NBA-Kolumne - Nicht nur Verletzungen: Den Suns geht die Zeit aus
Aktualisiert: 19.03.2024
22:22 Uhr
Ole Frerks
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Die Geduld bei den Phoenix Suns ist langsam aufgebraucht. Mit inkonstanten Leistungen seit der All-Star-Pause hat die Star-Truppe ihre gute Ausgangsposition verspielt und dazu den schwersten Restspielplan aller Teams, selbst ein Verpassen der Playoffs ist nicht auszuschließen. Warum tut sich ein Team mit Kevin Durant, Devin Booker und Bradley Beal dermaßen schwer?
von Ole Frerks
Niemand wollte bisher den Fehler machen, zu schnell zu harsch über die Suns zu urteilen - der Verweis auf die wenigen gemeinsamen Einsätze der drei besten Spieler war schließlich legitim, das Talent-Level in der Spitze so hoch, dass etwas mehr Geduld angebracht schien als bei "normalen" Teams.
Deswegen wurden teils offensichtliche Probleme leicht mal weggewischt, nach dem Motto "Wenn die Suns erst ..." - so langsam geht Phoenix dafür jedoch die Zeit aus. 14 Spiele stehen noch an, bevor die Playoffs (die NBA live auf ProSieben MAXX, ran.de, in der ran-App und auf Joyn) losgehen.
Ihr Restspielplan ist der schwerste der Liga - unter anderem dürfen die Suns noch bei den Nuggets, Thunder, Pelicans, Clippers, Kings und Timberwolves antreten, nur die kommenden vier Spiele (vs. PHI, ATL, zweimal @SAS) sehen relativ leicht aus. Das ist ein Problem, zumal Phoenix eine negative Bilanz gegen Teams mit wenigstens ausgeglichenem Record aufweist.
Die Chance ist hoch, dass die Suns sich via Play-In für die Postseason qualifizieren müssen. Das wird kein Selbstläufer. Was die Saison der Suns wiederum anschaulich zusammenfasst - denn auch die Vorstellung, dass alles von selbst laufen würde, sobald Kevin Durant, Devin Booker und Bradley Beal zusammen auf dem Court stehen würden, geht bisher nicht so recht auf.
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Big 3: Teilweise überragend, teilweise nicht
Immerhin 27 Spiele haben die Big 3 mittlerweile gemeinsam absolviert. Jeder von ihnen spielt individuell guten bis überragenden Basketball, auch Beal hat in seinen 39 Einsätzen einen guten Eindruck hinterlassen. Stehen sie zu dritt auf dem Court, ist Phoenix eine Dampfwalze mit historischem Offensiv-Rating (125,8) und immerhin passabler Defense (117,1), was das Team den Zahlen zufolge für einen tiefen Playoff-Run qualifizieren könnte.
Vermutlich ist dies jedoch etwas zu leicht gedacht. Was dagegen spricht: 16 der 27 Spiele wurden gewonnen, was gut ist, aber nicht überragend. Ein Zufall ist es vermutlich auch nicht. Es bleibt eine Herausforderung, über 48 Minuten funktionale Lineups zu finden - zum Teil auch dann, wenn die drei Stars zur Verfügung stehen.
Es fehlt den Suns an Tiefe, was schon vor der Saison absehbar gewesen war, trotz der überragenden Saison von Grayson Allen, der weiter fast die Hälfte seiner Dreier trifft, und der Ankunft von Royce O’Neale zur Trade Deadline. Es fehlt den Suns auch an einer gewissen schematischen Flexibilität, was insbesondere die Center-Position verdeutlicht.
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Nurkic: Unverzichtbar und ein Problem
Jusuf Nurkic spielt ein gutes, vor allem ein gesundes Jahr - dass der Bosnier schon bei 64 Spielen steht, war so nicht erwartbar (es ist seine höchste Spielanzahl seit 18/19). Laut "Cleaning the Glass" ist er der Spieler mit der höchsten On/Off-Differenz (+12,9 in seinen Minuten auf dem Court) und macht sowohl offensiv als auch defensiv einen enormen Unterschied. Er ist einer der besten Passer im Kader, der beste Rebounder und zumindest ein ordentlicher Ringbeschützer.
Nurkic ist jedoch (sehr) angreifbar, wenn Gegner ihn vom Korb wegziehen können. Boston beispielsweise tat das vergangene Woche sehr effektiv, auch Damian Lillard hatte am Sonntag Spaß mit seinen hohen Pick’n’Rolls. Den anderen großen Optionen im Kader vertraut Coach Frank Vogel nur bedingt. Was oft dazu führt, dass Durant Spiele auf der Fünf closen muss.
