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Real Madrid - Borussia Mönchengladbach im Liveticker auf ran.de

Max Eberl im ran-Interview: "Wir sind das gallische Dorf im Konzert der Großen"

  • Aktualisiert: 09.12.2020
  • 12:20 Uhr
  • ran.de / Andreas Kötter
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© imago images/Jan Huebner

Im Interview mit ran spricht Sportdirektor Max Eberl über die bisherige Saisonleistung der Gladbacher in Bundesliga und Champions League, über den neuen Verteilungsschlüssel der DFL für die TV-Gelder und über die Auswirkungen der Corona-Krise auf Nationalmannschaft, Vereine und Fans.

Mönchengladbach/Madrid - Borussia Mönchengladbach hat im Gruppenspiel bei Real Madrid (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) die große Chance, erstmals ins Achtelfinale der Champions League einzuziehen.

Dafür reicht ein Punkt gegen die "Königlichen". Und Sportdirektor Max Eberl ist vom Weiterkommen überzeugt. "Ich glaube fest daran, dass wir dort bestehen werden", sagt der Ex-Profi im Interview mit ran.

Desweiteren spricht Eberl über die bisherige Saisonleistung der Gladbacher in Bundesliga und Champions League, über den neuen Verteilungsschlüssel der DFL für die TV-Gelder und über die Auswirkungen der Corona-Krise auf Nationalmannschaft, Vereine und Fans.

ran: Herr Eberl, Borussia kämpft heute in Madrid um das Überwintern in der Champions League und damit auch um viel Geld. Wie weit hängt Ihre Beurteilung der bisherigen Saison vom Ausgang dieser Partie ab?

Max Eberl: Ein einziges Spiel darf nicht für ein Fazit oder Zwischenfazit herangezogen werden. Wir haben in der Bundesliga - mit all denen Widrigkeiten, die aktuell alle Mannschaften betreffen - bisher eine solide Runde gespielt. In der Champions League spielen wir sogar eine sehr gute Saison, und das in einer Gruppe, von der sehr viele gesagt haben, dass es für uns nur um den dritten Platz gehen könne.

Diesen dritten Platz und damit mindestens das Überwintern in der Europa League aber hatten wir bereits nach dem vierten Spieltag sicher. In Madrid gehen wir jetzt sogar als Tabellenführer ins Spiel. Und ich hoffe, nein, ich glaube fest daran, dass wir dort bestehen werden. Wer lediglich hofft, der stirbt an Verzweiflung.

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ran: Gibt es Momente, in denen Sie den fast schon sicheren drei Punkten aus dem Hinspiel nachtrauern?

Eberl: Nein. Und nichts wäre dümmer als das. Wir haben Inter Mailand und Real Madrid, zwei Vereinen, die seit Jahrzehnten im europäischen Fußball eine extrem große Rolle spielen, große Kämpfe geliefert und haben diese Spiele ausgeglichen gestalten können. Ja. Es stimmt. Wir haben zweimal geführt, dann aber zweimal spät ein Unentschieden hinnehmen müssen. Und dennoch haben uns diese beiden Punkte geholfen, dass wir heute acht Zähler auf dem Konto haben und darüber sprechen können, dass Borussia nicht nur die Europa League sicher, sondern auch eine gute Chance auf das Achtelfinale der Champions League hat. Deshalb lautet mein Rat: Nicht nach hinten schauen, sonst schaut man mit dem Hintern nach vorne. (lacht)

ran: Sie bezeichnen Borussias bisherige Bundesliga-Saison als solide. Ist es schwieriger geworden, dort zu bestehen?

Eberl: Das ist eine Entwicklung, die wir nicht erst in der Saison sondern schon länger beobachten. Wir haben uns erarbeitet, heute als Verein wahrgenommen zu werden, der ein ständiger Konkurrent im Kampf um die Europapokal-Plätze ist. Ich habe in Anlehnung an "Asterix" kürzlich das Bild vom gallischen Dorf gewählt. Bei allem Respekt gegenüber Augsburg, Mainz oder Freiburg - wir sind das gallische Dorf heute im Konzert der Großen, wie Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen oder Wolfsburg. Und damit gehen wir selbstbewusst um. Wir sind ein guter Verein, wir haben eine gute Mannschaft, wir haben einen sehr guten Trainer und treten so auch in der Champions League auf.

ran: Täuscht denn der Eindruck, dass gerade in der Bundesliga und angesichts des Corona bedingten, noch engeren Terminkalenders, jedes Spiel einer großen Anstrengung bedarf?

Eberl: Das trifft auf alle Beteiligten zu, nicht nur auf Borussia. Wir haben uns noch nie über die hohe Belastung beschwert, und wir werden das auch jetzt nicht tun. Im Gegenteil: Wir sind dankbar für diese Belastung und freuen uns sogar über die Intensität, denn das ist das Resultat der sehr guten Vorsaison. Deshalb thematisieren wir nicht die Anstrengungen, sondern leben lieber die Vorfreude auf die kommenden Aufgaben.

ran: Corona kostet die deutschen Profi-Klubs sehr viel Geld und bringt manche gar in Existenznot. Wie sehen Sie diesbezüglich den neuen Verteilungsschlüssel für die TV-Gelder?

Eberl: Ich denke, dass ein guter Konsens zwischen sportlicher Wettbewerbsfähigkeit auf der einen und Stabilität und Solidität auf der anderen Seite gefunden worden ist. Das sage ich als Vertreter eines Vereins, der sich auf einer zwölfjährigen Ochsentour erst dorthin arbeitet musste, wo er heute steht, und der durch diesen neuen Schlüssel viel Geld verlieren wird.

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ran: Können Sie den Schlüssel kurz skizzieren?

