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NBA-Kolumne: Bradley Beal-Trade zu den Phoenix Suns - Was jucken mich meine Probleme von morgen?
- Aktualisiert: 19.06.2023
- 18:48 Uhr
- ran.de
Die Phoenix Suns haben den ersten großen Trade der Offseason eingefädelt und stellen ihren Superstars Devin Booker und Kevin Durant in Bradley Beal einen weiteren Star an die Seite. Das neue Regime will sofort Meister werden, geht dafür aber massive Risiken ein – nicht in erster Linie in sportlicher Hinsicht.
Von Ole Frerks
Auf die NBA-Offseason ist Verlass.
Wer fürchtet, dass zwischen Ende der Saison und Draft, Free Agency etc. etwas Ruhe einkehren könnte, der wird in jedem Jahr eines Besseren belehrt – irgendwas ist immer, ob es nun bei Gerüchten bleibt oder schon handfeste Trades gibt. Am Sonntag gab es nun den endgültigen Startschuss für dieses Jahr, wobei sich zeigen muss, ob dieser Trade überhaupt noch übertroffen werden kann, wenn man auf die Namen schaut.
Vieles ist unklar, zumal laut "ESPN" noch nach einem dritten Team gefahndet wird, das vielleicht noch in den Deal integriert werden kann. Klar sind aber die Grundprinzipien: Chris Paul verlässt die Phoenix Suns nach drei Jahren, gemeinsam mit Landry Shamet, mehreren Pick-Swaps und mehreren Zweitrundenpicks. Auf die endgültige Destination warten wir noch (die Clippers sind im Gespräch).
Bradley Beal kommt dafür nach Phoenix und "akzeptiert" diesen Trade, was gemäß seiner No-Trade-Klausel notwendig war. Der langjährige Star der Washington Wizards soll gemeinsam mit Devin Booker und Kevin Durant die Big 3 formen, die Phoenix endlich zum ersten Titel der Franchise-Historie führt, nachdem 2023 in der zweiten Runde gegen die Denver Nuggets Endstation war.
"New Owner Syndrom" schlägt wieder zu
Es ist ein riskanter Deal aus Sicht der Suns, der demonstriert, dass nicht nur auf die Offseason, sondern auch auf das "New Owner Syndrom" Verlass ist: Immer wieder geschah es in der Vergangenheit, dass ein Team verkauft wurde und der neue Besitzer prompt mit großen Moves seine "Handschrift" etablieren wollte. Das hat Mat Ishbia bei den Suns seit seiner Übernahme der Franchise im vergangenen Februar längst getan.
Ishbia drückte damals umgehend den Durant-Trade durch, in dem Phoenix große Teile seiner Draft-Assets und jungen "Eigengewächse" (Mikal Bridges, Cam Johnson) Richtung Brooklyn abgab. Die Suns hatten danach wenig Einspielzeit und noch weniger Tiefe, was mit dazu beitrug, dass sie Denver nicht schlagen konnten, auch wenn sie dem späteren Champion immerhin zwei Spiele abnahmen, mehr als alle anderen Teams.
Phoenix entließ danach Head Coach Monty Williams, der die Franchise 2021 in die Finals und 2022 zur besten Bilanz der Regular Season geführt hatte, als Nachfolger kam Frank Vogel. Und mit der dritten großen Entscheidung zeigte das Ishbia-"Regime" nun endgültig, dass Geduld kein Faktor mehr bei seinen Entscheidungen ist. Oder verantwortungsvolles Wirtschaften, wenn man so will.
Dieser Trade ist kompliziert, aus mehr als einer Perspektive.
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Bradley Beal und Phoenix: Passt das sportlich?
Eins kann den Suns keiner nehmen: Sie haben durch diesen Trade an Talent hinzugewonnen, zum Schnäppchenpreis in Sachen Gegenwert. Paul baute vergangene Saison merklich ab und war entbehrlich, Shamet ohnehin. Dass Phoenix für einen in wenigen Tagen 30-jährigen Ex-30-Punkte-Scorer keinen einzigen Erstrundenpick abgeben musste, ist unterm Strich nicht verkehrt (und offenbart noch einmal das katastrophale Timing der Wizards).
