Sechser-Suche der Bayern
FC Bayern München liefert Thomas Tuchel schon jetzt ein Alibi - ein Kommentar
- Aktualisiert: 03.08.2023
- 12:57 Uhr
- Tim Brack
Der FC Bayern kämpft um Harry Kane, doch Trainer Thomas Tuchel fordert vehement einen neuen Sechser. Das ist sein gutes Recht, denn er hat die ganz großen Ziele im Blick - und weiß, welche Spieler dafür heutzutage nötig sind. Ein Kommentar.
Von Tim Brack
Der Fußball lebt seine Traditionen. Die öffentliche Forderung von Trainern nach Verstärkungen gehört zum Geschäft wie der Medizincheck, das ist selbst beim FC Bayern nicht anders, bei dem sonst vieles anders ist.
Hansi Flick ging diesem Brauch in seiner Zeit als Münchner Trainer mal nach, er verlangte einen Rechtsverteidiger – Sportvorstand Hasan Salihamidzic servierte ihm Alvaro Odriozola. Streng genommen ein Rechtsverteidiger, aber nicht das, was Flick bestellt hatte.
Der aktuelle Bayern-Trainer Thomas Tuchel wirbt dieser Tage vehement für die Verpflichtung eines defensiven Sechsers – bisher vergeblich. Die Transfer-Task-Force rund um Uli Hoeneß konzentriert sich und mögliche Millionen-Investitionen lieber auf Stürmer Harry Kane. Trotzdem verzögert sich dessen Lieferung.
Was aber schon angekommen ist: ein Alibi für Thomas Tuchel. Das haben ihm die Bayern-Chefs höchstpersönlich zugestellt. Denn sollte es in der kommenden Saison nicht laufen wie gewünscht, kann der Trainer auf seine nachdrücklichen Appelle verweisen: Mit einem Sechser wäre dieses Schlamassel nie passiert!
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Einen Odriozola-artigen Transfer sollte man Tuchel besser nicht auftischen, das würde er höchstwahrscheinlich als persönlichen Affront verstehen. Er hat genaue Vorstellungen, was er benötigt, um erfolgreich zu sein.
Sein aktuelles Mittelfeld-Quartett entspricht diesen Ideen aber nicht: "Wir haben nicht einen defensiven Sechser, der mehr an den Schutz der hinteren Zone denkt." Ryan Gravenberch sei "ein sehr guter Dribbler", Leon Goretzka "ein sehr physischer Spieler", Konrad Laimer eher "ein Balljäger" und Joshua Kimmich "unser Stratege, der alles machen will und alles kann".
Tuchel weist Goretzka die Tür
Da kann Kimmich im Anschluss noch so bestimmt sagen, er sei ein Sechser. Er ist nur eben nicht ein solcher Sechser, wie Tuchel ihn sich wünscht. Ebenso wenig wie Goretzka, dem der Trainer bemerkenswert deutlich die Tür weist.
Es ist Tuchels gutes Recht, seine Überzeugungen öffentlich klar zu vertreten. Er schützt sich damit auch ein Stück weit selbst. Rhetorisch fährt er seine Agenda gewohnt clever, denn er sagte auch, bei ihm werde "niemand gegen seine eigene Natur anspielen".
Damit befreit er seine Mittelfeldmänner von jeglicher Kritik. Ganz nach dem Motto: Jungs, ihr könnt ja nichts dafür, dass ihr so seid, wie ihr seid. Eure Augenfarbe habt ihr euch ja auch nicht ausgesucht. Und Sechser wird man nun mal nicht, man ist es von Geburt an.
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Bayern und Tuchel denken größer
Wer Tuchel jetzt vorwerfen will, er solle sich mal nicht so anstellen, er habe doch einen guten Kader beisammen, der darf das gerne tun. Niemand wird bezweifeln, dass man mit einem Goretzka, Kimmich, Gravenberch und Laimer die Bundesliga gewinnen kann.
Aber der FC Bayern denkt größer – und Tuchel passt in dieser Hinsicht sehr gut zu diesem Verein. Der Champions-League-Sieg ist sein großes Ziel.
Im höchsten europäischen Klubwettbewerb hat zuletzt Manchester City gezeigt, wie essentiell ein Abräumer ist. Seriensieger Real Madrid stellte seinen Dirigenten Toni Kroos und Luka Modric nicht umsonst jahrelang das Raubein Casemiro an die Seite.
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Spieler wie Rice und Rodri sind selten
Beim FC Bayern hieß der letzte reine Defensivsechser Javi Martinez. Der Spanier warf auch noch seinen letzten heilen Knochen in den Zweikampf, die besten Sechser von heute sind auch noch im Spielaufbau versiert. Sie sind aber auch selten. Einen wie Declan Rice oder Rodri muss die bayerische Transfer-Task-Force erst einmal ermitteln.
Wobei Tuchel aktuell wohl auch einen wie Martinez mit Kusshand nehmen würde. Selbst einen Verlegenheitstransfer in der Kategorie Ordriozola würde er vermutlich zustimmen. Aber nur, wenn die Verpflichtung mit dem Champions-League-Triumph einhergeht.
So war es damals bei Flick, der im Finale aber anstatt Ordriozola dann doch lieber Kimmich als Rechtsverteidiger aufbot.