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In der Theorie klingt das gut, zumal KD die Länge für diese Position mitbringt und die Suns so noch mehr Shooting auf den Court bringen können. In der Praxis können diese Lineups jedoch nicht rebounden (die gegnerische offensive Rebound-Rate beträgt 38 Prozent, 0. Perzentil!) und ebenso wenig verteidigen (Defensiv-Rating: 123,6). Sie wirken klein und schmächtig, sowohl auf dem Flügel aus auch in unmittelbarer Korbnähe.
Ganz zu schweigen davon, dass sie den 35-jährigen Durant, der ebenfalls jetzt schon mehr Spiele absolviert hat als in jeder Saison seit seinem Achillessehnenriss (61), schon vor den Playoffs überstrapazieren. Durant spielt nebenher die fünftmeisten Minuten aller Spieler in dieser Saison. Was soll da schon schiefgehen?
Auch offensiv sind die KD-auf-Center-Minuten nicht so überwältigend, wie man annehmen könnte. In Sachen Shotmaking macht den Suns niemand etwas vor, noch immer sind sie jedoch ein Team mit wenig Struktur und Automatismen, was nicht zuletzt die hohe Turnover-Rate zeigt. Gerade in den Minuten ohne "Point Guard" Booker gehen die Suns viel zu sorglos mit dem Ball um.
Zudem hat Phoenix gerade in Situationen, wo das individuelle Talent vieles übertrumpfen sollte, massive Probleme: Im vierten Viertel. Die durchschnittliche Differenz von -3,1 macht sie zum schlechtesten Team von allen in diesem Abschnitt. Laut "nba.com" hatten über die gesamte NBA-Geschichte sogar nur vier Teams miesere Differenzen im vierten Viertel.
Vereinfacht gesagt gelingen den Suns am Ende nicht genug Stops, gerade ohne Nurkic. Vorne wird der Ball zu oft hergeschenkt. Und auch wenn die Offense erfolgreich abschließt: Am liebsten nehmen die besten Suns-Spieler lange Zweier, das Team schließt selten am Ring oder von draußen ab.
Sie sind exzellent darin, aber zeitweise wird die Mathematik problematisch: Gegen Boston versuchte Phoenix 31 Dreier, die Celtics TRAFEN 25. Gegen die Bucks waren es 33 Versuche, bei 24 gegnerischen TREFFERN. Es ist nicht unmöglich, aber schwer, dieses Defizit beim Dreier mit Midrange-Jumpern auszugleichen.
Den Suns geht die Zeit aus
Dass die Suns dennoch gefährlich sein können, zeigten sie zuletzt unter anderem mit einem Sieg bei den Nuggets, bei dem Nurkic seinen alten Kollegen Nikola Jokic massiv frustrierte. Konstanz war und ist jedoch ein Problem, allein seit der All-Star-Pause hat Phoenix nur sechs Siege aus 13 Spielen geholt.
Und langsam geht Phoenix die Zeit aus - in dieser Saison, aber auch darüber hinaus. Die Big 3 ist ein Kurzzeit-Projekt, allen voran wegen Durants Alter. Die Zukunft in Form von Draft-Picks hat Phoenix de facto verpfändet, der Kader macht sie bis auf Weiteres zum Second-Apron-Team, das kaum Spielraum haben wird, das Team bedeutungsvoll zu ergänzen.
Es muss funktionieren, irgendwie. Vielleicht tut es das ja auch noch: Gefürchtet und respektiert wird das individuelle Talent, Nuggets-Guard Kentavious Caldwell-Pope sagte kürzlich noch, dass ein "gesundes Phoenix" Denvers größter Herausforderer im Westen wäre. Es könnte sein, dass dieses Duell schon in der ersten Runde anstehen wird.
Wenn Phoenix diese erreicht. Der Westen ist so gnadenlos besetzt, dass Stand jetzt zwei Teams aus Dallas, Phoenix, Golden State und die Lakers die Playoffs verpassen würden. Das wäre für jedes der vier Teams ein Desaster, niemand sonst in der Liga ging allerdings über das letzte Jahr so hyper-aggressiv "all-in" wie diese Suns.
Es ist höchste Zeit, endlich einen höheren Gang einzulegen. Sofern dieser denn wirklich existiert.