Deutschland vorzeitig im Viertelfinale
Basketball-WM: Erkenntnisse zum DBB-Sieg gegen Georgien - 3 ist mehr als 2
- Veröffentlicht: 01.09.2023
- 16:49 Uhr
- Ole Frerks
Die deutschen Basketballer stehen bei der WM vorzeitig im Viertelfinale. Vor allem ein Vorteil hilft dem DBB-Team im Spiel gegen Georgien enorm. Die Erkenntnisse.
Von Ole Frerks
Vierter Sieg im vierten WM-Spiel für das DBB-Team, das die Zwischenrunde mit einem letztlich dominanten 100:73-Erfolg über Georgien eröffnet hat - und dank des slowenischen Sieges gegen Australien vorzeitig im Viertelfinale steht.
Deutschland muss sich strecken, hat am Ende aber vor allem einen massiven Vorteil. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. Der Dreier macht den Unterschied
Dieses Spiel fühlte sich nicht so deutlich an, wie das Endergebnis es suggeriert. Aber so läuft das eben, wenn einem Team in den Schlussminuten kollektiv Flammen aus den Handgelenken schießen und ein Dreier nach dem anderen durch die Reuse fällt. Allein Maodo Lo traf im Schlussviertel sechs Triples und wurde noch zum Topscorer seines Teams (18), nachdem er zuvor über drei Viertel punktlos geblieben war und mehrfach überflüssige Turnover produziert hatte.
Es kann viel analysiert werden bei dieser Partie, es kann in diesem Fall aber auch mal ziemlich simpel heruntergebrochen werden: Der Dreier war der Unterschied. Deutschland machte sicherlich nicht alles richtig, gerade in der ersten Halbzeit. Aber das DBB-Team dominierte in einer Kategorie, die in dieser Form nahezu immer ein Sieggarant ist.
20 Dreier trafen die Deutschen am Ende – bei 35 Versuchen (57 Prozent). Georgien traf sieben von 26. Das sind 39 Punkte Unterschied, die anderweitig kaum aufzuholen sind. Georgien hätte perfekt am Korb treffen (waren sie nicht: 19/36), am Brett dominieren (haben sie nicht: 33:36 Rebounds aus georgischer Sicht) und Ballverluste vermeiden müssen (haben sie nicht: 18 Turnover), und dann hätte es womöglich trotzdem nicht gereicht. So war es stattdessen richtig deutlich.
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Im bisherigen Turnier dominierte das DBB-Team vor allem beim Zweier und war von der Dreierlinie unterdurchschnittlich unterwegs (29 Prozent), diesmal ging es komplett in die andere Richtung. In der ersten Halbzeit trafen Moritz Wagner (14 Punkte) und Isaac Bonga (9) jeweils zwei Dreier, im dritten Viertel war erstmals auch Andreas Obst (12) richtig im Spiel, der erst bei einem Dreierversuch gefoult wurde und dann zwei Triples reinschweißte.
Ein bis dahin ausgeglichenes Spiel stand nach seinem zweiten Pullup-Dreier binnen 18 Sekunden bei 13 Punkten Unterschied, danach blickte das DBB-Team nicht mehr zurück. Auch nicht, nachdem sich Dennis Schröder am Rücken wehtat und in der Kabine behandelt werden musste – dann war eben vor allem Lo an der Reihe.
Es war eine bemerkenswerte Shooting-Performance des gesamten Teams, die beste im bisherigen Turnier (den WM-Rekord hält Kanada mit 24). Allerdings auch eine, die es in der Form nicht allzu oft zu sehen geben wird. Es lohnt sich also noch ein Blick auf das, was in diesem Spiel nicht so gut funktioniert hat.
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2. Es gibt Luft nach oben
"Das waren die 20 schlechtesten Minuten von uns, seitdem wir hier sind", sagte Gordon Herbert bei MagentaSport über die erste Halbzeit seiner Mannschaft. Zwar hatte Deutschland auch in dieser Halbzeit einige gute Phasen, aber nie blieb man lange im Rhythmus. Man habe sich "nicht auf sich selbst fokussiert", sagte Herbert.
Das DBB-Team kam etwas fahrig in die Partie, ließ Bewegung in der Offense vermissen und erlaubte es den riesigen Georgiern so, viel Druck auf den ballführenden Schröder auszuüben. Sie ließen wenig Platz für das Pick’n’Roll von Schröder und Daniel Theis und erlaubten gleichzeitig kaum zweite Chancen.
