Handball-EM
Handball-EM 2024 - Dominik Klein exklusiv: So knackt das DHB-Team Halbfinal-Gegner Dänemark
- Veröffentlicht: 26.01.2024
- 10:13 Uhr
- Andreas Reiners
Die deutschen Handballer spielen am Freitag bei der Heim-EM gegen Dänemark um den Finaleinzug. Ex-Weltmeister Dominik Klein sagt im ran-Interview unter anderem, was dafür nötig ist.
Das Interview führte Andreas Reiners
Auf die deutschen Handballer wartet am Freitag im Halbfinale der Heim-EM Weltmeister Dänemark. Die Skandinavier gelten als Handball-Weltmacht, sind mit Superstars gespickt und können auf einen einen extrem breiten Kader zurückgreifen.
Haben die Dänen überhaupt Schwächen, und wie kann man die Dominatoren knacken?
Und auf was kommt es bei der Vorbereitung an, welche Mutmacher gibt es aus deutscher Sicht? Unter anderem darüber hat ran mit 2007-Weltmeister Dominik Klein gesprochen.
ran: Dominik Klein, 24:30 zum Abschluss der Hauptrunde gegen Kroatien. Ist das ein kleiner Dämpfer für die Euphorie? Oder ist das schnell komplett vergessen?
Dominik Klein: Nach einer Nacht drüber schlafen darf das gerne abgehakt sein. Denn es gilt jetzt, miteinander zu sprechen, sich in kleinen Gruppen zusammenzusetzen, um zum Beispiel zu besprechen, wie man die dänischen Stars wie Simon Pytlick oder Mathias Gidsel verteidigt. Die Jungs sind voll in den Gesprächen, um die neue Aufgabe Dänemark zu bespielen. Daher sehe ich das als sehr positiv, wenn man sich intensiv mit der Vorbereitung beschäftigt.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Im Zusammenhang mit Dänemark fällt immer der Begriff Handball-Weltmacht. Was zeichnet die Dänen aus?
Klein: Da muss man bei der Philosophie und bei der DNA der skandinavischen Mannschaften generell anfangen, denn die haben von Grund auf einen Spielstil, der sehr temporeich, sehr präzise und sehr dynamisch ist. Sie haben das von Kind auf verinnerlicht und haben damit eine Grundlage, ein ganz anderes Spiel aufzuziehen. Diese Passgenauigkeit, dieses Selbstverständnis für das Tempospiel, das ist drin, das brauchst du denen nicht erklären. Von daher sehe ich es als große Grundlage überhaupt, seinen eigenen Spielstil aufzuziehen.
ran: Wer sind die Schlüsselspieler?
Handball-EM 2024: Deutschland gegen Kroatien - Die Noten der DHB-Stars
Klein: Mathias Gidsel natürlich. Er hat einen extremen Aufstieg erlebt in den letzten Jahren, und ist jetzt eine gestandene Größe. Er liebt den Handball, bringt alle Facetten mit, geht mutig nach vorne, ist unbekümmert im Abschluss. Er ist sich auch nicht zu schade, in die Abwehr reinzuspringen, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Magnus Saugstrup agiert mit einer großen Erfahrung, einer Abgezocktheit, er ist einer der besten Kreisläufer der Welt. Und dann haben wir noch im Tor das Duo, bei dem alle immer von Welttorhüter Niklas Landin sprechen, der Emil Nielsen an der Seite hat, der bei Barcelona im Tor steht und bei dieser EM über sich hinauswächst. Das sind Schlüsselpositionen, die für mich wirklich eine große, große Qualität haben.
ran: Hat diese Mannschaft überhaupt irgendwelche Schwächen?
Klein: Ich wüsste nicht, wo man Schwächen finden sollte. Das liegt auch daran, dass Trainer Nikolaj Jacobsen zahlreiche Optionen hat, denn der Kader ist in der Breite hervorragend aufgestellt. Er hat immer noch was im Ärmel. Da ist an Qualität alles dabei. Ich tue mich schwer damit, Schwächen zu finden.
ran: Wie knackt man eine Mannschaft, die solch ein Selbstverständnis und so ein Selbstbewusstsein hat?