Eberl: Der vierjährige Vertrag ist für die ersten beiden Jahre auf Stabilität und deutlich mehr auf Gleichverteilung ausgelegt, um dann in den Jahren drei und vier die Leistung wieder mehr in den Vordergrund zu stellen. Mit dieser Weitsicht versucht man der Corona-Thematik in Summe gerecht zu werden. Für mich ist das ganz klar ein Vertrag der Solidarität von Bundesliga und 2. Liga.

ran: Möglicherweise denkt nicht jeder so solidarisch wie Sie?

Eberl: Fakt ist, dass dieser Fernsehvertrag per se schon einmal 200 Millionen Euro weniger eingebracht hat. Ich würde mir dennoch wünschen, dass die Solidarität, die der Vertrag ausdrückt, von allen auch so wahrgenommen wird. Natürlich gibt es immer auch die eigene Brille, und natürlich könnte ich mich jetzt hinstellen und sagen "Wir verlieren einen zweistelligen Millionenbetrag". Mache ich aber nicht. Für mich ist das ein Konsens, bei dem man vielleicht mit den Zähnen knirschen kann, mit dem aber alle sehr gut leben können sollten.

ran: Wir reden jetzt über Fußball, TV-Gelder etc., während sich die Corona-Krise noch einmal deutlich zugespitzt hat. Tragen Sie Sorge, dass die Menschen, die viele andere Probleme umtreiben, sich allmählich an ein Leben ohne Fußball im Stadion gewöhnt haben könnten?

Eberl: Nein, das kann ich nicht erkennen. Ich habe gerade erst erlebt, wie viele Menschen extrem traurig waren, dass sie gegen Real Madrid nicht im Stadion sein konnten. Natürlich zeigt uns Corona, was es heißt, Angst um den Arbeitsplatz haben zu müssen. Was es heißt, dass ein Weihnachtsfest vor der Tür steht, das wir nicht so feiern können, wie es über Generationen Usus war. Und ich glaube auch, dass all das die Menschen nicht nur sehr traurig, sondern auch zurückhaltender macht. Das aber eins zu eins auf den Fußball zu übertragen, das sehe ich nicht. Wir alle sehnen doch eine neue Normalität herbei. Und zu der wird der Fußball dann ebenso wieder beitragen, wie Konzerte, Ausstellungen, andere Sportarten oder einfach nur volle Innenstädte.

ran: Haben die schlechten TV-Quoten der vergangenen Länderspiele nicht eine gewisse Müdigkeit erkennen lassen?

Eberl: Wenn ein Verein im Abstiegskampf steckt, kann es auch passieren, dass die Zuschauerzahlen nachlassen. Und niemand bestreitet, dass der DFB gerade einen steinigen Weg gehen muss. Aber auch, wenn man im Fußball immer über die eine oder andere Personalie diskutieren kann - das ist völlig legitim -, halte ich die Entscheidung, eine neue, junge Mannschaft aufzubauen, für absolut richtig. 2019 hat das sehr gut geklappt, während 2020 für alle kompliziert war, und damit auch für den DFB. Dass das 0:6 gegen Spanien ein Schlag ins Gesicht war, steht außer Frage. Vielleicht aber kam dieser Schlag genau zum richtigen Zeitpunkt.

ran: Wirkt aber das Krisenmanagement des DFB nicht - vorsichtig ausgedrückt - arg unbeholfen?

Eberl: Wenn man etwas Neues beginnen möchte und dafür ein Stück weit breite Schultern braucht, wären Ruhe und Gemeinschaftlichkeit ein großer Vorteil. Dieses Vorteils hat sich der DFB aus meiner Sicht selbst beraubt. Das ist aber zu reparieren. Der Nationalmannschaft kommt in unserer Gesellschaft nun mal eine wichtige Rolle zu, und wir sollten alles daran setzen, dass sie spätestens bei der Europameisterschaft auch wieder eine großartige Rolle spielen kann. Dazu muss jeder seinen Beitrag leisten, auch der DFB. Und etwas Ruhe täte da wirklich sehr gut.

ran: In England waren am vergangenen Wochenende erstmals wieder Fans erlaubt. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Eberl: Wir freuen uns alle, wenn in anderen Ligen ein solcher Schritt gemacht werden kann und zum Beispiel in der Premier League wieder 2.000 Zuschauer zugelassen sind. Wir selbst wünschen uns das doch auch. Nicht wegen des Geldes, sondern weil wir den Fußball, so wie wir ihn lieben, mit großen Emotionen, sehr vermissen. Und dem Tag, an dem die Stadien wieder für alle geöffnet sind, fiebern wir entgegen.

ran: Sie haben vorhin von "neuer Normalität" gesprochen. Wie groß ist ihre Hoffnung, dass diese Normalität noch in dieser Saison Einzug halten kann?

Eberl: Ich bin natürlich kein Hellseher. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit den Entscheidungen unserer Regierung und mit dem entsprechend pflichtbewussten und disziplinierten Umgang der Gesellschaft mit diesen Entscheidungen unsere Normalität zurückbekommen werden. Und ganz ehrlich: Ich bin auch optimistisch, dass wir das nicht erst in ferner Zukunft erreichen werden.

ran: Werden Sie sich impfen lassen?

Eberl: Erst einmal geht es sicher um andere Bevölkerungsgruppen. Aber natürlich hoffen wir alle sehnlichst, dass der Impfstoff seinen Zweck, andere, aber auch sich selbst zu schützen, erfüllen wird. Und selbstverständlich werde auch ich mir überlegen, mich impfen zu lassen, sobald dieser Impfstoff verfügbar ist.

Interview: Andreas Kötter

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