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NFL - Kilian Zierer von den Houston Texans im Interview: "Diese Verletzung ist nicht das Ende der Welt"
- Aktualisiert: 23.08.2023
- 18:22 Uhr
- Andreas Reiners
Das Timing ist mehr als nur bescheiden: Kilian Zierer hat sich in der Preseason den Knöchel verstaucht, und das eine Woche vor den Cuts. Im ran-Interview spricht der Left Tackle der Houston Texans über den Rückschlag, seine Chancen, das Feedback der Coaches, die bisherigen Erfahrungen und nervige Rituale in der NFL.
Kilian Zierer nimmt die Situation an. Denn ändern kann er sie sowieso nicht.
Drei Stunden hat er am Dienstag vor dem Interview mit ran in der Reha verbracht, nachdem er sich im Preseason-Spiel gegen die Miami Dolphins den Knöchel verstaucht hat.
Ein paar Wochen muss er sich gedulden, bevor er wieder mitmischen kann. Vielleicht reicht es für den Saisonstart.
Bis dato sah es für den Left Tackle, der von den Auburn Tigers als "Undrafted Free Agent" den Sprung zu den Houston Texans geschafft hatte, in der Vorbereitung auf die neue NFL-Saison gut aus.
Die große Frage: Reicht es für den 23-Jährigen noch, es in den 53 Mann starken Kader der Texans zu schaffen? Oder zu einem anderem Team?
ran: Herr Zierer, wie geht es Ihnen und dem Knöchel?
Kilian Zierer: Der Knöchel ist verstaucht und es ist schmerzhaft, aber es ist nichts kaputt und keine langfristige Verletzung, sondern wird wahrscheinlich nur ein paar Wochen dauern. Bis zum Saisonstart könnte ich wieder fit sein.
Das Wichtigste in Kürze
Kilian Zierer: "Hatte schon ganz andere Verletzungen"
ran: Wie gehen Sie mit dem Rückschlag um? Das Timing ist ja eher mittelmäßig. Sie haben eine gute Vorbereitung absolviert, eine gute Preseason, und jetzt diese Verletzung eine Woche vor den Cuts…
Zierer: Ich hatte schon ganz andere Verletzungen. Es wäre was anderes, wenn mein Knöchel gebrochen oder mein Kreuzband durch wäre. Aber ich hatte diese Verletzung schon einmal. Ich war innerhalb von ein paar Wochen wieder fit. Der Zeitpunkt ist auf jeden Fall sehr blöd. Ich habe mich zuerst auch tierisch aufgeregt und ich würde morgen am liebsten wieder auf dem Platz stehen. Aber lamentieren bringt nichts. Mein Leben dreht sich jetzt nur noch darum, fit zu werden und so schnell wie möglich wieder auf den Platz zu kommen. Nächste Woche weiß ich mehr.
ran: Nicht wenige würden jetzt bangen, ob das Telefon möglicherweise klingelt. Was lässt Sie gut schlafen?
Externer Inhalt
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Zierer: Es kommt, wie es kommt. Aber ich habe gute Leistungen gezeigt. Das ist auf Tape und wenn es bei den Texans nicht klappt, dann gibt es immer noch 31 andere Teams, die auch dieses Tape haben und es sehen können. Alles war in der Vorbereitung sehr positiv und eine Verletzung, die mich ein paar Wochen zurückhält, ist nicht das Ende der Welt.
ran: Was sagt Ihr Gefühl, wie es weitergehen wird?
Zierer: Da habe ich echt keine Ahnung. Ich glaube, dass meine Chancen gut standen, es in den Kader zu schaffen oder zumindest in den Practice Squad zu kommen. Und ich glaube, diese Chancen stehen fast noch genauso gut, trotz der Verletzung.
ran: Haben Sie einen Plan B, falls mit dem Cut der Worst Case eintreten sollte?
