Neuer Sportdirektor
Borussia Mönchengladbach: Neuer Sportdirektor Virkus - Aufbruch ins Ungewisse
- Aktualisiert: 16.02.2022
- 20:39 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Die Gladbacher haben einen Nachfolger für den zurückgetretenen Sportdirektor Max Eberl gefunden. Roland Virkus kommt aus dem eigenen Stall und geht einen ähnlichen Weg wie sein Vorgänger, der Gegenwind ist aber schon jetzt enorm. Warum eigentlich?
Mönchengladbach – Aufbruch ist anders.
Erfrischender, aufregender, optimistischer. Ein bisschen mehr Hype, Euphorie, viel mehr Kribbeln und deutlich mehr Vorfreude auf das, was kommt.
Bei Borussia Mönchengladbach war es bei der Vorstellung des neuen Sportdirektors Roland Virkus – nunja – eben anders. Es fehlte der letzte Kick, das Gefühl, dass etwas geht, dass diese Entscheidung des Vereins richtig ist.
Fans haben für so etwas oft ein gutes Gespür. Oft ein besseres als der Verein selbst.
Und die Reaktionen aus der Anhängerschaft auf Virkus waren sehr gemischt, sie waren bei ebenso vorhandenen gehobenen Daumen auch durchzogen von beißender Kritik, von Vorbehalten und klarer Ablehnung. Ungewohnt, für Gladbacher Verhältnisse war das schon ziemlich deutlich.
"Max Eberl hat hier als Sportdirektor hervorragende Arbeit geleistet. Mir ist bewusst, dass ich hier in sehr große Fußstapfen trete. Ich freue mich aber riesig darauf, diese Aufgabe nun weiterführen zu dürfen", sagte Virkus bei seiner Vorstellung. Sein Ziel sei es, Borussia auf ihren ursprünglichen Weg zurückzubringen, betonte er: "Borussias Weg muss es immer sein, vor allem auf junge, hungrige Talente zu setzen."
Eigentlich sollte das Musik in den Ohren der Anhängern sein. Virkus ist 55 Jahre alt, gebürtiger Gladbacher, ist seit 1990 (!!) im Verein, fing im Jugendbereich als Trainer an und begleitete so Spieler wie Marc Andre ter Stegen oder Amin Younes nach oben. 2008 wurde er Nachfolger von Max Eberl, der damals vom Nachwuchskoordinator zum Sportdirektor aufstieg.
Einer der aus dem eigenen Stall. Was per se nicht schlecht sein muss, auch wenn das neue Gesicht und Sprachrohr der Borussia im Moment nur Gladbach-Beobachtern ein Begriff sein dürfte.
Ter Stegen lobt Virkus
Ter Stegen ist "überzeugt, dass Sie als meinungsstarke, kritische und immer klare Person einen tollen Job machen werden für den Verein, den Sie in- und auswendig kennen", schrieb der Nationaltorhüter auf Twitter.
Doch vor allem zwei Dinge trübten die Stimmung. Zum einen die desaströse Kommunikation des Klubs, der gar keinen Hehl daraus machte, dass Virkus nur die vierte Wahl war. Wunschkandidat Steffen Korell hatte schnell abgesagt, weshalb Präsident Rolf Königs bei Eberls Abschieds-PK eine externe Lösung angekündigt hatte.
Nicht wenige hatten genau darauf gehofft – auf frischen Wind, eine andere Richtung, neue Ideen. Vieles schien zuletzt verkrustet und verfahren, der Klub schien in der eigenen Struktur, die lange Garant für den Erfolg war, festzustecken.
Zwei Kandidaten wurden laut Königs kontaktiert. "Sie haben sich geehrt gefühlt, aber unser Angebot wegen laufender Verträge nicht angenommen", so Königs.
Eine Liste mit potenziellen Eberl-Nachfolgern "aus der Bundesliga, 2. Bundesliga und dem Ausland" arbeitete man nicht mehr ab, sondern einigte sich mit Virkus.
Plan D also. Der Überraschungseffekt verpuffte und erhielt eine negative Tonalität.
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Nur die vierte Wahl
Dass der Gladbach-Boss den studierten Sozialpädagogen Virkus als "nicht nur ebenbürtig, sondern besser" verkaufte, kann den Eindruck, dass der Neue nur eine Notlösung ist, kaum übertünchen.
Ein schwieriger Start, keine Frage.
Ein weiterer Umstand, der für Skepsis sorgt: Virkus hatte sich seit 2008 als Direktor des Nachwuchsleistungszentrums einen Namen gemacht, den Fohlenstall weiter auf Vordermann und Talente wie ter Stegen, Patrick Herrmann, Tony Jantschke, Marcell Jansen oder Mahmoud Dahoud in die Bundesliga gebracht.
Das Problem: Seit Jahren rücken kaum noch eigene Talente mehr nach, was sich auch Virkus, der sich selbst als emotional, aber auch schnell wieder sachlich beschrieb, vorwerfen lassen muss.
Komplizierte Gemengelage
Ja, auch Eberl war 2008 ein unbeschriebenes Blatt, bekam seine Chance und nutzte sie. 2022 ist die Borussia aber ein anderer Klub als damals. Bei einigen Kritikern wirkt es wie der verzweifelte Versuch, die Zeit wieder ein wenig zurückzudrehen. Die Voraussetzungen sind jedoch andere, die Erwartungen und Ansprüche auch, die Gegebenheiten mit der Corona-Pandemie und den wirtschaftlichen Folgen sowie dem anstehenden und notwendigen Umbruch im Sommer kompliziert. Dass mit Virkus nun einer die Geschicke lenken soll, der zwar den Verein in- und auswendig kennt, die Bundesliga-Bühne als Hauptdarsteller aber nicht, treibt nicht wenigen die Sorgenfalten auf die Stirn. Die Entscheidung ist deshalb mindestens mutig.
"Natürlich wollen wir oben angreifen, aber das wird eine Zeit dauern", sagte Virkus, der einen Vertrag über dreieinhalb Jahre unterschrieb: "Wir wollen ambitioniert bleiben. Wir müssen aber auch realistisch bleiben." Man müsse "sich hinterfragen" und "die Kaderplanung vorantreiben", so Virkus: "Die Pandemie hat uns ein bisschen von unserem Weg abgebracht. Es ist wichtig, dass wir den Borussia-Weg weitergehen."
Das alles hätte auch sein Vorgänger so sagen können. Vielleicht fühlt sich der Aufbruch deshalb anders an. Denn es ist einer ins Ungewisse.
Andreas Reiners
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