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DHB-Team: So knackt man den Dänen-Code
Klein: Indem man sie mit verschiedensten Aufgaben zum Nachdenken bringt. Zunächst mit einer Abwehr, die zusammensteht, die bedingungslos füreinander einsteht, sich gegenseitig hilft, um das Spiel von Beginn an offen zu halten. Du brauchst einen guten Start in das Spiel, um selbst reinzukommen und es lange offen zu halten. Wenn eine Mannschaft auf die Anzeigetafel schaut und darüber nachdenkt, dass der nächste Angriff sitzen muss, hat sie schon die ersten Prozentpunkte verloren. Dementsprechend muss die deutsche Mannschaft es schaffen, den Gegner dahin zu bringen, nachdenken zu müssen.
ran: Was sind weitere Mutmacher für die deutsche Mannschaft?
Klein: Ich sehe unsere Torhüter als Mutmacher. Dass Andi Wolff mit Sicherheit ein großer Rückhalt sein kann. Und dann das erarbeitete Selbstvertrauen, um in dem Spiel gegen die Dänen schnell in den nötigen Flow zu kommen, auch das macht Mut. Viel geht dabei über die Abwehr, da wird wieder alles reingehauen, 60 Minuten lang. Und wenn Juri Knorr sich an seine Momente erinnert, in denen er aufblüht, im Angriff einfach in ein Riesenspiel kommt, dann sind das die Faktoren, die mich optimistisch und positiv stimmen.
ran: Was muss sich unbedingt verbessern im Vergleich zu den Hauptrundenspielen?
Klein: Ohne Frage die Effektivität, die Wurfquote muss sich positiv darstellen. Denn das ist immer auch eine Grundlage für den Mut, den Willen und vor allem die Lockerheit für so ein Halbfinale.
ran: Wer ist bei der deutschen Mannschaft ganz besonders gefordert?
Klein: Da würde ich ungerne Schlüsselspieler nennen, denn wir werden als Mannschaft, als Einheit den Vorteil generieren können, indem wir als Team zusammenstehen. Da müssen wir gar nicht viele Einzelspieler nennen. Wenn die Mannschaft sich in diesen 60 Minuten so zusammenreißt, dass jeder merkt, dass es egal ist, wenn man einen Fehler macht, weil einer danebensteht, der das mit ausbadet und hilft - wenn dieses Gefühl einer mannschaftlichen Geschlossenheit entsteht, dann kann das zum Faktor werden.
ran: Juri Knorr hat von ein paar Handball-Legenden jede Menge Kritik abbekommen. Fanden Sie die gerechtfertigt?
Klein: Juri ist ein so selbstkritischer Mensch, den brauchst du eigentlich kaum kritisieren, weil er selbst sehr gut reflektieren kann. Seine Qualität liegt darin, dass er sich da selbst rauskämpfen kann. Er hat genug Optionen, genügend Werkzeuge in seinem Koffer, die er auspacken kann. Er hat schon gezeigt, dass er auf Weltklasse-Niveau spielen kann. Und das wird er auch in Zukunft.
ran: Wie beurteilen Sie sein bisheriges Turnier?
Klein: Alleine die Tore zeigen ja schon, wie wichtig er ist. Wir sprechen in den letzten Jahren immer davon, dass wir Typen brauchen. Und er ist ein Typ. Und das ist genau das, was Deutschland braucht. So jemanden wie ihn, der vorangeht, der Vorbild ist für viele Jugendliche, Handball mit Leidenschaft zu spielen. Ich kann mich erinnern, dass sich nach der letzten WM alle lange Haare wachsen lassen und in der Mitte spielen wollten. Er hat einen großen Vorbildcharakter. Dementsprechend ist er die Zukunft des deutschen Handballs.
ran: Die Torhüter der Dänen gehören wie erwähnt zur Weltklasse. Sehen Sie Andi Wolff da auf Augenhöhe?
Klein: Ein Torwart, der in einem Spiel nicht mehr nachdenken muss, sondern in den Köpfen der Gegenspieler ist, der kann heißen, wie er will, der wird das Spiel seines Lebens machen. Andi hatte dieses Gefühl im Turnier schon ein paar Mal, daher gehört er absolut zur Weltspitze. Generell ist das Niveau der Torhüter bei diesem Turnier sehr, sehr hoch.
Klein: Darauf kommt es bei der Vorbereitung an
ran: Sie wissen als Ex-Weltmeister, wie große Spiele gehen. Worauf kommt es in der Vorbereitung an?
