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Italien vor dem EM-Viertelfinale gegen Belgien

EM 2021: Gianni Vio - Italiens Standardkönig aus dem Hintergrund

  • Aktualisiert: 02.07.2021
  • 14:20 Uhr
  • ran.de/Timo Nicklaus
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© Getty Images

Trainer Roberto Mancini wollte ihn unbedingt haben - für die Squadra Azzurra verschob Gianni Vio daraufhin seinen Ruhestand. Der 66-Jährige gilt als Experte für Standardsituation und hat in seiner Laufbahn Tausende Möglichkeiten entwickelt, wie der Ball den Weg ins Tor findet. Ob Serie A, Premier League oder die EM - Erfolg hat er mit seinen skurrilen Methoden fast immer.

München - Für Gianni Vio hätte ein Tor schöner nicht fallen können. Im letzten Gruppenspiel der EM-Vorrunde zwischen Italien und Wales läuft gerade die 39. Minute.

Ein Freistoß von der rechten Strafraumkante chipt Marco Verratti halb hoch auf den kurzen Pfosten, Matteo Pessina rückt ein und verlängert den Ball mit einer kurzen Berührung ins lange Eck - Tor.

Pessina jubelt sich im Vollsprint Richtung Ersatzbank, feiert dort mit seinen Teamkollegen. Ein paar Meter daneben klatscht sich Trainer Roberto Mancini mit Gianni Vio ab. Genau für solche Situationen, dachte sich Mancini wohl, hatte er ihn aus dem Ruhestand geholt.

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Seit September bei der Squadra Azzurra

Die perfekte Umsetzung einer einstudierten Standard-Variante ist für den 66-jährigen Vio das Nonplusultra. Im Leben des fußballbegeisterten Italieners spielt die Ausführung des ruhenden Balls damals wie heute eine zentrale Rolle, in der Squadra Azzura fungiert er im Trainerteam als Spezialist für eben jene.

Vor einigen Monaten, etwa im September, hatte ihn Mancini höchstpersönlich angerufen und nach seiner Unterstützung gefragt. "Wir trafen uns in Bologna, unterhielten uns und schüttelten uns die Hand", erklärte Vio gegenüber "The Athletic": "Dann habe ich im letzten September angefangen."

Der Höhepunkt einer Karriere, die erst spät an Fahrt aufnahm. Denn Vio war zwar wie viele Italiener absolut verrückt nach Fußball - selbst vor den Ball getreten hatte er im Profibereich aber nie.

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Vom Bankfachmann zum Standardkönig

Stattdessen arbeitete er lange Zeit in einer Bank in Mestre, einem Vorort von Venedig. In seiner Freizeit nahm er an Kursen einer Trainerschule in Florenz teil, verfasste seine Abschlussarbeit über das Thema: "Standards - der 15-Tore-Stürmer". Ideen über die Variationen von Ecken, Freistößen oder Einwürfen sprudelten nur so aus ihm heraus. 

Vio gab Interviews, hielt Reden und schrieb seine Eindrücke schlussendlich zusammen mit dem Psychologen Alessandro Tettamanzi in dem Buch "That Extra 30 Percent" auf. 30 Prozent - so viel können Standards laut dem Italiener die Torausbeute einer Mannschaft verbessern. "Es ist, als hätte man einen weiteren Stürmer."

Das im Jahr 2004 veröffentlichte Buch erregte unter anderem auch die Aufmerksamkeit von Walter Zenga. Der ehemalige italienische Torhüter (58 Länderspiele) kontaktierte Vio per Mail, beide tauschten Ideen aus. Zunächst bei Roter Stern Belgrad, dann bei Al-Ain und später bei Catania Calcio arbeiteten beide zusammen.

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Top-Klubs werden auf Gianni Vio aufmerksam

Vio bekam den Spitznamen "Der kleine Zauberer" und machte Catania zu der standardstärksten Mannschaft der Serie A. In der Saison 2011/12 fielen 26 der 47 Tore (57,4 Prozent) durch Standards.

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  • 02.07.2021
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Der Öffentlichkeit meist unbekannt, entwickelte Vio einen ausgezeichneten Ruf. Es folgten Stationen beim AC Florenz, AC Mailand, Brentford FC und Leeds United. Überall hob er die Effizienz nach dem ruhenden Ball nach oben.

In jener Zeit entwickelte Vio seine Ideen immer weiter. Nach eigenen Angaben kennt er rund 4830 verschiedene Möglichkeiten, wie ein ruhender Ball ausgeführt werden kann. "Man sollte für seine Spieler die passenden Lösungen finden. Das Timing ist das Wichtigste. Egal wo der Ball liegt, es gibt immer einen Weg, wie er den Spieler, den man anspielen will, erreicht", sagte er einst in einer italienischen Zeitung. 

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Situationen sehen meist willkürlich aus

Mit seinen 66 Jahren wollte er sich nun eigentlich zurückziehen - bis der Anruf von Mancini kam. Seine oftmals auch ungewöhnlichen Methoden finden in der Squadra Azzura Anklang.

Neben dem Treffer von Pessina, hätte gegen Wales beinahe eine weitere Situation zum Erfolg geführt. Kurz nach der Pause formierte sich bei einem Freistoß ein Block aus drei Italienern vor der eigentlichen Mauer der Waliser. Laufwege links und rechts der Mauer sorgten für zusätzliche Verwirrung, Lorenzo Insigne setzte den Freistoß anschließend an den Pfosten.

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Ein weiteres Beispiel: Auch beim zweiten Gruppenspiel gegen die Schweiz traf Italien nach einem Eckball. Das Tor von Giorgio Chiellini wurde aber nach einem Handspiel aberkannt.

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Vieles ist reine Psychologie

Generell dienen die meist willkürlich aussehenden Aktionen vor allem zur Verwirrung und Ablenkung des Gegners. "90 Prozent" seiner Arbeit sei laut Vio "reine Psychologie".

Eines ist sicher: Vor dem EM-Viertelfinale gegen Belgien (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) wird die Squadra Azzurra wieder einige Standard-Tricks trainiert haben.

Ob es dann erneut so erfolgreich wie beim Tor von Matteo Pessina wird, bleibt abzuwarten. Genügend Möglichkeiten hat Gianni Vio parat.

Timo Nicklaus

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