Bundesliga
FC Bayern: Tuchel-Nachfolger? Roger Schmidt könnte die bayerische Red-Bull-Linie komplettieren
- Aktualisiert: 05.03.2024
- 13:42 Uhr
- Justin Kraft
Roger Schmidt von Benfica soll ein Kandidat für die Nachfolge von Thomas Tuchel beim FC Bayern München sein – und würde vielleicht die Red-Bull-Linie beim Rekordmeister komplettieren. Warum das passen könnte – und was gleichzeitig gegen eine Erfolgsgeschichte mit dem 56-Jährigen spricht.
Der FC Bayern München befindet sich derzeit in einer Schaffenskrise. Viel mehr noch in einer Identitätskrise. Seit dem Champions-League-Titel 2020, der rückblickend betrachtet immer mehr wie eine Anomalie in einer Abwärtsentwicklung daherkommt, scheiterten Top-Trainer daran, den FCB international konkurrenzfähig zu halten.
Jüngst Thomas Tuchel, der seinen Hut spätestens im Sommer nehmen muss. Trainer kamen und gingen mit unterschiedlichen Spielideen. Spieler kamen und gingen mit verschiedenen Qualitäten.
Auch Führungspersonal kam und ging mit eigenen Ansätzen. Doch eines fehlt diesem Klub besonders: Eine klare Identität.
Was soll der FC Bayern darstellen und für welche Art von Fußball soll er stehen? Eine Frage, die nun Max Eberl und Christoph Freund federführend beantworten müssen. Sie sind die Gesichter der sportlichen Gegenwart und Zukunft des Rekordmeisters.
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Auf dem Zettel der beiden soll laut dem "kicker" unter anderem Roger Schmidt als kommender Trainer stehen. Der 56-Jährige schreibt seit einigen Jahren eine Erfolgsgeschichte mit Benfica – und hat so wie Freund und Eberl einen spannenden Hintergrund.
Roger Schmidt könnte die Red-Bull-Linie komplettieren
Als Freund im Herbst des vergangenen Jahres in München als Sportdirektor übernahm, installierte er gleich neues Personal. Richard Kitzbichler wurde für die "Toptalenteentwicklung und Leihspielerbetreuung" verantwortlich gemacht. Kitzbichler arbeitete zwischen 2009 und 2017 in Salzburg als Assistent und Video-Analyst unter verschiedenen Trainern – darunter auch Schmidt.
Dieser nahm ihn schließlich auch in China in sein Trainerteam auf. Nach einer Stelle als Co-Trainer von Ralph Hasenhüttl in der Premier League bei Southampton ging es für Kitzbichler nun also zu den Bayern. Ein Red-Bull-Import von Freund, der den Campus auf Vordermann bringen möchte. Ebenso wie Rene Maric, dessen Geschichte in Deutschland bekannter ist.
Maric kam zunächst als Verantwortlicher für "Trainerentwicklung und Spielphilosophie" an den Campus, übernahm kürzlich die U19 des FC Bayern als Trainer. Wenngleich Eberl nicht lange in Leipzig gearbeitet hat, so kommt auch er mehr oder weniger direkt von Red Bull an die Isar.
Schmidt könnte die jüngst aufgebaute Red-Bull-Linie komplettieren. Der ehemalige Trainer von Bayer Leverkusen arbeitete zwischen 2012 und 2014 bei RB Salzburg. Eine Zeit, in der er seine Philosophie als Trainer richtungsweisend weiterentwickelte. Das Netzwerk, das sich der österreichische Konzern im Fußball aufgebaut hat, ist riesig. Und nun scheint sich der FC Bayern daran zu bedienen – unabhängig davon, wie realistisch die Personalie Schmidt als zukünftiger Trainer ist.
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FC Bayern: Schmidt als Puzzleteil einer neuen Philosophie?