Es fehlte an Kontern durch Bewegung abseits des Balles, seltener als im vorigen Turnier fand die deutsche Mannschaft den Weg Richtung Zone, spielte teils ohne die letzte Konsequenz und unsauber, auch Deutschland produzierte zwölf Turnover. Obst sah den Ball nahezu gar nicht, auch Johannes Voigtmann war in der Offensive kein Faktor.
Auch defensiv wirkte das DBB-Team bisweilen zu passiv. Es ist bekannt, dass die Georgier kein gutes Guard-Play haben und anfällig für Turnover sind, dafür wurde phasenweise zu wenig Druck auf die Ballhandler ausgeübt, denen es erlaubt wurde, den Ball zu ihren starken Bigs zu bringen (ausgenommen Bonga, der schon im ersten Viertel drei Ballverluste erzwang).
Vor allem Toko Shengelia (12 Punkte in Halbzeit eins), Goga Bitadze (15) und Sandru Mamukelashvili (19) zeigten ihre Qualitäten, scorten physisch im Post oder auch mal nach dem Pick’n’Pop. Shengelia verletzte sich im zweiten Viertel und war danach kein Faktor mehr, was den Georgiern ihren nominell wichtigsten Fixpunkt nahm. Trotzdem blieb es bis Anfang des dritten Viertels eher zäh.
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In gewisser Weise wiederholte sich die Geschichte vom Finnland-Spiel – auch diese Partie wurde mit großem Abstand gewonnen, obwohl der Start und vor allem die anfängliche Performance der Starting Five nicht gut war. Genau wie in dieser Partie und wie schon im gesamten Turnier hatte die Second Unit einen riesigen Einfluss auf das Spiel.
3. Die Bank als Waffe
Lo erwähnten wir bereits – zu Beginn des Spiels waren es aber vor allem die Reserve-Bigs, die den Unterschied machten. Das DBB-Team hat ein Quartett von Bigs, die allesamt passen, werfen und dribbeln können, was deutlich bemerkenswerter ist, als es sich anhört. Wie schon gegen Finnland kam diese besondere Qualität in dieser Partie zum Vorschein.
Unter den Bigs sind Wagner und Thiemann die aggressivsten Scorer. Das zeigten sie während eines Laufs Ende des ersten und Anfang des zweiten Viertels, als sie viertelübergreifend 15 deutsche Punkte in Folge erzielten. Gegen die langsameren Reserve-Bigs Georgiens ergaben sich für sie Freiräume, teils (natürlich) für Dreier, aber auch für aggressive Drives zum Korb.
Überhaupt waren es Aggressivität und Dynamik, die sich mit der Bank sowohl offensiv als auch in der Defense vermehrt zeigten. Über mehrere Minuten brachte Deutschland Georgien mit einer Zonenpresse aus dem Rhythmus und spielte vorne zielstrebiger, der Ball bewegte sich schneller und sauberer.
Wagner verteilte in diesem Spiel 5 Assists, agierte sehr umsichtig aus dem Short-Roll. Thiemann hatte nur einen offiziellen Assist, spielte aber ebenfalls recht oft den Pass vor dem Assist. Beim Ball-Movement ist auch die erneut sehr abgezockte Leistung von Justus Hollatz hervorzuheben, der im Lauf des Turniers mit jedem Spiel besser zu werden scheint.
Jeder deutsche Spieler hatte in dieser Partie einen positiven Plus/Minus-Wert – aber die besten Spieler in diesem Bereich waren alle Teil der "zweiten Fünf" (Lo, Niels Giffey, Wagner, Hollatz,
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Thiemann) und lagen zwischen +16 und +24. Der visuelle Eindruck reflektierte das, Georgien konnte mit der deutschen Tiefe nicht mithalten.
Natürlich soll das alles aber nicht bedeuten, dass es die Starter oder Stars nicht bräuchte. Nach Franz Wagner ist nun auch Schröder mit Rückenproblemen "day-to-day", bei den beiden besten deutschen Spielern war es nach Spielende unklar, ob sie am Sonntag gegen Slowenien zur Verfügung stehen werden.
"Ich kann noch nichts sagen", sagte Herbert über Schröder. "Es ist ein gutes Zeichen, dass er auf die Bank zurückgekehrt ist. Wir werden bald sehen, wie es ihm geht." Es heißt also Daumen drücken, auch weiter für den jüngeren Wagner, der erst kurz vor Beginn des Spiels abgemeldet wurde.
Bei aller Tiefe braucht Deutschland seine Stars. Denn: Bei aller Freude über das jetzt schon sichere Erreichen des Viertelfinals – für dieses Team kann durchaus noch mehr drin sein.