Wegen finanziellem Engpass sind auch die Fans gefordert
Corona-Krise wird zur Knappen-Krise: Schalke 04 wandelt am Abgrund
- Aktualisiert: 17.04.2020
- 13:01 Uhr
- ran.de / Marcus Giebel
Mit der Corona-Krise haben Sportvereine auf der ganzen Welt zu kämpfen. Denn es mangelt derzeit an Einnahmen. In der Bundesliga ist es besonders um Schalke 04 schlecht bestellt - der Verein rückt in der höchsten Not aber zusammen. Auch den Fans wird einiges abverlangt.
Gelsenkirchen/München - Eines müssen sich die Schalker Vorstände in der Corona-Krise sicher nicht nachsagen lassen. Dass sie die offenbar höchst prekäre Situation des Kumpel-Klubs schönreden würden. Ganz und gar nicht.
"Ein Saisonabbruch wäre der Super-GAU", schlug S04-Boss Clemens Tönnies in der "Welt am Sonntag" Alarm. Der mächtige Unternehmer macht sich "große Sorgen um Schalke".
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Schon Mitte März hieß es: "Es geht um die Existenz"
Marketing-Vorstand Alexander Jobst ließ die Fans in einem Chat wissen: "Die Lage ist sehr ernst und kritisch." Bereits Mitte März - wenige Tage nach der Unterbrechung der Bundesliga - hatte er klargestellt: "Es geht um die Existenz."
Und Peter Peters, als Finanzvorstand sozusagen der erste Feuerwehrmann und Anführer des Löschzugs bei den "Königsblauen", antwortete in einer Facebook-Fragerunde besorgten Supportern: "Der Fußball ist elementar wichtig, denn nahezu alle Einnahmen hängen an der Durchführung eines Fußballspiels." Entsprechend können die "Knappen" derzeit höchstens Kleckerbeträge auf der Einnahmeseite verbuchen.
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Schalke 04 hat 197 Millionen Euro Schulden
Doch das geht wegen der Zwangspause natürlich allen Klubs so. In der Bundesliga. In Europa. In Übersee. Doch zumindest in Deutschland scheint bei keinem anderen Profiverein die Lage auch nur annähernd so dramatisch zu sein wie auf Schalke.
Woran das liegt? Nun ja, die "Königsblauen" haben in den vergangenen Jahren nicht wirklich nachhaltig gewirtschaftet. Zum Abschluss des Geschäftsjahres 2019 hatten sich Schulden von 197 Millionen Euro summiert, allein in diesen zwölf Monaten musste ein Minus von 26,1 Millionen Euro verbucht werden.
Auch für aktuelles Geschäftsjahr schon vor Corona Verlust einkalkuliert
Im Bestreben, eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf den Rasen zu schicken, wurde so manches Risiko eingegangen. Irgendwann würden die Euros ja wieder zurückfließen, so dürften die Entscheider gedacht haben. Schließlich ist der Fußball eine Gelddruckmaschine.
Und deshalb lebt Schalke auch 2020 auf etwas zu großem Fuß. Nach "Bild"-Informationen sei schon vor der Corona-Krise mit einem Fehlbetrag "im niedrigen zweistelligen Millionenbereich" kalkuliert worden. Wie sehr sich die unfreiwillige Auszeit nun niederschlagen wird, will sich aktuell wohl noch niemand ausmalen.
Gehaltsverzicht bringt monatliche Entlastung "im Millionenbereich"
Die Klub-Oberen sorgen zumindest so weit wie möglich vor. So verzichten Profis, Trainer, Betreuer, Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte bis Ende Juni auf Teile ihres Gehalts - mutmaßlich 15 Prozent, weitere 15 Prozent werden gestundet. Dies bringe eine monatliche Entlastung "im Millionenbereich", teilte der Verein mit.
