Königsklasse soll sicherer werden
"Hello Halo": Braucht die Formel 1 einen Cockpitschutz?
- Aktualisiert: 20.07.2017
- 14:17 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Formel-1-Fans müssen tapfer sein: 2018 kommt der Cockpitschutz Halo. Doch was ist das genau? Was sagen die Beteiligten? Und braucht ihn die Königsklasse? ran.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
München - Der Automobil-Weltverband wollte dringend etwas für die Sicherheit in der Formel 1 tun. Koste es, was es wolle. Also auch gegen alle Widerstände. Die FIA hat nach einer längeren Testphase ernst gemacht: 2018 kommt in der Königsklasse der sogenannte Halo, der "Heiligenschein" als Cockpitschutz.
Er soll die Fahrer gegen umherfliegende Teile oder abgerissene Reifen besser schützen. Und da der Weltverband bei Sicherheitsthemen eigene Ideen ohne die Zustimmung der anderen Beteiligten durchprügeln kann, müssen sich Fahrer und Fans nun an den Fremdkörper an den Boliden gewöhnen.
ran.de beantwortet weitere Fragen zum neuen Cockpitschutz.
Warum wurde der Halo eingeführt?
Zum Schutz der Fahrer. Einer Studie zufolge sorgt Halo für einen um 17 Prozent erhöhten Schutz für den Kopf. Gleichzeitig wollte sich die FIA aber auch absichern, nachdem die Familie des 2014 in Suzuka schwer verunglückten Jules Bianchi den Weltverband verklagt hat. Der Franzose lag anschließend im Koma und verstarb 2015.
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Die Angst der FIA: Der drohende Ärger, wenn in Zukunft ohne Cockpitschutz tatsächlich wieder etwas passiert und es Tote gibt, obwohl man von dem System wusste und es nicht genutzt hat. Bereits 2017 sollte der Halo kommen, wurde aber wegen fehlender Erfahrungen was zum Beispiel die Sicht betrifft, verschoben. Die FIA hält das System nun für einsetzbar.
Welche Alternativen gab es?
Das sogenannte "Shield", eine Art Windschutzscheibe, das Sebastian Vettel zuletzt in Silverstone genau eine Runde lang testete, ehe ihm schwindelig wurde. Ergo: Zu unausgereift. Red Bull hatte einen eigenen Aeroscreen entwickelt, der wie eine Kampfjet-Kanzel aussieht. Diese Variante hätte aber zu viel Zeit für die Entwicklung benötigt. Vom Tisch ist das Shield aber nicht, möglicherweise wird es 2019 Nachfolger des Halo.
Was sagen Teams, Fans und Fahrer?
Die Fans hatten sich bereits 2016 in der ersten Testphase ausgelassen. In Umfragen sprachen sich bis zu 80 Prozent gegen Halo aus. Die FIA drückte die Entscheidung durch, obwohl neun von zehn Teams dagegen waren.
Auch die Fahrer sind vom Halo nicht begeistert, die Fahrergewerkschaft stellte sich nun aber öffentlich hinter die Entscheidung. "Das Tempo und die Rundenzeiten wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer extremer. Da muss es ein Hauptanliegen sein, auch die Sicherheit in entsprechendem Maße zu erhöhen. Die Formel 1 ist diesbezüglich ein Vorbild. Man erhöht die Sicherheit, ohne dabei die Performance einzuschränken", erklärte GPDA-Sprecher Alexander Wurz.
Ist die Formel 1 mit Halo nun sicherer?
Teilweise. Tödliche Unfälle wie die von Henry Surtees in der Formel 2 oder Justin Wilson in der IndyCar-Serie hätten damit wohl vermieden werden können. Bianchi hätte seinen Horrorcrash trotzdem nicht überlebt. Ob Felipe Massa 2009 gegen eine umherfliegende Stahlfeder besser geschützt gewesen wäre – unklar. Eine Frage, die auch immer wieder gestellt wird: Kann Halo Unfälle je nach Hergang vielleicht sogar schlimmer machen? Kann es nach einem Crash beim Aussteigen Probleme geben? Viele Fragen, auf die die FIA aber offenbar eine Antwort weiß.
Die größte Frage ist aber noch eine ganz andere.
Braucht die Formel 1 überhaupt einen Cockpitschutz?
Darüber lässt sich streiten. Natürlich will niemand mehr Tote betrauern. Doch es ist nun mal so, dass Motorsport gefährlich ist. Das macht seine Faszination aus, das zieht die Fans in ihren Bann. Die Autos sind sowieso sicherer geworden in den vergangenen Jahren. Und: Ein Restrisiko bleibt immer, auch mit Halo. Jeder, der Motorsport betreibt, ist sich dessen bewusst.
Fakt ist: Der Halo sieht einfach unfassbar hässlich und lächerlich aus. Er nimmt der Königsklasse genau das, was man mit den neuen, schnelleren und breiteren Autos erreichen wollte: Das Puristische, das Aggressive, das im Motorsport nun mal vorhandene Gefährliche, Ungewisse. Ist ein Formel-1-Auto mit den Bügeln vor der Nase noch sexy? Nein, ist es nicht. Eine weitere Frage: Mit Halo fängt es an, doch wo hört es auf? Was kommt als nächstes, mit dem die Formel 1 entstellt wird?
In den sozialen Netzwerken wird bereits gewitzelt, was sich die FIA noch alles einfallen lassen könnte. Ein Tempolimit war auch dabei. Man könnte darüber lachen, wenn es für die Formel 1 nicht so traurig wäre.
Andreas Reiners