Richter entscheidet zu Gunsten des Tennis-Stars
ranSicht zum Fall Djokovic: Das Urteil könnte zum Bumerang werden
- Aktualisiert: 10.01.2022
- 12:59 Uhr
- ran.de / Tobias Hlusiak
Novak Djokovic hat vor Gericht einen Teilsieg errungen. Dieser könnte aber weitreichende Folgen haben - nicht nur sportlicher Natur. Ein Kommentar von ran-Redakteur Tobias Hlusiak.
München - Novak Djokovic hat im juristischen Thriller vor den Augen der Weltöffentlichkeit einen ersten wichtigen Sieg errungen. Im Tauziehen um seine Einreise nach Australien bekam der Weltranglisten-Erste am Montag von einem Gericht in Melbourne Recht. Die Annulierung seines Visums wurde aufgehoben.
So weit, so gut. Oder eben auch nicht ...
Denn, ob der 34-Jährige nun an den Australian Open teilnehmen darf ist ebenso wenig gesichert, wie, dass der Richterspruch nun Ruhe in die aufgeheizte Situation bringt. Zumindest letzteres muss ernsthaft bezweifelt werden.
Denn das Urteil birgt Sprengstoff.
Richter Kelly stellt sich auf Djokovics Seite
"Was mehr hätte dieser Mann noch tun können?" fragte Richter Anthony Kelly in seiner Urteilsbegründung rhetorisch in die Runde und sorgte damit für geteilte Reaktionen. Denn der derzeit beste Tennisspieler der Welt ist längst zu einem Symbol des Risses in der Gesellschaft geworden, den die Corona-Pandemie in fast allen Ländern der Erde freigelegt hat.
Ob gewollt oder nicht, hat sich Djokovic zum Anführer der Impfgegner aufgeschwungen. Bei der Frage, ob dem Serben die Einreise nach Australien gewährt wird oder nicht, geht es nur auf den ersten Blick um ein sportliches Thema. Es geht um Glaubwürdigkeit und Chancengleichheit.
Das Urteil ist nun ein schwerer Schlag für die australische Regierung, die sofort ankündigte, weitere Schritte - also einen Einspruch - zu prüfen.
Wird das Urteil zum Bumerang?
Das muss sie auch, will sie nicht einen Kontrollverlust in der eigenen Corona-Politik riskieren. Millionen Australier waren über Monate in diversen Lockdowns zuhause eingesperrt, die Grenzen dicht und das öffentliche Leben ein ums andere Mal fast gänzlich zum Erliegen gekommen.
Für diese Menschen muss sich das Schauspiel, welches sich seit gut einer Woche um einen Tennis-Millionär, der sich in der Pandemie alles andere als regeltreu präsentierte, entspinnt, wie blanker Hohn anfühlen. Die Anerkennung einer Sondergenehmigung, auf die sich die Djokovic-Seite berief, öffnet Tür und Tor für Klagen.
Im schlimmsten Fall drohen Auseinandersetzungen auf den Straßen oder auf dem Turniergelände, sollte der Titelverteidiger in acht Tagen tatsächlich an den Start gehen (dürfen). Schon während des Prozesses hatten sich vor dem Gerichtsgebäude Anhänger des Serben und Gegendemonstranten gegenüber gestanden.
Nach der Urteilsverkündung kam es vor dem Büro der Djokovic-Anwälte zu Tumulten. Die Polizei musste Pfefferspray einsetzen.
Die Stimmung ist angespannt und hochexplosiv. Die kommenden Schritte sollten nun sorgsam vorbereitet und ausgeführt werden. Von beiden Seiten.
Tobias Hlusiak
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