Zierer: Einen wirklichen Plan B habe ich nicht. Wenn ich einen Anruf bekomme, dass ich gecuttet werde oder dass ich zu einem anderen Team komme, dann ist es so. Ich habe eine tolle Preseason gespielt. Ich weiß im Moment aber nicht, wo mich das Team sieht, denn in der NFL weiß man nie. Was ein General Manager über dich denkt, das weißt du erst, wenn der Cut kommt. Deshalb fokussiere ich mich einfach nur darauf, wieder fit zu werden.
ran: Welches Feedback gab es denn bislang vom Team?
Kilian Zierer in der NFL: Das Feedback war durchweg positiv
Zierer: Es gibt die 'Ones', also die Starter. Dann gibt es die Backups, zu denen ich gehöre. Und dann gibt es die 'Third Strings', die es möglicherweise in das Roster schaffen. Feedback bekommst du, wenn du morgens in den Raum kommst und du siehst, auf welcher Position du im Moment bist. Ich war meistens der zweite Left Tackle, also der Backup hinter Laremy Tunsil. Das meiste Feedback erhält man immer noch in Meetings, wie man sich noch zu verbessern hat. Das direkte Feedback von den Coaches war auch positiv.
ran: Sie sind jetzt ein paar Monate in der NFL, hat Sie etwas besonders überrascht?
Zierer: Überrascht nicht unbedingt, aber es war schon besonders, das erste Mal in den Locker Room zu kommen, und dann sitzen dort Spieler, die seit zehn, zwölf, 15 Jahren in der NFL spielen. Laremy Tunsil, der zu den besten Tackles gehört. Oder Quarterback Case Keenum. Und dann denkt man sich: 'Wow, den habe ich vor acht Jahren schon spielen sehen.' Das war einer der coolsten Momente.
ran: Wie sind Sie das Abenteuer NFL generell angegangen?
Zierer: Ich bin mit einigen meiner College-Kollegen zusammen ins Training gegangen und wir haben uns alle darauf vorbereitet. Ich habe zudem mit Sebastian Vollmer und Markus Kuhn zwischendurch gesprochen. Die haben mir auch ihre Nummern gegeben. Grundsätzlich war mir der Prozess bekannt und ich musste meinen Weg darin finden. Bis jetzt hat eigentlich alles so funktioniert, wie ich mir vorgestellt habe. Ich wäre natürlich am liebsten gedraftet worden.
ran: Wie sehr haben Sie den Draft-Prozess verflucht?
Zierer: Das Warten war schon nervig, aber ich wusste vorher schon, dass die Chancen nicht sehr gut stehen, dass ich gedraftet werde. Und wenn überhaupt, dann sehr spät. Man starrt die ganze Zeit auf sein Handy und hofft, dass irgendwann ein Anruf kommt. Als ich dann den Anruf bekommen habe, dass die Texans mich als "Undrafted Free Agent" wollen, war mir klar, dass es hier irgendwie weitergeht.
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ran: Bei den Texans lief es zuletzt sportlich eher bescheiden. Wie ist die Stimmung rund um die Franchise?
Zierer: Die Stimmung ist sehr gut aufgrund unseres neuen Head Coaches. Bei den Texans wissen alle, dass sie in den letzten drei Jahren kaum Spiele gewonnen haben. Und dass es Houston endlich mal verdient hat, dass die Texans wieder ein gutes Football-Team werden. Und ich glaube, DeMeco Ryans bringt genau das mit: Eine Winning-Mentality, positive Energie. Da sind alle mit eingestiegen und glauben auch daran, dass es mit dem neuen Head Coach eine gute Saison werden wird.
ran: Was nach dem Draft folgte, war die Vorbereitung. Wie hart waren Workouts, OTAs etc?
Zierer: Das Einzige, das wirklich hart war, war, dass ich so weit weg von meinem Zuhause war und ich praktisch auf mich alleine gestellt war. Es war alles sehr neu.
ran: Wie läuft dann das Einleben in einem NFL-Team ab? Kommen die Alten und nehmen die Rookies unter ihre Fittiche?
