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NBA - Isaiah Hartenstein im großen Interview: "Bin hier aufgewachsen und versuche, so viel wie möglich für Deutschland zu tun"
- Veröffentlicht: 31.07.2025
- 09:59 Uhr
- Christoph "Icke" Dommisch
Isaiah Hartenstein gewann mit den Oklahoma City Thunder jüngst den NBA-Titel. Im ersten Teil des großen ran-Interview spricht der 27-Jährige über seine Reise nach Deutschland, die NBA-Feierlichkeiten und die Nationalmannschaft.
Das Interview führte Christoph "Icke" Dommisch
Isaiah Hartenstein kommt aus einer nahezu perfekten NBA-Saison. Mit den Oklahoma City Thunder gewann der 27-Jährige nach einer dominanten Regular Season und einer spannenden Finalserie gegen die Indiana Pacers die Meisterschaft, er selbst war dabei einer der wichtigsten Leistungsträger.
Dem Traum vieler deutscher Basketballfans, bei der EM im Sommer für die Nationalmannschaft auflaufen zu können, musste Hartenstein aber eine Absage erteilen. Eine Verletzung an der Achillessehne lässt einen Einsatz beim Kontinentalturnier nicht zu. Damit muss Hartenstein weiter auf sein DBB-Comeback und sein erstes Länderspiel seit Februar 2018 warten.
Dennoch weilt Hartenstein aktuell in seiner zweiten Heimat, um gemeinsam mit dem deutschen Vizemeister ratiopharm Ulm, an dem der NBA-Profi seit Ende vergangenen Jahres beteiligt ist, ein Jugendcamp durchzuführen. Zuvor aber nahm er sich ausreichend Zeit für ran-Moderator Christoph "Icke" Dommisch.
Im großen Interview spricht Hartenstein über die abgelaufene NBA-Saison, den Schlüssel zum Erfolg und seine Eingewöhnung in Oklahoma City. Außerdem erklärt er, wie schwierig es anfangs für ihn war, in der NBA Fuß zu fassen. Vor allem sein Vater spielte eine wichtige Rolle. Und auch zum Thema Nationalmannschaft findet er klare Worte.
ran: Isaiah, wie geht es dir? Hast du noch ein bisschen Jetlag?
Isaiah Hartenstein: Ein bisschen Jetlag noch, ja. Aber ich bin einfach froh, wieder in Deutschland zu sein.
Hartenstein-Sohn schläft bei der Siegesfeier
ran: Wie häufig machst du die Trips rüber nach Deutschland?
Hartenstein: Das Witzige ist, es ist, glaube ich, das erste Mal seit zwei oder drei Jahren. Also, es ist schon eine Weile her. Es gab verschiedene Sachen, weshalb es nicht möglich war, nach Deutschland zu kommen. Mein Sohn zum Beispiel. Aber jetzt sind wir endlich wieder hier, als Erstes musste ich direkt einen Döner essen. (lacht)
ran: Hast du hier in München einen Dönerladen gefunden? Ich weiß selbst als Berliner, dass das hier ein bisschen wie im Exil ist ...
Hartenstein: In der Lobby des Hotels haben sie uns einen Tipp gegeben, das war ganz okay. Ich weiß nicht, ob das mit Berlin vergleichbar ist. Aber ich habe seit ein paar Jahren keinen mehr gegessen, von daher war es schon solide.
ran: Deine Frau Courtney ist mit nach Deutschland gekommen, dein Sohn Elijah ist auch mit dabei. Du nutzt schon jede Minute in deiner Freizeit, um einfach mit deiner Familie zusammen zu sein, oder?
Hartenstein: Ja. Besonders, weil unsere Saison so lang ist, wir reisen so viel. Ich sehe meine Teamkollegen mehr als meine Frau. Wenn wir jetzt diese Gelegenheit haben, Zeit miteinander zu verbringen, ist das schon etwas Tolles.
ran: Bei der Übergabe der Siegertrophäe nach den NBA Finals gab es ja den besonderen Moment mit deinem Sohn, du hast ihn auf dem Arm gehalten - aber er hat geschlafen. Wie war das für dich?
Hartenstein: Endlich ist er wach. Er musste einfach nur nach Deutschland kommen. (lacht) Es war auf jeden Fall sehr cool, diesen tollen Moment mit der Familie zu erleben. Wir werden zurückschauen und darüber lachen, dass er da geschlafen hat.
ran: Wie viel wurde gefeiert?
