Tour de France
Florian Lipowitz: Besondere Taktik für schwere Berg-Etappen - lieber Vorfreude als Respekt
- Veröffentlicht: 21.07.2025
- 13:04 Uhr
- SID
Zwischen Florian Lipowitz und dem Traumziel Paris liegen bei seiner Debüt-Tour noch drei schwere Prüfungen. Die Chance auf das Podest und das Weiße Trikot ist groß.
Florian Lipowitz schlurfte im sommerlichen Schlabberlook durch das Teamhotel und genoss inmitten dieses riesigen Hamsterrades namens Tour de France einen Hauch von Urlaubsstimmung: Eine lockere Trainingsfahrt am Mittelmeer mit Aussicht auf Kaffee und Kuchen, etwas Massage.
"Und dann landet gleich noch auch meine Freundin und kommt her", freute sich der neue deutsche Radsport-Star. Hat schon was, so ein Ruhetag!
Allerdings wird die Ruhe nicht lange vorhalten: Sechs Etappen trennen Lipowitz noch von Paris, drei knüppelharte Tage in den Bergen, angefangen mit dem Mont Ventoux am Dienstag, liegen zwischen dem Tour-Debütanten und dem erträumten Doppel-Coup.
Geht alles gut, steht der Gesamtdritte am Sonntag als erster Deutscher seit Andreas Klöden 2006 auf dem Podium und beendet die Tour wie zuletzt Jan Ullrich vor 27 Jahren als bester Jungprofi.
"Ich hoffe, ich kann mich heute noch einmal gut erholen", sagte Lipowitz am Montag: "Die nächsten Etappen habe ich mir noch gar nicht so genau angeschaut. Denn dann überwiegt schnell der Respekt die Vorfreude, und es kann ins Negative kippen. Ich will mir hier so wenig Druck wie möglich machen und weiter Tag für Tag nehmen."
Das Wichtigste in Kürze
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Erst also die mythische Kletterpartie auf den Ventoux, diesen "Gott der Bosheit", wie der normannische Philosoph Roland Barthes einst schrieb, angehen. Dann an die Alpen denken, wo mit dem 2298 Meter hohen Col de la Loze das schwindellerregende Tour-Dach dräut. Und schließlich nach Paris blicken.
Mit der Tag-für-Tag-Taktik fährt der 24-jährige Lipowitz bei seiner erst zweiten Landesrundfahrt nach der Vuelta 2024 (Platz sieben) vorzüglich. So vorzüglich, dass selbst der unantastbare Tour-Spitzenreiter Tadej Pogacar den jungen Ulmer längst als großen Rivalen anerkannt hat.
"Er wird von Tag zu Tag besser, ist ein unglaublicher Fahrer", sagte der Slowene: "Wenn er so weiter macht, kann er große Dinge erreichen."
Lipowitz vollbringt freilich schon jetzt Großtaten und sorgt für ein Tour-Fieber in Deutschland, wie es seit Ullrich nicht mehr erlebt wurde. "Das ist zwar schön zu sehen, wie begeistert die Leute sind", sagt er, "aber das macht vielleicht auch den Druck ein bisschen größer."
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Zumindest um das psychische Wohlergehen seiner Nummer 1a, die den slowenischen Promi-Kollegen Primoz Roglic zur 1b gemacht hat, sorgt sich Rolf Aldag nicht. "Vom Kopf her kommt Florian durch. Er ist nicht der Typ, der sich schlaflose Nächte macht", sagte der Sportliche Leiter im Team Red Bull-Bora-hansgrohe am Montag.
Und weiter: "Aber wie der Körper reagiert, ob er einen schlechten Tag haben wird, wissen wir nicht, wir haben keinen Vergleich. Die Tour ist doch etwas anderes als eine Vuelta."
Vor allem steht Lipowitz nun auf der größten Bühne des Radsports im grellen Rampenlicht. "Vor ein paar Jahren habe ich mir das im Fernsehen angeschaut, jetzt bin ich selbst ein Teil davon", sagt Lipowitz. Einmal kneifen, bitte! "Dass so Leute wie Tadej einen dann loben, das freut mich natürlich sehr."
Und deshalb ist die Tour bei aller Schinderei auch ein Genuss für Lipowitz. Ein Genuss, dessen Ende absehbar ist. "Das wird jetzt sehr schnell gehen bis Paris", sagt er. Danach aber gibt es mehr von anderem: mehr Ruhetage, mehr Urlaubsstimmung - und mehr als ein Kurzbesuch von Freundin Toni.