht war. Fernando Alonso vom Kundenteam Aston Martin schied in Monaco mit einem Powerunit-Problem aus. Und Antonelli erlitt in Imola gar einen kapitalen Motorschaden.
Dabei sei der Powerunit-Bereich "eigentlich unsere Stärke", wundert sich Wolff. "Wir müssen herausfinden, woher das kommt. Aber insgesamt ist das Wichtigste, die Reifen zu verstehen, denn das wird im nächsten Jahr ein entscheidender Faktor sein. Neben all den sportlichen, technischen und motorenbezogenen Reglements."
Die Formel-1-WM 2025, da müsse man "die Kirche im Dorf lassen", findet Wolff, sei "eine McLaren-Nummer". Trotzdem will er die Hoffnung nicht ganz aufgeben: "Man sieht es in dem Sport immer wieder, dass sich von einem Rennen aufs andere etwas ändert, wenn man ein Upgrade bringt oder plötzlich etwas verändert, und dass das Auto dann richtig konkurrenzfähig ist."