Es gibt gute Gründe dafür. Die (irrsinnige) No-Trade-Klausel gab Beal eine Macht, die er nicht hätte haben sollen, und limitierte den Markt für ihn. Der Vertrag tat das ebenfalls. Niemand zweifelt daran, dass Beal ein guter Spieler ist – es zweifelt aber auch niemand daran, dass er massiv überbezahlt ist. Kommende Saison verdienen bloß vier Spieler mehr als er, bis 2027 kassiert er im Schnitt mehr als 50 Millionen Dollar pro Jahr. Das ist happig für einen Spieler, der ein einziges Mal (2021) ein All-NBA Team erreichte.
Aber zurück zum Sportlichen. Hier gibt es auf den ersten Blick eine gewisse Redundanz: Die drei besten Suns sind allesamt dominante Flügelscorer. Eigentlich war das die einzige Abteilung, in der Phoenix schon besser war als jedes andere Team – Bedarf gab es bei der Defense und allgemein beim Supporting Cast, es fehlte an Tiefe, an Two-Way-Rollenspielern.
Die Suns sahen das offensichtlich anders und wollten einen weiteren Star, statt den Paul-Vertrag beispielsweise für ein Paket aus mehreren Rollenspielern einzutauschen. Das ist – erneut – ziemlich riskant, zumal die Big 3 nicht gerade aus solider Eiche gebaut ist (vergangene Saison verpassten die drei 39 Prozent ihrer Spiele, bei Beal und Durant ist diese Zahl schon oft noch größer gewesen).
Der Beal-Trade: Eine Wette auf "Point Book"?
Es gibt auch den optimistischen Blickwinkel. Offensiv können sich Booker, Durant und Beal durchaus ergänzen. Der Trade ist eine Wette auf "Point Book", der in den vergangenen Jahren massive Schritte als Playmaker gemacht hat und keinen echten Point Guard mehr neben sich braucht. In Durant und Beal hätte er zwei Spieler an seiner Seite, die mit und ohne Ball in der Hand effektiv sein können, im Verbund sollten sie für genug Creation sorgen.
Beal war unterqualifiziert in der Rolle als Franchise Player. Als dritte Geige ist er überqualifiziert. Er kann sehr gut werfen, die Dreierquoten haben in den vergangenen Jahren auch darunter gelitten, dass er selten einfache Würfe nehmen konnte und (zu) viel selbst kreieren musste. Er sollte in Phoenix effizienter sein denn je, eben weil der Schwierigkeitsgrad seiner Würfe sinken wird.
Anders als Paul kann er es auch verhindern, dass sich die Defense zu sehr in Richtung des Two-Man-Games von Booker und Durant überlädt, wie es in der Denver-Serie teilweise geschah. Paul wurde von den Nuggets oft offen stehen gelassen und fühlte sich sichtlich unwohl damit, auf einmal zum designierten Catch-and-Shooter zu werden.
Beal war gerade zu Beginn seiner Karriere ein Spezialist bei diesen Würfen. Er hat anders als Paul die Länge und Dynamik, Closeouts zu attackieren und gegen rotierende Defense zum Korb zu gehen. Vergangene Saison traf er 72 Prozent am Ring, ein Karrierebestwert. Er ist bei aller Kritik ein offensives Upgrade, das sollte jedem klar sein. Es wird kein Spaß, diese Suns zu verteidigen.
Phoenix Suns: Und woher kommt die Balance?
Defensiv machte Beal in den letzten Jahren eher Rückschritte, wohl auch der zu hohen offensiven Last geschuldet. Zu Beginn seiner Karriere sah er hier besser aus, auch in den Playoffs. Darauf müssen die Suns bauen, und sie sollten, wenn sie Deandre Ayton behalten, als fünften Starter trotzdem noch einen bulligen Flügelspieler integrieren, der vor allem defensive Aufgaben übernimmt.
