Vor dem London Game der Carolina Panthers
Von der Londoner Straße in die NFL in vier Jahren: Efe Obadas "ultimative Football-Geschichte"
- Aktualisiert: 13.10.2019
- 11:36 Uhr
- ran.de / Kevin Obermaier
Die Carolina Panthers spielen am Sonntag gegen die Tampa Bay Buccaneers (ab 15 Uhr live auf P7 MAXX und ran.de) zum ersten Mal in ihrer Geschichte in London. Ein großer Tag für die gesamte Franchise - für einen Mann jedoch ganz besonders: Efe Obada. Der Defensive End schreibt mit der Rückkehr in seine einstige Heimat ein modernes Football-Märchen.
London - Es gibt Geschichten, die sind anfangs so unwahrscheinlich, dass sie gemeinhin als Märchen bezeichnet werden, sind sie erst einmal real. Ein kleines Wunder, das niemand für möglich gehalten hätte. Das dann aber doch eintraf, irgendwie.
Am Sonntag schreibt Efe Obada eine solche Geschichte. Besser gesagt: Er schreibt sie weiter, fügt ihr ein neues Kapitel hinzu. Das vielleicht schönste bislang, weil es den Kreis für den Defensive End (vorerst) schließt.
Denn wenn die Panthers auf die Buccaneers treffen (ab 15 Uhr live auf P7 MAXX und ran.de), ist es nicht nur das erste London Game in Carolinas Franchise-Geschichte. Es ist auch Obadas Rückkehr in seine ehemalige Heimat. In jene Stadt, in der er einst das Footballspielen lernte. Und damit wohl sein Leben rettete.
Eine Kindheit ohne Kindsein
"Es war hart. Wirklich hart." Efe Obada redet nicht gern über seine Vergangenheit, wie er gegenüber "ESPN" zugibt. Verständlich, denn es ist eine Vergangenheit voller Schrecken. In Nigeria geboren, wird Obada schon als Kind in die Prostitution geschickt, lebt zusammen mit seiner großen Schwester erst in den Niederlanden. Als Efe zehn Jahre alt ist, wird er nach London verkauft.
Dort findet das Geschwisterpaar irgendwie den Ausweg. Doch noch keine Rettung. Von allen verlassen, haben sie nur noch einander, leben mal auf der Straße, mal im Pflegeheim. Nirgendwo bleiben sie lange. Als Obada älter wird, hält er sich und seine Schwester mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er arbeitet beim Sicherheitsdienst eines Lebensmittelunternehmens oder belädt LKWs mit Paketen.
Obada kämpft. Auch gegen das Abrutschen in die Londoner Gang-Szene. Gegen Drogen, Alkohol, eine Rückkehr in die Unterwelt. Gegen die erneute Hoffnungslosigkeit.
Ein Freund namens Josh
Bis er eines Tages im Jahr 2014 einen neuen Freund findet. Sein Name: Josh. "Ich erinnere mich nicht an seinen Nachnamen", meint Obada. "Er trug Pads. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zu kommen und ein wenig zu trainieren. Ich hatte das Glück, an dem Tag nichts vorzuhaben. Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn ich ihm nicht gefolgt wäre."
Obada folgte Josh. Zum Footballtraining bei den London Warriors. Zu einem Sport, von dem er zu diesem Zeitpunkt absolut nichts wusste. Ausgestattet mit seinem eigenen Paar Schulterpads, überzeugt Obada sofort, zum einen durch seine Geschwindigkeit, zum anderen durch eine Eigenschaft, die auch Panthers-Coach Ron Rivera heute an ihm schätzt: seine Bereitschaft, Neues zu lernen.
Simon Buckett, damals Obadas Trainer, erinnert sich: "Einmal kam er nach einem Play, bei dem er den Quarterback gesackt hatte, raus und fragte: 'Was hab ich falsch gemacht?' Ich antwortete: 'Nichts. Warum glaubst du, du hättest etwas falsch gemacht?' Er meinte: 'Weil es so einfach ging.'"
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Von der Straße in die NFL in vier Jahren
Schnell wird klar: Obada ist besser als seine Teamkollegen bei den Warriors. So gut, dass Defensive Coordinator Aden Durde, einst bei den Dallas Cowboys, seinem Ex-Team empfiehlt, Obada im Rahmen des London Games 2014 zum Probetraining einzuladen. Im Frühjahr darauf nehmen ihn die Cowboys als Free Agent unter Vertrag. Nach Stationen bei den Kansas City Chiefs und Atlanta Falcons landet er 2017 bei den Carolina Panthers, die ihn im Rahmen des International Pathway Programs verpflichten.
2018 schafft Obada als erstes Spieler des IPP den Sprung in den 53er-Kader eines NFL-Teams. Von der Londoner Straße in die NFL. In vier Jahren.
Obada, heute 27 Jahre alt, könne es manchmal selbst nicht glauben, wie schnell alles ging - aber: "Football gab mir einen Zweck, gab mir eine Mission, half mir dabei, mich mit den richtigen Leuten zu umgeben." Er habe Josh, Coach Buckett oder Vernon Kay, seinem besten Freund bei den Warriors, zwar nie alles über seine Kindheit erzählt. Aber es habe schon "geholfen, dass sie da waren".
Die Teamkollegen, die "richtigen Freunde zur richtigen Zeit", der Football, sie alle retteten Obada das Leben.
Die ultimative Football-Geschichte
So kann der Defensive End nun auch am Wochenende wieder für die Carolina Panthers auf dem Platz stehen. In London. Vor den Augen seiner ehemaligen Warriors-Weggefährten, die zu einem "großen Obada-Fanklub" auf der Tribüne gehören werden, wie Kay verrät. Sie seien gespannt darauf, wie sich ihr "Bruder mit dem großen Herz" schlägt. Wie er seine Geschichte bei der Rückkehr in die einstige Heimat weiterschreibt.
Von der Londoner Straße in die NFL. Und nun zurück nach London. In fünf Jahren.
Eine Geschichte, erst so unwahrscheinlich, und nun doch real. Ein modernes Märchen. Ein kleines Wunder.
Oder, um es mit den Worten Vernon Kays zu sagen: "Die ultimative Football-Geschichte."
Kevin Obermaier
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