Klein: Das Grundlegende ist die Analyse, die das Trainerteam vorbereitet, indem sie den Spielern aufzeigt, was der Matchplan ist. Das ist der erste Part. Und das zweite ist für mich immer auch das Entscheidende: Wie sind die Anspannung und die Ansprache in der Kabine vor dem Spiel, in der Arena selber. Das pusht nochmal so extrem im Inneren, in der Motivation, dass das auch was mit dir macht. Wenn du weißt, für wen du das jetzt hier 60 Minuten auf die Platte bringst. Dass sie in der Kölner Arena eine riesige Unterstützung bekommen, wissen wir alle. Und dann hoffe ich, dass sie es schaffen, ihr Maximum herauszuholen. Denn klar ist: Du brauchst das perfekte Spiel.
ran: Alfred Gislason hat gegen Ungarn das Team mit einer emotionalen Ansprache abgeholt. Welchen Kniff packt er jetzt aus?
Wenn das Publikum diese positiven Dinge abfeiert, dann bekommst du Selbstvertrauen, dann geht die Brust noch weiter raus und deine Stärken kommen noch mehr zum Tragen. Dann ist da richtig Feuer unterm Dach.
Dominik Klein
Klein: Das liegt an ihm selbst, welche Worte er findet. Da verlässt er sich auch mit Sicherheit viel auf sein Gefühl, auf seine Erfahrung aus den letzten Jahren. Ich bin mir sicher, dass ihm was über den Weg läuft, was er dann umformuliert, um es der Mannschaft als Motivation mitzugeben.
ran: Wie groß kann der Faktor Lanxess Arena im Halbfinale werden?
Klein: Welchen Faktor das Ganze einnehmen kann, habe ich als Spieler 2007 erlebt. Dieser Rückhalt, den du da spürst, dieser Jubel beim Zurücklaufen nach einem Tor oder wenn du in der Abwehr eine Aktion hast, einen Block - wenn das Publikum diese positiven Dinge abfeiert, dann bekommst du Selbstvertrauen, dann geht die Brust noch weiter raus und deine Stärken kommen noch mehr zum Tragen. Dann ist da richtig Feuer unterm Dach. Die Arena ist dann ein sehr großer Faktor.
Klein: Zuspruch ist sehr gewachsen
ran: Eine ganz witzige Statistik: Das deutsche Team war bislang bei den ARD-Übertragungen eher weniger erfolgreich (zwei Niederlagen, ein Remis, dafür vier Siege im ZDF, Anm.d.Red.). Ist es vielleicht auch ein gutes Omen, dass das Spiel vom ZDF übertragen wird?
Klein: (lacht) Mit einem Augenzwinkern gönne ich diese Statistik den Kollegen gerne, wenn die deutsche Mannschaft dann gegen Dänemark einen Sieg einfährt. Der Finaltag ist dann wieder bei uns und dann hoffe ich auf einen positiven Abschluss, ob nun im Spiel um Platz drei oder im Finale.
ran: Es sind immer rund acht Millionen Zuschauer dabei, dazu der Halbfinal-Einzug als Erfolg. Wie sehen Sie das Standing des deutschen Handballs gerade?
Klein: Der Zuspruch ist sehr gewachsen und in die Höhe geschossen. Der Startschuss mit einem Weltrekordspiel vor 53.000 Zuschauern hat alles ins Rollen gebracht. Gleichzeitig wurden an der Basis rund um dieses Turnier sehr viele Aktionen gestartet, so dass sehr viele Kinder in Berührung mit dem Handball gekommen sind. Und das Schönste wird ja sein, dass man schon weiß, dass 2025 eine Heim-WM der Frauen und 2027 eine Heim-WM der Männer stattfindet. Wir können diesen Flow und diese Geschichte weiterschreiben.
ran: Fakt ist: Für einen Sieg gegen Dänemark muss alles passen und perfekt zusammenkommen. Warum ist Freitag so ein Tag?
Klein: Gegenfrage: Warum nicht? Also lasst es uns einfach angehen und genießen und allen Mut und alle positiven Gedanken, egal ob in der Halle oder vor dem Fernseher, mitnehmen und an diese deutsche Mannschaft glauben. Um zu zeigen, dass wir hinter der Mannschaft stehen und dass es ein tolles Turnier ist.
ran: Wir lautet Ihr Tipp?
Klein: Das ist sehr schwer. Aber warum nicht eine Verlängerung mit offenem Ausgang? Da würde ich mich sehr drüber freuen. 28:28, das wäre doch mal ein gutes Ergebnis, um dann die Spannung über 2x5 Minuten weiter zu steigern.