Hartenstein: Es wurde sehr, sehr gut gefeiert. Wir haben in OKC so ein privates Plätzchen gefunden, wo wir alle zusammen danach gefeiert haben. Aber wo es richtig abging, war wahrscheinlich die Parade. Ich hatte in meinem Leben wohl noch nie so viel Spaß. 600.000 Leute waren da und sehr, sehr viel Alkohol. Es war toll, die Gesichter der Fans zu sehen, wie besonders das auch für die war. Die waren die ganze Saison bei uns dabei. Mit denen zu feiern, war auf jeden Fall richtig cool.
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Hartenstein-Stiftung hilft Menschen in OKC
ran: In so einer kleinen Stadt wie Oklahoma City ist so eine Championship vermutlich noch einmal ein ganz besonderes Gefühl, oder? Das ist deren Entertainment, das ist deren Ablenkung. Es waren 600.000 Leute bei der Parade, dabei wohnen dort überhaupt nur knapp über 700.000 Menschen ...
Hartenstein: Ich glaube, viele haben entweder freibekommen oder die haben einfach gesagt, ich gehe heute nicht zur Arbeit. (lacht) Aber ja, man kann einfach sehen, wie besonders das für die ist, die ganze Saison über. Die waren immer für uns da. Ich habe an vielen Orten gespielt, auch im Madison Square Garden, aber das sind die besten Fans der Liga. Egal, ob wir verlieren oder gewinnen, die sind immer für uns da. Auch, als wir Auswärtsspiele verloren haben, haben die am Flughafen gewartet. Ohne die geht es nicht.
ran: Obwohl du erst ein Jahr da bist, bist du in der Community schon super integriert, und das nicht zum ersten Mal. Gefühlt jeder Knicks-Fan will dich gerne zurück haben. Auch Sam Presti, dein General Manager bei OKC, meinte, er habe noch nie einen Spieler gesehen, der sich so schnell in der Community verdient gemacht hat. Wie kommt das?
Hartenstein: Wenn ich einfach sehe, dass Leute wirklich Hilfe brauchen, dann will ich versuchen, so viel wie möglich den Leuten zu helfen. Ich hatte das Glück, so einen Vertrag zu unterschreiben und daraus folgt auch eine Verantwortung, dass man etwas zurückgeben muss. Aber ich mache das auch gerne. Für mich ist das so eine Sache, wenn ich rausgehen kann, helfen kann, dann ist das etwas Besonderes. Da wird man jedes Mal wieder demütig, man kommt auf Null. Und man sieht, wofür man das eigentlich macht.
NBA: Isaiah Hartenstein zu Party - "Spaß meines Lebens"
ran: Du hast ja auch eine eigene Stiftung. Was macht ihr da konkret?
Hartenstein: Wir helfen vielen Obdachlosen und Familien, besonders Kindern. Aktuell machen wir etwas, wo wir versuchen, ihnen bezahlbare Häuser zu verschaffen. Ich glaube, für die war immer sehr schwer, herauszufinden, ob sie es wirklich bezahlen können. Das sind so kleine Sachen. Also nicht klein, aber es sind Sachen, mit denen man wirklich hilft. Ich gehe jetzt nicht dahin und sage: "Ich hoffe, euch geht es gut." Ich will wirklich etwas machen. Und das ist für mich und meine Familie sehr wichtig.
DBB-Team nach wie vor ein Ziel von Hartenstein
ran: Ein Thema, was alle Deutschen immer interessiert, ist die Nationalmannschaft. Und da frag einfach mal als Erstes nach Henrik Rödl, denn bei dem hast du damals in der Nationalmannschaft gespielt. Wie kam es dazu?
Hartenstein: Ich meine, ich wollte schon immer Nationalmannschaft spielen. Aber wenn ich ehrlich bin: Mein Traum als Kind, als ich aufgewachsen bin, war immer die NBA. Die Frage war: Wie komme ich in die NBA, wie bleibe ich in der NBA? Und dann gab es auch Sachen, als entweder die Teams gesagt haben, dass ich bleiben muss oder ich war verletzt. Ich will jetzt dieses Bekenntnis abgeben, aber ich muss zuerst auf meine Familie schauen. Und wenn man ehrlich ist: Die Nationalmannschaft füttert deine Familie nicht. Das ist ein bisschen anders als beim Fußball. Wenn man im Fußball eine großartige WM spielt, bekommt man einen Riesenvertrag. In der NBA ist das total anders. Ich glaube, viele in Deutschland kennen diesen Unterschied nicht.