Und es garantiert, dass die Bezüge der Anfang des Monats in Kurzarbeit geschickten Mitarbeiter auf 100 Prozent aufgestockt werden können. Darüberhinaus sei im Profiteam die Bereitschaft für weitere Schritte über den 30. Juni hinaus signalisiert worden.
Dauerkarteninhaber sollen auf Rückerstattungen verzichten
Das zeigt: Der Verein hält in seiner womöglich größten Krise zusammen. Niemand schert aus. Immerhin das sind beste Voraussetzungen, um die Krise mit Prellungen und Kratzern aber möglichst ohne Langzeitschäden zu überstehen.
Auch die Fans selbst können ihren Teil dazu beitragen, dass die Lichter auf Schalke nicht ausgehen. Dauerkarteninhaber wurden dazu angehalten, trotz der vier noch ausstehenden Heimspiele auf Rückerstattungen zu verzichten. Wer dieser Bitte folgt, soll mit einem aktuellen S04-Trikot belohnt werden, auf dessen Ärmel der Slogan "NurImWir" aufgedruckt ist.
"Potenziell existenzbedrohende wirtschaftliche Situation"
Am 8. April schrieb Jobst laut "kicker" zudem die Logen-Besitzer via E-Mail an. Auch diese sollten doch auf die anteiligen Rückzahlungen der Miete verzichten. Für Schalke. Ihren Verein.
"Der Verein steht vor einer potenziell existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation und ist daher mehr denn je auf die Sponsoren- und Hospitality-Einnahmen angewiesen", erklärte der Vorstand. Also: Wer nicht mitzieht, lässt den siebenmaligen Meister sehenden Auges ins Verderben stürzen. Und schiebt ihn womöglich selbst noch ein kleines bisschen an.
Basketball-Team zugunsten der Fußballer zurückgezogen
Zuletzt wurde zudem entschieden, die Basketballer aus der 2. Liga zurückzuziehen. So könne die volle Konzentration dem Kerngeschäft Fußball gewidmet werden. Das erscheint bitter nötig.
Denn Peters warnte bereits davor, seinen Maßnahmenkatalog noch weiter abarbeiten zu müssen. "Natürlich hängt alles davon ab, wann wir wieder Einnahmen erzielen und Fußball spielen können. Je länger das dauert, desto einschneidendere Maßnahmen müssen ergriffen werden", sagte der Finanz-Boss in der schon angesprochenen Facebook-Fragerunde.
Schalke bei Bundesliga-Fortsetzung im Mai "zuversichtlich"
Schalke 04 demonstriert beim Krisenmanagement also so viel Transparenz wie möglich. Weshalb Beobachtern schnell klar wird: Hier wandelt ein Verein am Abgrund.
Hinsichtlich des Worst-Case-Szenarios will sich Jobst aber noch nicht festlegen: "Man kann nicht prognostizieren, wann Schalke es in Sachen Liquidität nicht mehr gestemmt bekommt." Nur so viel: Sollte Saison im Mai fortgesetzt werden können, "dann sind wir auch zuversichtlich". Beruhigend klingt das nicht gerade.
Letzte Rate der Medienpartner lässt auf sich warten
Helfen würde zunächst auf jeden Fall die noch ausstehende vierte und letzte Rate der nationalen Medienpartner. Eigentlich soll die DFL diese am 2. Mai nach einem Vier-Säulen-Modell auf die Klubs verteilen.
Das Problem: Laut "kicker" hätten die Rechteinhaber das Geld noch nicht auf das Konto der Liga überwiesen - obwohl dieser Schritt vertraglich für den 10. April festgelegt worden war.
Schalke hofft auf "enorm wichtige TV-Einnahmen"
"Sky" und Co. spielen also offenbar auf Zeit - was ihnen nicht einmal zu verübeln ist. Schließlich erfüllt die Bundesliga ihren Teil der Abmachung - die Austragung der Spiele - aktuell eben nicht. Wenn auch natürlich aus verständlichem Grund. DFL und Klubs sind schließlich die Hände gebunden.
