Nachwachsende Werkstoffe im Motorsport
- Veröffentlicht: 11.01.2021
- 15:47 Uhr
Spätestens als DTM-Boss Gerhard Berger im Februar letzten Jahres öffentlich die Frage stellte, „ob wir überhaupt noch Motorsport brauchen“, wusste auch der letzte Motorsport-Fan, was die Stunde geschlagen hatte. Ein paar Monate später verkündete Honda den Ausstieg aus der Formel 1 zum Ende diesen Jahres. Die Japaner wollen bis 2050 CO2-neutral unterwegs sein. Da passt der Vollgas-Zirkus nicht ins Bild. Und bereits 2019 hatte Volkswagen angekündigt, ausschließlich auf Elektro-Motorsport setzen zu wollen, nur um Ende 2020 die eigene Motorsport-Abteilung komplett zu beerdigen. Wo Automobilhersteller vehement auf umweltfreundlichere Antriebskonzepte setzen, wo der gesellschaftliche Druck nach nachhaltigen Mobilitätskonzepten wächst, da passt der Motorsport, so scheint es, nicht mehr in unsere Zeit. Dabei kann der Sport durchaus zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Schließlich war der Rennsport schon immer eine besonders innovative Disziplin, die neue Technologien erstmals auf den Asphalt brachte. Alternative Antriebe sind ein wichtiger Bestandteil einer neuen umweltfreundlicheren Strategie. Die Nutzung von nachwachsenden Werkstoffen ein weiterer.
Pioniere des nachhaltigen Motorsports
Seit 18 Jahren fährt Smudo für das Rennteam „Four Motors“. Ein Rennstall, der sich mehr Nachhaltigkeit im Rennsport auf die Fahnen geschrieben hat. Bereits seit 2003 setzt das Team verschiedene Rennwagen mit Biokraftstoffen und Karosserieteilen aus nachwachsenden Rohstoffen, sogenannte Biowerkstoffe, ein. Die sogenannten „Bioconcept-Cars“ sollen als die „schnellsten Testlabors der Welt für die Mobilität der Zukunft dienen.“
Und diese fahrenden Testlabors haben sich als ziemlich schnell und ziemlich erfolgreich erwiesen: Mit Türen aus Biofaserverbund-Werkstoffen, reraffinierten Ölen und einem E20-Kraftstoff fuhr der Rennstall von Teamchef Thomas von Löwis bei den 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2019, 2018 und 2017 einen Hattrick-Sieg in der Klasse „Alternative Treibstoffe“ sowie diverse AT-Klassensiege bei der Nürburgring-Langstreckenrennserie NLS/VLN ein.
Biofaser-Verbundwerkstoff für den Porsche 718 Cayman GT4 Clubsport
Neben dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI ist ein weiterer Partner von Four Motors niemand Geringeres als die Porsche AG. Nachwachsende Rohstoffe werden bei Porsche seit 2019 in einer Kleinserie eingesetzt. Als erstes in Serie produziertes Rennfahrzeug verfügt der Porsche 718 Cayman GT4 Clubsport über Karosserieteile aus einem Biofaser-Verbundwerkstoff. Beide Türen sowie der Heckflügel sind aus einem Naturfasermix hergestellt, der primär aus Reststoffen der Landwirtschaft besteht und in Sachen Gewicht und Steifigkeit ähnliche Eigenschaften besitzen soll wie Kohlefaser.
Beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2020 gingen Porsche und Four Motors einen Schritt weiter und setzten einen Cayman mit vollständigem Karosseriekit aus Biofaser-Verbundwerkstoffen ein.
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Weil sie nachwachsen und recyclebar sind, sind die Werkstoffe nicht nur deutlich umweltfreundlicher als die Metall- und Kunststoff-Spritzguss-Komponenten, die normalerweise zum Einsatz kommen. Laut Porsche lassen sich die entsprechenden Teile auch preisgünstiger und mit einem geringeren Energieeinsatz produzieren.
Bessere Werkstoffeigenschaften
Als Grundlage der nachhaltigen Biofaser-Verbundmaterialien dienen in der Landwirtschaft erzeugte Flachsfasern. Bei Porsche ist man überzeugt: „Biofaser-Verbundmaterialien bieten sich als Werkstoff speziell in Bereichen an, die nicht oder nur teilweise zur Fahrzeugstruktur zählen. Zugleich zeichnen sie sich durch fünffach bessere Dämpfungseigenschaften gegenüber Vibrationen aus und zersplittern bei einem Unfall in weniger kleine und scharfe Teile.“
Als Kern des Verbundwerkstoffs dient bei den Türen besonders leichtes Balsaholz. Wie bei Kohlefaser-Komponenten werden die Türen dabei in Sandwich-Bauweise gefertigt. Beim Heckflügel hingegen werden mit Epoxidharz imprägnierte Lagen in einem Autoklaven ausgebacken. Die Bauteile aus Naturfaser-verstärktem Kunststoff entstehen in einem speziellen Vakuum-Verfahren und verfügen über Rippen, um die hohen Steifigkeitsanforderungen zu erfüllen.
Nachhaltig produzierte Teile, die nicht nur günstiger produziert werden können, sondern auch teilweise bessere Werkstoffeigenschaften besitzen: Keine schlechte Kombination. Eine Kombination, die sich durchsetzen dürfte. Nicht nur im Motorsport, sondern zukünftig auch im internationalen Automobilbau.