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Motorsport Formel 1

Verstappens Nordschleifen-Abenteuer erinnert an sein wildes Formel-1-Debüt

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© Getty (Fotomontage: MSN)

Max Verstappen drückt heute auf dem Nürburgring die Schulbank, um das nötige Nordschleifen-Permit zu erwerben. Damit möchte er am Wochenende an den Rennen der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) teilnehmen. Ein Sprung ins kalte Wasser für den Red-Bull-Star - genau wie im Oktober 2014 in Suzuka, als er beim Grand Prix von Japan das erste Freie Training für das Toro-Rosso-Team bestreiten durfte.

Toro Rosso fuhr in der Formel-1-Saison 2014 mit dem Franzosen Jean-Eric Vergne und dem Russen Daniil Kwjat, doch hinter den Kulissen hatten sich Helmut Marko und Jos Verstappen schon darauf geeinigt, dass Verstappen jun. 2015 die komplette Saison als Grand-Prix-Pilot bestreiten würden. Also wurde er darauf mit Freitagseinsätzen in Suzuka, Austin und Sao Paulo vorbereitet.

Bei seinem ersten Einsatz in Suzuka war Verstappen 17 Jahre und drei Tage alt und schrieb sich damit als jüngster Formel-1-Fahrer aller Zeiten an einem offiziellen Rennwochenende in die Geschichtsbücher ein. Er ersetzte im Freien Training Vergne, und die Vorgabe von Marko und Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost war klar: nur nichts kaputtmachen.

"Franz und Helmut haben immer gesagt: 'Du brauchst nicht am Limit zu fahren, sondern du musst das langsam aufbauen und Erfahrung sammeln.' Okay, kein Problem", erinnert sich Verstappen im Interview mit ServusTV an sein Formel-1-Debüt zurück. Im Wesentlichen lautete sein Auftrag, die Runde nur zu Ende zu fahren und das Auto heil in die Box zurückzubringen.

Was nach Verstappens erster Runde geschah ...

Dann kam Verstappen nach dem ersten Run an die Box zurück, "und ich musste erstmal über viele Sachen nachdenken". Auf einmal kam Tost an sein Auto, beugte sich über das Cockpit und stachelte den jungen Niederländer an: "Alles okay, gut gefahren. Aber die 130R, die geht Vollgas."

Dazu muss man wissen: Die 130R ist eine der legendärsten Kurven der fahrerisch herausfordernden Rennstrecke in Suzuka, und anno 2014 ging die zwar tatsächlich schon voll, galt aber noch als echte Mutprobe. Einen jungen Fahrer zu instruieren, er möge dort gleich auf seiner zweiten schnellen Runde voll fahren, war zumindest eine gewagte Ansage.

Verstappen erinnert sich und lacht: "Ich bin die 130R natürlich Vollgas gefahren - hatte aber schon ein bisschen Übersteuern!" Am Ende der Session rollte Verstappen mit einem qualmenden Heck und einem Ventilschaden aus, hatte aber trotzdem den zwölften Platz belegt, vier Zehntelsekunden hinter Kwjat.

Es ist übrigens, kleine Randnotiz, eine Ironie der Geschichte, dass Verstappen seinem allerersten Teamkollegen Kwjat später zuerst das Cockpit bei Red Bull Racing wegschnappen (ab Barcelona 2016) und später auch die Freundin ausspannen sollte (Kelly Piquet, mit der sowohl Kwjat als auch Verstappen inzwischen ein Kind haben).

Tost: Hatte kein ungutes Gefühl dabei

Heute, elf Jahre später, findet Tost immer noch nicht, dass er dem Neuling Verstappen an jenem denkwürdigen Freitag in Suzuka zu viel abverlangt hat. Das junge Alter müsse man in dem Kontext "einfach mal vergessen". Tost habe "wirklich jedes Formel-3-Rennen von ihm beobachtet. Und da hatte er eine Fahrzeugkontrolle, das war gigantisch."

Im Interview mit ServusTV sagt Tost: "Dieses Norisring-Rennen im Nassen, das werde ich nie vergessen. Die Rundenzeit in der Formel 3 am Norisring ist 57, 58 Sekunden. Und er war jede Runde eine Sekunde schneller als der Rest! Wie der das Auto bewegt hat, das war einfach fantastisch."

"Dann haben wir gesagt, okay, wir testen ihn in Adria. Adria ist ein kleiner Kurs, nicht weit weg von uns, zwischen Faenza und Venedig. Dann sind wir dort hingefahren, und bei Max hast du sofort gemerkt: Der hat keine Probleme mit dem Speed seines Autos. Der hat auch keine Probleme mit dem Bremsen gehabt."

"Normalerweise braucht ein Fahrer seine Zeit, damit er das adaptiert, diese Verzögerung eines Formel-1-Fahrzeuges. Das ist eine enorme Herausforderung. Da kommen 3, 4, 5g auf einen zu. Oder dann die Beschleunigung. Und der ist sofort mit dem Auto zurechtgekommen. Und wir hätten den nicht fahren lassen, wenn wir da nicht hundertprozentig überzeugt gewesen wären, dass der das schafft."

"Es war klar, dass er die 2015 bei uns fahren wird. Und dann haben wir gesagt: Okay, dann fangen wir gleich an! Suzuka war halt das nächste Rennwochenende. Und Suzuka ist schwierig, aber das war für Max absolut kein Problem. Warum? Weil er einfach diese Fahrzeugbeherrschung hat, weil er einfach mit dem Speed nicht überfordert war, weil er einfach sehr, sehr gut auf der Bremse war und weil er das alles wirklich unter Kontrolle hatte. Sonst hätten wir das nicht gemacht."

"Ich war davon überzeugt, dass wir da kein Risiko eingehen, und wenn wir sagen, der war 16 Jahre alt ... Max hat mit fünf, sechs Jahren im Kart angefangen. Das heißt, der hatte schon zehn Jahre Rennerfahrung. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Und er hatte die Jos-Verstappen-Schule. Da war jede Kurve voll. Und deshalb war mir da überhaupt nicht mulmig, und ich war voller Optimismus, dass das mit dem Max klappen wird."

So kam es dann auch. Verstappen bestritt die Saison 2015 an der Seite von Carlos Sainz, in einem Toro-Rosso-Team mit zwei Formel-1-Rookies. Verstappen gewann das interne Duell nach WM-Punkten mit 49:18, auch wenn er das Qualifyingduell knapp mit 8:10 verlor. 2016 begann Verstappen dann wieder bei Toro Rosso, ab Barcelona rückte er aber anstelle von Kwjat zu Red Bull Racing auf.

Dort gewann er, beim Grand Prix von Spanien, gleich sein allererstes Rennen an der Seite von Daniel Ricciardo. Der Rest ist Geschichte - und Verstappen, der dieses Wochenende auf der Nürburgring-Nordschleife wieder eine Premiere erlebt, die im Motorsport als Mutprobe gilt, inzwischen viermaliger Formel-1-Weltmeister ...

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