Die Wege, an diesen fünften Starter zu kommen, sind limitiert. Mit den Verträgen für Booker, KD, Beal und Ayton zahlt Phoenix kommende Saison schon 163 Millionen Dollar an Gehältern, Tendenz über die nächsten Jahre steigend. Mit vier Spielern sind sie damit bereits ein Luxussteuer-Team und haben kaum noch Ressourcen, ihren Kader aufzufüllen.
Auch das wird über die nächsten Jahre noch extremer, weil der neue Tarifvertrag in Kraft tritt und Teams über dem "Second Apron" die Möglichkeit nimmt, Spieler per (Taxpayer) Midlevel Exception zu holen. De facto können solche Teams in der Free Agency nur noch Minimalverträge aushändigen, nur ihren eigenen Free Agents können sie mehr zahlen, falls sie deren Bird Rights haben.
Kommt jetzt noch ein Ayton-Trade?
Für größere Veränderungen bleibt den Suns also fast nur noch die Option eines Ayton-Trades. Theoretisch könnte es Sinn ergeben, das Gehalt des Centers auf mehrere fähige Rollenspieler aufzuteilen. Ein passender Deal müsste sich hier allerdings erstmal finden lassen, auch Aytons Tradewert ist bei noch rund 103 Millionen ausstehenden Dollars nicht immens. Vielleicht ist er, zumindest Stand jetzt, für die Suns sogar wertvoller als für jedes andere Team.
Andernfalls kann Phoenix seine eigenen Free Agents behalten (Torrey Craig etwa könnte der fünfte Starter sein, oder Cameron Payne, sollte Phoenix Booker nicht zum Starter auf der Eins machen wollen) und ansonsten den Markt für Veteranen sondieren, die in der Wüste Arizonas eine Titelchance wittern und dafür auf Geld verzichten.
Es wird wahrscheinlich einige davon geben. Es ist allerdings recht selten, dass diese Spieler wirklich einen Unterschied machen können. Im Wesentlichen muss der aktuelle Kern Phoenix zum Titel tragen. Ein nachhaltiger Aufbau, wie ihn die Nuggets über die letzten Jahre hinlegten, ist für die Suns – nun ohne finanziellen Spielraum und mit nahezu keinerlei Draft-Assets – keine Option mehr.
Ishbia ist nicht Sarver
Phoenix hat sich auf einen Kurs begeben, von dem es vorerst kein Zurück mehr gibt. Der Druck ist enorm, gerade in den nächsten zwei Jahren, betrachtet man Durants Alter und die Tatsache, dass die Suns ab 2025 die gefürchtete Repeater Tax zahlen müssen, nachdem die Franchise unter Ishbias Vorgänger Robert Sarver jahrelang eher geizig agierte.
Das ist vorbei. Phoenix scheut unter Ishbia keine Kosten und Mühen und zahlt offensichtlich auch für eine dritte Option einen Supermax-Vertrag, wenn es denn sein muss. Es ist möglich, dass dieses Konstrukt sie zum Champion macht, wenn die drei Stars in der Postseason fit sind, wenn sie sich einspielen können, wenn die Defense funktioniert. Um diese Chance geht es in der NBA, eigentlich.
Der Schuss kann aber auch gehörig nach hinten losgehen. Das neue CBA ist im Prinzip genau dafür konstruiert wurden, um Superteams dieser Art das Leben so schwer wie möglich zu machen. Es wird sportlich und finanziell faszinierend sein zu sehen, wie die Suns sich hier durchmanövrieren werden – oder ob sie ein abschreckendes Beispiel für andere Teams werden.
Aber wer möchte schon an diese möglichen Probleme von morgen denken, wenn es darum geht, ein Statement zu setzen? Immerhin dieses Ziel hat der neue Besitzer erreicht. Es wird sich zeigen, wie es mit den anderen Zielen aussieht.