Nachfolger von Bierhoff gesucht
Jürgen Kohler als DFB-Sportdirektor? "Neue Wege gehen und den Finger in die Wunde legen"
- Aktualisiert: 12.12.2022
- 12:26 Uhr
- ran.de
Der deutsche Fußball stellt sich nach der blamablen WM für die Zukunft neu auf, unter anderem wird ein Nachfolger für Oliver Bierhoff gesucht. Jürgen Kohler sagt im Interview mit ran, was ihn an der Aufgabe reizen würde.
Von Andreas Reiners
München – Der deutsche Fußball steht vor einem Neustart, vor einem Umbruch, vor dringend benötigten Änderungen.
Eine wichtige Personalie ist noch offen: Wer wird Nachfolger des zurückgetretenen DFB-Direktors Oliver Bierhoff?
Am Sonntag fiel im "Sport1"-Doppelpass auch der Name von Jürgen Kohler, der dort von seinem ehemaligen Mitspieler Stefan Effenberg als mögliche Lösung vorgeschlagen worden war.
"Die Herren haben ja meine Nummer", hatte Kohler daraufhin gesagt.
Jürgen Kohler: "Ich bin ein Kind der Bundesliga"
"Stefan hat mich gefragt und ich habe ihm die Antwort gegeben", erklärt Kohler im Gespräch mit ran: "Es geht am Ende um unseren Fußball. Ich bin ein Kind der Bundesliga und habe viel erlebt. Und ich glaube, dass ich zu dem Thema das eine oder anderen sagen könnte, wenn es gewollt ist."
Es gebe drei Dinge, die extrem wichtig seien, so der 56-Jährige weiter: "Zum einen Berufserfahrung. Genauso wichtig ist Lebenserfahrung. Drittens: Wissen, wie gewinnen geht. Das haben nicht viele."
Attribute, die auf Kohler zutreffen. Nach seiner erfolgreichen Profi-Karriere arbeitete er als Trainer und Sportdirektor, auch wenn die Karriere als Verantwortlicher abseits des Platzes nicht so erfolgreich verlief wie die als Weltklasse-Spieler.
Selbst ins Spiel bringen wolle er sich nicht, betonte der früherer Coach der deutschen U 21, trotzdem wird deutlich, dass ihn die Aufgabe reizen würde.
Was genau? "Dass man mit jungen Menschen zu tun hat. Dass DFB und DFL Wege gehen können, um Dinge zu verbessern. Man kann sich gegenseitig gut befruchten", sagt Kohler: "Dafür muss man aber neue Wege gehen und den Finger in die Wunde legen. Da ist die Frage, ob das gewünscht ist".
Eigene Ansätze und Maßnahmen hat er im Kopf.
"Man muss schauen, ob es beim DFB Reformen geben soll. Ob zum Beispiel der Präsident künftig hauptamtlich tätig ist. Zudem sollte man sich fragen: Erfüllt das aktuelle Personal die Erwartungen und bekommt man dadurch einen Mehrwert? Das braucht Zeit. Mir ist es fremd, dass man hingeht und alle rausschmeißt, nur weil jeder danach schreit. Das ist nicht der Weg, den man gehen muss", meint Kohler.
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Ansätze beim Nachwuchs
Ein wichtiger Punkt ist für den früheren Dortmunder die Nachwuchsarbeit. "Man muss besprechen, wie die Ausbildung noch effizienter wird. Wir müssen wieder dahin kommen, das Talent im Talent zu fördern. Stärken herausheben. Und es dann auch mal machen lassen und nicht permanent in Schemata reinpressen", sagt er.
Ein weiteres Beispiel: Dass im Jugendfußball in den jüngeren Klassen keine Meisterschaften mehr ausgetragen werden, hält Kohler "total für den falschen Weg. Ich halte den Wettbewerb für elementar, um die jungen Menschen auf spezielle Situationen vorbereiten zu können".
Die Fans zurückgewinnen
Ebenfalls elementar: Die Fans wieder hinter die Nationalmannschaft bringen, vor allem im Hinblick auf die Heim-EM 2024. Mannschaften wie Marokko oder auch Kroatien zeigen, wie man die Anhänger in Massen mobilisiert, um dann in einen Flow zu kommen und mit der Stimmung bis in das WM-Halbfinale zu "fliegen".
"Die Fans dieser Mannschaften sind so euphorisiert, weil sich die Teams zerreißen. Sie zeigen Leidenschaft, Energie auf dem Platz, Zweikämpfe, Laufbereitschaft. Alles Tugenden, die immer das Prädikat unserer Nationalmannschaft waren, fest in unserer DNA verankert. Das waren die Attribute, die uns groß gemacht haben", sagt Kohler.
Das ist ein Stück weit verloren gegangen, die DFB-Auswahl hat bei den Anhängern schon länger einen schweren Stand.
"Fans haben ein besonderes Gespür für Spieler und Mannschaften. Wir müssen da wieder hin, auf die emotionale Schiene, zurück zur Freude am Spiel", fordert Kohler.
"Das ist nicht einfach. Aber wir sind gefordert, die Menschen in unserem Land wieder in die Stadien zurückzubringen und in das gemeinsame Boot zu holen."