Gesichter der Tour: Tsgabu Grmay
- Aktualisiert: 05.07.2016
- 14:00 Uhr
- SID
Sein Leben, sagt Tsgabu Grmay, sei ein großes Abenteuer. Und das ist wahrscheinlich noch maßlos untertrieben.
Limoges (SID) - Sein Leben, sagt Tsgabu Grmay, sei ein großes Abenteuer. Und das ist wahrscheinlich noch maßlos untertrieben. Es ist die Geschichte eines Teenagers aus dem nordäthiopischen Hochland, der einst auf verwackelten Fernsehbildern Alberto Contador bei der Tour de France sah und beschloss: Da will ich auch hin. Kein Jahrzehnt später mischt Grmay wirklich beim größten Radrennen der Welt mit - als erster Äthiopier.
"Ich bin aufgeregt, glücklich und stolz", sagt der schmächtige 24-Jährige in Diensten des italienische Lampre-Teams: "Für mich ist das wichtig, aber auch für mein Land. Es ist eine kleine Seite der Geschichte, die ich schreibe."
Gut, so richtig vorne mischt Grmay nicht mit: Platz 172 auf der ersten Etappe, danach 143. und 154. - aber das ist auch gar nicht sein Job. Seinen Kapitän, Ex-Weltmeister Rui Costa, soll er unterstützen. Und wenn es dann noch geht, will Grmay seine persönlichen fünf Minuten Ruhm erleben.
"Die Tour bedeutet für mich nicht, einfach 21 Etappen zu beenden. Es geht darum, etwas Besonderes zu schaffen. Und ich bin bereit, das zu versuchen", sagt Grmay. Angesichts dessen, wie er sich aus seinem Heimatort in der kriselnden Grenzregion zu Eritrea auf die große Radsportbühne gekämpft hat, sollte man ihn tunlichst beim Wort nehmen.
"Die Tour läuft in meiner Heimat jedes Jahr im TV. Ich habe zum ersten Mal 2007 zugesehen und kaum etwas verstanden, da die Übertragung auf Englisch war. Aber Contadors Sieg hat mich sehr beeindruckt", sagt Grmay, dessen Vater und Bruder bereits an Amateur-Rennen teilgenommen hatten.
Grmay trainierte wie besessen, schaffte den Sprung ins Trainingszentrum des Weltverbandes UCI nach Südafrika, danach ins "World Cycling Centre" in der Schweiz. Es lief wie im Film: 2012 wurde Grmay bei MTN-Qhubeka erster äthiopischer Radprofi der Geschichte, 2013 erster äthiopischer Sieger bei einem internationalen Rennen, 2015 mit dem Wechsel zu Lampre erster Äthiopier in einem World-Tour-Team - in sechs Jahren schaffte er es von der Tour of Ruanda zur Tour de France.
Wenn es nach Grmay geht, ist er nur der Anfang: Die große Nation der großen Läufer scheint prädestiniert für den Radsport. "Fahrräder sind jedoch teuer für einen Äthiopier. Wir müssen darum kämpfen, die Ausrüstung in unser Land zu importieren", sagt Grmay: "Aber das können wir ändern. Und meine Anwesenheit bei dieser Tour wird dabei sehr helfen."