15,892 Millionen Euro sollen Schalke 04 noch aus dem Rechtetopf zustehen. Der Verein spricht von "enorm wichtigen TV-Einnahmen". Mit denen aber offensichtlich keinesfalls gerechnet werden kann.
Corona-Pandemie fällt in Zeit des Umbaus des Vereinsgeländes
So muss Peters für den Fall der Fälle vorbereitet sein. Als Optionen nannte der auch für DFB und DFL tätige Funktionär Steuerstundungen und neue Kredite. Der "kicker" brachte eine weitere Finanzspritze von Tönnies ins Gespräch.
All das würde jedoch nur kurzfristig Linderung bringen, wie Peters betont: "Der Berg muss irgendwann wieder abgetragen werden." Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass die Corona-Pandemie in die Zeit des Umbaus des Vereinsgeländes fällt. Die Arbeiten sollen 105 Millionen Euro verschlingen. Was nach weiteren kreativen Lösungen schreit.
Schalke will seine Stars nicht abgeben
Über Spielerverkäufe wird dabei anscheinend nur am Rande nachgedacht. Junge und umworbene Profis wie Amine Harit, Suat Serdar und Ozan Kabak sollen laut "Sport Bild" gehalten werden, dagegen wird eine endgültige Trennung der aktuellen Leihspieler Sebastian Rudy (1899 Hoffenheim), Mark Uth (1. FC Köln) und Nabil Bentaleb (Newcastle United) angestrebt.
Nur: zu welchem Preis? Der Algerier wecke das Interesse von "finanzstarken Klubs" aus China, Saudi-Arabien und Russland. Auch die "Magpies" könnten sich eine Weiterverpflichtung vorstellen - aber wahrscheinlich nicht zu den im Winter vertraglich fixierten Konditionen.
Ähnlich soll es bei Uth und dem FC aussehen. Hoffenheim hat einem "kicker"-Bericht zufolge bei Nationalspieler Rudy bereits den Daumen gesenkt.
Kein Geld für Zahlung von Ablösesummen vorhanden
Daniel Caligiuri und Benjamin Stambouli, deren Verträge auslaufen, müssten für einen Verbleib ziemlich sicher Gehaltseinbußen hinnehmen. Andererseits wird sich Schalke selbst auf dem Transfermarkt wohl sehr zurückhalten müssen. Peters erklärte, es laufe auf "Neuverpflichtungen ohne Geld" hinaus.
In welcher Form Deals in diesem Sommer überhaupt über die Bühne gehen können, ist ohnehin fraglich. Was dagegen sicher nicht wie geplant Anfang Juni stattfinden wird, ist die Schalker Mitgliederversammlung.
Diskussion über Ausgliederung neu entflammt
Dabei dürfte bei dieser Zusammenkunft - wann immer sie auch steigt - ein altbekanntes Thema wieder auf die Agenda kommen: eine mögliche Ausgliederung der Profiabteilung. Die Diskussion darüber ist neu entflammt.
Wegen der jüngsten Entwicklungen. Und nicht zuletzt der Corona-Krise. Aktuell zählt Schalke 04 zu den wenigen Vereinen im klassischen Sinne im deutschen Profifußball - neben dem 1. FSV Mainz 05 oder dem SC Freiburg.
Als e.V. nur noch tristes Mittelmaß?
Wie die "Bild" berichtet, soll sich in der Chefetage immer mehr die Überzeugung durchsetzen, dass eine Ausgliederung nötig sei. Andernfalls drohe langfristig das triste Mittelmaß. Was gerade in einem so emotionalen Umfeld wie dem auf Schalke einem Horrorszenario gleichkommt.
Ständige Anspannung und Aufregung gehören zu einem echten Vereinsleben eben doch dazu. Es muss ja nicht gleich so dramatisch zugehen wie aktuell.
Marcus Giebel
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