Es gab halt Momente, in denen ich die NBA in den Vordergrund stellen musste. Und hätte ich das nicht getan, würde ich heute nicht hier sitzen. Ich glaube, viele denken, dass mir Deutschland egal ist und dass mir die Nationalmannschaft egal ist. Aber für mich ist es sehr wichtig. Ich bin hier aufgewachsen und versuche, so viel wie möglich für Deutschland zu tun. Und für mich heißt das, in die NBA zu kommen. Mir hat Dirk (Nowitzki, Anm. d. Red.) früher sehr geholfen. Aber ich habe nicht gesehen, dass er so gut in der Nationalmannschaft spielt. Ich habe gesehen, dass er es in die NBA schaffen kann. Er ist Meister geworden, wenn er das schaffen kann, kann ich das auch schaffen.
Diese Ehre, für Deutschland zu spielen, ist auf jeden Fall eine Sache und ich verstehe das auch. Aber würde ich nicht NBA-Meister sein, würde ich auch nicht in einer Situation sein, in der ich mit Ulm dabei helfen kann, mehr junge Spieler in NBA zu schicken und auch für die Nationalmannschaft zu haben.
NBA statt Nationalmannschaft? Hartenstein mit Klartext
Hartenstein: "Würde gerne bei der WM dabei sein"
ran: Man merkt, dass du dir Gedanken über das Thema gemacht hast ...
Hartenstein: Dieses Jahr war es auf jeden Fall schwierig. Ich wollte spielen (bei der EM, Anm. d. Red.). Aber da ist etwas an der Achillessehne. Wir hatten nach der Saison ein Meeting mit den Ärzten und die haben ein MRT gemacht. Die glauben zwar nicht, dass es so schlimm ist, dass sofort etwas passieren kann. Aber sie meinten halt: Wir wollen nicht, dass du das riskierst nach so einer langen Saison. Ich würde gerne bei der WM dabei sein, aber man kann nie etwas versprechen und vielleicht wollen sie mich dann auch gar nicht. Für mich ist das jetzt eine Sache, bei der ich weiß, wo ich in meiner Karriere stecke. Ich weiß, wo ich bin. Und jetzt will ich auf jeden Fall spielen, ich will ich auf jeden Fall immer mehr für Deutschland tun.
Ich bin hier in Deutschland, um etwas wieder zurückzugeben. Ich mache das in Ulm und auch das IHeart-Fest nicht, um Geld zu verdienen. Ich spende das gesamte Geld zurück an ein Jugendprogramm. Wäre Deutschland für mich nicht so wichtig, wäre ich irgendwo in Amerika mit dem Titel. Es war für mich auf jeden Fall wichtig, wieder etwas für Ulm und Community zu tun.
Hartenstein will der deutschen Jugend helfen
ran: Man muss das vielleicht noch einmal erklären. Du bist bei ratiopharm Ulm als Anteilseigner eingestiegen, jetzt gibt es ab Donnerstag ein Kids Camp. Wie genau läuft das ab und was steckt dahinter?
Hartenstein: Ich wollte besonders der deutschen Jugend helfen. Wir haben uns viele Teams angeguckt, mein Vater, mein Agent und ich haben uns viele Teams angeguckt, weil ich wirklich etwas zurückgeben wollte. Ich wollte mit jemandem arbeiten, der dieselben Gedanken und das Mindset hat. Und Ulm war für mich perfekt. Die haben sehr viel in der Jugendarbeit getan mit dem OrangeCampus und sie haben sehr vielen Leuten geholfen, in den letzten Jahren in die NBA zu kommen. Dieses Jahr hatten wir zwei First Round Picks. Und auch die Fans fand ich immer cool. Wir arbeiten perfekt zusammen.
Wir versuchen, so vielen Jugendlichen wie möglich diesen Traum zu erfüllen, damit sie nicht Richtung College auf das schnelle Geld gehen. Wir wollen dabei helfen, früh gedraftet zu werden. Eine NBA-Karriere kann 15 Jahre lang sein, am College sind es vier Jahre. Es ist schade, aber die meisten deutschen Talente schaffen es nicht aus dem College heraus. Die Wagner-Brüder waren etwas anderes. Wir wollen einfach nur zeigen und dabei helfen, damit die jungen Spieler diesen nächsten Schritt schaffen, ob es jetzt EuroLeague oder NBA ist.
ran: Das ist tatsächlich ja auch bei vielen die Frage, wenn sie auf die Wagners schauen, ob das College dann nicht besser ist. Aber du meinst, Europa ist besser, weil du da vielleicht auch mit 16 schon gegen Männer spielst?
Hartenstein: Ja, man spielt einfach früh gegen Männer. Man wird hier auch ein bisschen mehr gepusht als in Amerika. In Amerika pushen die ein bisschen mehr ihre eigenen Bürger. Das ist auch verständlich. Ich kann nicht sagen, was für jeden perfekt ist. Aber ich glaube, dass das bessere Weg, einfach hier zu bleiben und Sachen wie Ulm und andere Vereine zu finden.