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Nach deutlicher Tuchel-Kritik

FC Bayern München: Darum könnte Leon Goretzka vor dem Aus beim FCB stehen

  • Aktualisiert: 17.07.2023
  • 07:33 Uhr
  • ran.de
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© Imago

Thomas Tuchel und Uli Hoeneß haben Leon Goretzka in den vergangenen Tagen hart kritisiert. Auch ein Wechsel scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein. Doch warum steht der Mittelfeldspieler beim FC Bayern München womöglich vor dem Aus? Eine Analyse.

Von Justin Kraft

Thomas Tuchel startet beim FC Bayern München mit einer beeindruckenden Deutlichkeit in die neue Saison. Auf dem Trainingsplatz agiert er gewohnt scharf und auch in der Öffentlichkeitsarbeit scheint er endgültig beim Rekordmeister angekommen zu sein.

"Er hat ein Profil, das wir meiner Meinung nach so nicht im Kader haben", erklärte der Trainer, als er auf den kürzlich zum FC Arsenal gewechselten Declan Rice angesprochen wurde: "Wir brauchen eine gewisse Qualität und Persönlichkeit, um unseren Kader noch stärker zu machen, da gibt es nicht so viele."

Man muss nicht großartig zwischen den Zeilen lesen, um hier den nächsten Seitenhieb in Richtung Leon Goretzka zu erkennen. "Für Leon war es mit Sicherheit, und das ist kein Geheimnis, ein unbefriedigendes Ende der Saison", erklärte Tuchel jüngst: "Nicht nur im letzten Spiel, in der letzten Phase. Nicht nur für ihn, für uns auch."

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FC Bayern München: Thomas Tuchel ist unzufrieden mit Leon Goretzka

Wer Tuchel in der Schlussphase der Saison genauer beobachtet hat, wenn er während eines Spiels oder beim Training mit Goretzka sprach, der konnte diese Unzufriedenheit zumindest beim 49-Jährigen immer wieder wahrnehmen. "Er ist einfach von seinem Status, von seinem Vertrag, von seinem Alter jemand, von dem wir viel erwarten: dass er Verantwortung trägt, dass er die Mannschaft trägt", so Tuchel weiter: "Da ist Luft nach oben."

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Einen Wechsel wollte der Trainer nicht ausschließen. Es deutete sich bereits über die Transfergerüchte der letzten Wochen an, dass Tuchel das zentrale Mittelfeld als eines der Hauptprobleme ausgemacht hat. Der initiale Fokus auf den Rice-Transfer und die Gerüchte, dass er in den Gesprächen mit dem Transfergremium einen spiel- und zweikampfstarken Sechser gefordert habe, und letztendlich eben diese eindeutigen Aussagen - das alles deutet auf seine Unzufriedenheit hin.

Zahlen des Datenanbieters "Opta" unterstreichen, warum Tuchel gern einen anderen Spielertypen als Ergänzung im Kader hätte. Goretzka ist für ein auf Ballbesitz ausgelegtes Spielsystem nicht dominant, nicht präsent genug. Im Schnitt spielt er nur knapp über 50 Pässe pro 90 Minuten. In der Saison 2020/21 waren es noch 56,1. In der Saison danach 55,1 und in der abgelaufenen Spielzeit 52,7.

Interessant zudem: Seine Anzahl an Pässen mit neun Metern vertikalem Raumgewinn hat ebenfalls abgenommen - von 7,25 (2020/21) zu 5,94 (2022/23). Trotzdem ist die Passquote um rund fünf Prozent schlechter geworden (86,8 zu 81,6).

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Für Leon Goretzka wird es beim FC Bayern jetzt schwer

Zum Vergleich: Der 2020 abgewanderte Thiago spielte pro 90 Minuten 92 Pässe, 11,7 davon mit einem vertikalen Raumgewinn von mindestens neun Metern, und überzeugte mit einer Passquote von 90 Prozent. Eine Lücke, die Kimmich allein nicht schließen konnte.

Bei Goretzka kommt noch das Problem dazu, dass er in den letzten Jahren häufig ausfiel und mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Mittlerweile hat sich zur gesundheitlichen Unverlässlichkeit eben auch eine sportliche gesellt.

In Tuchels System wird es für ihn schwierig, seinen Status im Team aufrechtzuerhalten. Seine größten Stärken liegen darin, Torgefahr in der Offensive zu erzeugen, Bälle früh zurückzuerobern und gewisse Räume im letzten Drittel durch Tiefenläufe zu überladen. Goretzka zählte in der Vergangenheit stets zu den torgefährlichsten Spielern, kam in 179 Einsätzen für die Münchner bisher auf 34 Tore und 35 Vorlagen.

Weil Kimmich aber nicht allein auf der Sechs zurechtkommt und einen Partner benötigt, der ihn dort unterstützt, bliebe für die Einbindung dieser Stärken nur noch eine offensivere Rolle als bisher - beispielsweise als Zehner oder Halbraumzehner. Hier haben die Bayern aber deutlich bessere Optionen. Jamal Musiala, Thomas Müller und selbst Leroy Sané sind entweder wendiger und stärker in Drucksituationen oder besser darin, ihre Mitspieler in Szene zu setzen. Goretzka ist verzichtbar geworden.

