Bisher ohne Wow-Effekt!
Borussia Dortmund: Zu viel Selbstzufriedenheit? BVB-Transferpolitik wirkt ambitionslos - ein Kommentar
- Aktualisiert: 20.07.2023
- 18:04 Uhr
- ran.de
Borussia Dortmund konnte auf dem Transfermarkt in den vergangenen Jahren mehrfach überraschen und schmerzhafte Abgänge frühzeitig kompensieren. Diesmal lässt man sich nicht nur viel Zeit - es wirkt auch so, als würden dem BVB die Ideen ausgehen. Ein Kommentar.
Von Justin Kraft
In den vergangenen Jahren wurde der BVB häufig als deutscher Transfermeister bezeichnet. Nicht selten war das in Bezug auf die nun schon länger andauernde Titeldurststrecke in der Bundesliga ironisch gemeint.
Doch einen wahren Kern gab es fast immer: Eine große Stärke von Borussia Dortmund in der jüngeren Vergangenheit war es, dass der Großteil des Kaders bereits früh in der Saison stand.
Das ging einher mit einer Transferpolitik, die weit vor Ende des Transferfensters bereits abgeschlossen war - oder zumindest fast abgeschlossen. Im Vergleich zur Konkurrenz brachte das dem BVB immer mal wieder einen kleinen Vorteil ein. Doch in dieser Saison müssen sich die Fans Sorgen machen.
Aktuell wirkt es nicht so, als hätte Dortmund einen großen Plan, wohin man die 103 Millionen Euro investieren soll, die Jude Bellingham eingebracht hat. Stattdessen übt man sich darin, Gelassenheit auszustrahlen. Doch wie gelassen kann die aktuelle Situation wirklich sein?
BVB: Kader bisher schwächer als im Vorjahr
30 Millionen Euro wurden bereits für einen Spieler ausgegeben, der mehr Ärger als Leistung bringen könnte - und dessen Profil auch keine echte Baustelle zu schließen scheint. Denn selbst wenn man die Vorkommnisse der letzten Wochen ignoriert, zählte Felix Nmecha sportlich eher zum Bundesliga-Durchschnitt als zu jenen, die sich für große Aufgaben qualifizieren. Der Verlust von Bellingham wird sich durch Nmecha ebenfalls nicht auffangen lassen. Zumal der 22-Jährige deutlich offensiver unterwegs ist und gegen den Ball nicht die Aggressivität des Engländers ersetzen kann.
Ablösefrei wurde darüber hinaus noch Ramy Bensebaini verpflichtet. Ein 28-jähriger Linksverteidiger, der die Breite des Kaders verstärken wird. Aber auch die Spitze? Zweifel sind angebracht. Bensebaini ist der Transfer des Sommers, den man gern mitnimmt, aber nicht der, der am Ende ganz oben auftaucht, wenn es darum geht, den eigenen Transfersommer positiv zu bewerten.
Es ist nicht nur so, dass solche Transfers bisher fehlen. Sie scheinen sich auch nicht anzubahnen. Was auch immer Dortmund derzeit anpackt, scheint nicht zu funktionieren. Aktuell ist der Kader schwächer als im Vorjahr.
BVB fehlt es an Qualität im Mittelfeld
Nun ist das Transferfenster auch erst seit dem 1. Juli geöffnet und es schließt erst am 1. September. Doch bereits in vier Wochen geht die neue Bundesliga-Saison los - und beim BVB sind einige Schlüsselrollen noch unbesetzt.
Gerade im zentralen Mittelfeld würde Dortmund ein tiefer Spielmacher gut zu Gesicht stehen. Einer, der ähnlich wie Bellingham unter Druck den Ball verarbeiten und weiterverteilen kann. Diese Qualität ging den Dortmundern in der vergangenen Saison viel zu oft ab. Stattdessen jagte man Medienberichten zufolge wochenlang Edson Alvarez hinterher. Ein klassischer Abräumer, der fußballerisch limitiert ist, dafür aber reihenweise Zweikämpfe gewinnt.
Externer Inhalt
Anfang Juli berichteten die "Ruhr Nachrichten" schließlich, dass Edin Terzic sich gegen einen Transfer ausgesprochen habe - weil man mit Emre Can bereits einen Abräumer im Kader habe. Da muss die Frage gestattet sein: Hätte man das nicht vorher analysieren müssen? Vielleicht hätte Dortmund dann auch eine Chance bei Ellyes Skhiri gehabt, der zu Eintracht Frankfurt gewechselt ist.
Ein Mittelfeldspieler, der zweifellos zu den besten der Bundesliga zählt. Spielstark, physisch gut, erfahren und dazu noch ablösefrei - es wäre der klassische BVB-Transfer gewesen: Eine Baustelle kostengünstig, aber qualitativ hochwertig schließen. Doch die SGE war schneller und macht in diesem Sommer das, was den Dortmundern nicht gelingt: Planungen früh abschließen.
BVB: Transfersommer könnte eine Enttäuschung werden
Ohnehin erweckt der BVB derzeit den Eindruck, als wäre er mit der vergangenen Saison ein bisschen zu zufrieden. So nah dran war man schon lange nicht mehr an der Meisterschaft. Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist, dass es nur die viertbeste Bundesliga-Saison seit der letzten Meisterschaft im Jahr 2012 war und die Probleme nur deshalb weniger offen angesprochen wurden, weil der Rivale aus München diesmal nicht davonzog.
Es war ein leicht überdurchschnittliches Ergebnis des BVB. Nicht mehr, nicht weniger. Wie wahrscheinlich ist es, dass der FC Bayern eine derart schwache Saison nochmal anbietet? Eigentlich müsste man in Dortmund deutlich selbstkritischer sein, nachdem diese vielleicht sogar historische Chance verpasst wurde. Eigentlich hätte man auch deutlich mehr Steine umdrehen müssen.
"Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt", sagte Kehl nach dem ersten Testspiel der Saison. Eine Einschätzung, die sicher davon abhängt, welchen Anspruch man an sich selbst stellt. Wirkliche Ambitionen strahlt diese Aussage aber nicht aus.
Fast-Meistertrainer Terzic hat im letzten Halbjahr eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Er hat gezeigt, dass er neben zwischenmenschlichen Qualitäten auch sportlich gute Entscheidungen treffen kann. Nur wird er die Unterstützung der Kaderplaner benötigen, um am Ende einen weiteren Schritt nach vorn gehen zu können.
Bisher ist der Transfersommer eine Enttäuschung. Gut, dass noch ein paar Wochen bleiben. "Mir ist wichtig, dass wir gute Transfers tätigen, nicht schnelle", sagte Terzic. Grundsätzlich hat er da einen Punkt. Doch bisher sieht es so aus, als würde der BVB weder schnelle, noch sonderlich gute Transfers tätigen.
Die Zeit läuft davon.