Houston Texans: Jeder hilft dem anderen
Zierer: Ja, die waren ja auch alle mal Rookies. Sie waren echt sehr behilflich, sie haben einem gezeigt, wie das Training abläuft, wie der ganze Prozess in der NFL ist, denn der ist sehr unterschiedlich im Vergleich zum College. Und wir haben auch mehrere Tackles, die seit Jahren in der NFL spielen. Und die waren auch sehr hilfreich, wenn ich irgendwelche Fragen hatte, wenn ich irgendwelche Tipps gebraucht habe.
ran: Wie hart geht es im Kampf um die Plätze im Roster zu, werden da die Ellenbogen ausgefahren und Psychospielchen gespielt?
Zierer: Jeder in der NFL versteht, dass die Roster-Plätze sehr begrenzt sind und dass viele am Ende des Trainingslagers nicht mehr da sind. Aber da wird untereinander geholfen, da werden keine Psychospielchen oder sowas gespielt. Wir Tackles wissen alle, dass von uns nicht alle da bleiben werden. Die anderen haben mir trotzdem geholfen und mir Tipps gegeben, was ich besser machen kann. Da geht es wirklich einfach nur darum, dass man der beste Spieler ist. Und der beste Spieler kommt in den Kader.
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ran: Gibt es eigentlich irgendwelche nervigen Rituale, die man als Rookie machen muss?
Zierer: Wir müssen den Routiniers Snacks kaufen. Oder wir müssen Witze erzählen. Es gibt zudem eine Rookie-Talent-Show, wo man etwas vorführen muss. Viele haben einfach gesungen. Kleinigkeiten eben. Aber nichts unfassbar Schlimmes.
ran: Und was mussten Sie machen?
Zierer: Hauptsächlich habe ich Snacks gekauft. Ich musste den Routiniers nach dem Training die Shoulder Pads zurückschleppen, weil sie keine Lust hatten, die selber zu tragen. Und für die Offensive Line musste ich täglich ein, zwei Witze erzählen.
ran: Wie hat sich Ihr Standing in den vergangenen Wochen im Team verändert?
Zierer: Ich glaube, das war von Anfang an da. Von Anfang an habe ich versucht, so gut wie möglich an mir zu arbeiten, so hart wie möglich im Training mitzumachen. Damit habe ich gezeigt, dass ich es ernst meine und dass ich jeden Tag versuche, der beste Spieler zu sein, der ich sein kann. Deswegen hat sich das Standing gar nicht groß verändert.
Ich sehe mich auf jeden Fall als Backup, der eine Chance hat, eines Tages ein Starter zu sein. Und wenn irgendwas passiert, falls sich irgendjemand verletzt, bin ich auf jeden Fall bereit zu spielen.
Kilian Zierer, 2023
ran: Verbessern kann man sich immer, doch in welchen Bereichen sehen Sie bei sich selbst Verbesserungsbedarf?
Zierer: Das sind in erster Linie Kleinigkeiten. Ich spiele eine sehr technische Position. Ich habe eine sehr gute Größe, eine sehr gute Armlänge. Ich kann meine Füße sehr gut bewegen, weil ich zehn Jahre Fußball gespielt habe, was mir sehr hilft. Ich glaube, der Großteil von dem, was ich verbessern muss, sind technische Dinge, die mit der Zeit kommen werden. Weil in der NFL die Pass Rusher deutlich besser sind als im College.
ran: Fühlen Sie sich theoretisch bereit für die NFL, für Woche 1?
Zierer: Ja, ich sehe mich auf jeden Fall als Backup, der eine Chance hat, eines Tages ein Starter zu sein. Und wenn irgendwas passiert, falls sich irgendjemand verletzt, bin ich auf jeden Fall bereit zu spielen.
ran: Was sind die großen Unterschiede zwischen dem College und der NFL?
Zierer: Dass jeder ein Profi ist in dem, was er macht. Es gibt keine schlechten Spieler, jeder ist gut auf seine eigene Art und Weise. Es sind nicht 17-, 18-Jährige, die noch herausfinden müssen, wie das Leben funktioniert.