Dementsprechend meldete sich auch Uli Hoeneß zu Wort: "Die Diskussion um die Sechs, die stellt sich für mich gar nicht. Ich glaube, dass wir an Laimer, sehr, sehr, sehr viel Spaß haben werden." Aber ist das so?

FC Bayern München: Auch Konrad Laimer nicht die Optimallösung?

Der Österreicher wurde in seiner Karriere hauptsächlich als Achter eingesetzt und brachte dort ein ähnliches Profil mit wie Goretzka: zweikampfstark, immer mal wieder etwas Drang in die Offensive und sehr athletisch.

Vermutlich erhoffen sich die Bayern, dass Laimer vor allem im Defensivbereich ein Upgrade für die Sechserposition sein kann. Doch den Spielaufbau und den damit verbundenen Übergang in das zweite und letzte Drittel wird der 26-Jährige höchstwahrscheinlich nicht verbessern.

Bei Leipzig spielte er in der abgelaufenen Saison 46,1 Pässe pro 90 Minuten - und stand damit kaderintern nur auf dem 15. Platz. Auch seine Passquote von 79,4 Prozent ist kein Indiz für ein Upgrade. Laimer müsste schon einen großen Entwicklungsschritt gehen, um die Lösung zu sein, die sich Tuchel auf der Sechs erhofft.

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FC Bayern München: Fällt Leon Goretzka die Katar-Kritik auf die Füße?

In jedem Fall hat er aber das Potenzial, Goretzkas Position im Kader einzunehmen. Dass dieser derzeit öffentlich so kritisiert wird, könnte auch mit außersportlichen Ereignissen zusammenhängen. Nach ran-Informationen hat der FC Bayern Goretzkas Rolle im Fall Katar kritisch gesehen.

Der Emir hat Oliver Kahn sogar direkt darauf angesprochen, dass ihm die Aussagen des Mittelfeldspielers in Richtung seines Landes nicht gefallen. Ein weiterer Tropfen, der das Fass in der Beziehung zwischen Ärmelsponsor und Klub bis zum Überlaufen füllte? Das bleibt spekulativ. Geärgert haben sich beide Parteien in jedem Fall darüber.

Doch dass sich der FC Bayern über Kritik an Sponsoren aus den eigenen Reihen ärgert, zeigte er im Winter auch an anderer Stelle. Damals hatten die beiden Norwegerinnen Tuva Hansen und Emilie Bragstad aus der Frauenabteilung des FCB öffentlich harte Worte gefunden. "Es ist kein Ort, an dem ich selbst Urlaub machen würde", erklärten die beiden bei "NRK" und Hansen legte nochmal nach: Man wolle nicht Teil von "Sportswashing" sein.

Beim FC Bayern verschärfte man daraufhin den Autorisierungsprozess bei Interviews und auch intern gab es eine klare Ansage an die Spielerinnen. Goretzka hatte sich ebenfalls klar dazu geäußert, aber immer wieder durchklingen lassen, dass er unzufrieden mit dem Ärmelsponsor war. Vor der WM in Katar sagte er in der Mixed Zone der Allianz Arena, dass im Gastgeberland "ein Menschenbild aus einem anderen Jahrtausend" herrsche.

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FC Bayern München: Letzte Chance oder Abgang von Goretzka?

Und so könnte die Zeit von Goretzka in diesem Sommer enden. Sein Standing hat zumindest bei jenen gelitten, die seine Zukunft maßgeblich zu verantworten haben. "Es kann immer einer Situation entstehen - wie bei Lucas Hernandez, mit dem ich voll gerechnet habe -, dass Spieler andere Pläne haben", erklärte Tuchel.

Von Goretzka habe er das bisher nicht gehört, "aber es ist auch erst der Anfang der Vorbereitung. Es gibt einen großen Konkurrenzkampf". Beim FC Bayern klingt es derzeit nicht so, als würden sie den gebürtigen Bochumer um jeden Preis halten wollen.

Die Kluft zwischen hochdotiertem Vertrag und tatsächlichem sportlichem Wert ist einfach zu groß geworden. Mit einem Verkauf könnte man die im vergangenen Jahr häufig kritisierte Hierarchie des Teams neu sortieren. Bleibt Goretzka aber doch, so muss er sich gewaltig strecken, um seinen Platz zu verteidigen. Geschafft hat er das schon mal.

Ganz zu Beginn seiner Zeit bei den Bayern stand er häufig in der Kritik, schien sich nicht durchsetzen zu können. Doch in der Saison 2019/20 gelang ihm der Durchbruch. Einzig der Glaube daran, dass sich diese Geschichte wiederholt, scheint beim Rekordmeister zu fehlen.

Die kommenden Tage und Wochen werden in dieser Hinsicht sehr spannend. Während die Bayern alles probieren, um Harry Kane zu verpflichten, wird sich Tuchel um die vielleicht noch größere Baustelle auf der Sechserposition sorgen. Das bietet Konfliktpotenzial. Denn ob er, der an Laimers Verpflichtung keinerlei Aktien hat, sich wirklich mit diesem Kompromiss zufriedengibt, ist fraglich.

Die Schärfe und die Deutlichkeit, mit der Tuchel in die Saison gestartet ist, lassen vermuten, dass er auch hier nicht locker lassen wird.