Wenn Red Bull mit Salzburg und Leipzig in Europa eines geschafft hat, dann ist es die Entwicklung junger Spieler, die für vergleichsweise wenig Geld kamen und sich dann zu hochkarätigen Leistungsträgern entwickelt haben, die Geld in die Kassen spülten. Noch unter Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn betonten die Bayern immer häufiger, dass sie finanziell mit den Riesen Europas nicht werden mithalten können. Umso wichtiger wären Variablen wie Scouting und Campus.
Schmidt wäre ein Trainer, der gut darin ist, junge Spieler weiterzuentwickeln. Das hat er nicht nur in Salzburg hervorragend getan, sondern auch in Paderborn, Leverkusen oder jetzt bei Benfica. Er ist zweifellos jemand, der den Nachteil seines Teams im Marktwert im Vergleich zur Konkurrenz verschwinden lassen kann.
In Portugal wurde er 2023 Meister und Supercupsieger, beeindruckte mit seiner Mannschaft in der Champions League und hatte entscheidenden Anteil an der Entwicklung von Spielern wie Enzo Fernandez oder Goncalo Ramos, die viel Geld eingebracht haben oder einbringen werden.
Roger Schmidt: Hansi Flick 2.0?
Erfolgreich war Schmidt bei all seinen Stationen vor allem mit typischem Red-Bull-Fußball. Laufstark, athletisch, offensiv, aggressiv – das sind Kennzeichen seiner Philosophie. Mit Schmidt würde der FC Bayern zurückkehren zum Fußball, wie er unter Julian Nagelsmann, vor allem aber unter Hansi Flick gespielt wurde: Hohes Pressing, viel Risiko im Spiel mit dem Ball und ein großer Fokus auf das Gegenpressing bei Ballverlusten.
In Leverkusen wurde Schmidt einst für seinen erfrischenden Ansatz im Pressing gefeiert, später dann kritisiert. Solange der intensive und risikoreiche Stil in der Arbeit gegen den Ball funktionierte, war es spektakulär. Kamen seine Spieler den entscheidenden Schritt zu spät, hagelte es Kritik für die Konteranfälligkeit.
Schmidt hat sich seitdem weiterentwickelt und an seiner Philosophie gefeilt. Taktisch agiert sein Benfica sehr clever, weiß sich in den richtigen Momenten eines Spiels auch mal zurückzuziehen und kann auch aus eigenem Ballbesitz heraus Gefahr entwickeln.
Diese Vielseitigkeit gepaart mit enorm viel Erfahrung macht Schmidt für die Bayern so interessant. Er wäre zweifellos eine andere Art Trainer als Xabi Alonso, der aktuell ganz oben auf dem Wunschzettel des FCB stehen soll, aber vielleicht sogar einer, der zur Entwicklung der letzten Jahre passen könnte.
Der Kader des FC Bayern entspricht in wesentlichen Bereichen schon länger nicht mehr den Ansprüchen, die Trainer wie Pep Guardiola an ihre Spieler stellen, um dominanten Ballbesitzfußball verwirklichen zu können. Käme Alonso, würde der nicht nur eine hohe Ablösesumme kosten, sondern es müssten zahlreiche Spieler hinterfragt werden: Passen sie noch zu den Zielen?
Man müsste hier wohl großflächig für Veränderungen sorgen. Auf einem Niveau, das Unmengen an Geld binden würde. Nicht wenige sagen derzeit: Genau das ist notwendig.
Was will der FC Bayern überhaupt?
Mit jemandem wie Schmidt könnte der Kader aber womöglich wieder in ganz anderem Licht erscheinen und man müsste eventuell nur kleinere Anpassungen vornehmen. Sein auf Athletik und Gegenpressing ausgelegter Stil passt gut zu Spielern, die aktuell in der Kritik stehen.
Das Risiko bestünde mit Schmidt eher darin, dass man sich als FC Bayern zu sehr mit dem Gedanken verrennt, das Konzept Red Bull kopieren oder mindestens adaptieren zu können. Die Herausforderungen des FC Bayern unterscheiden sich doch sehr deutlich von denen der Leipziger oder Salzburger. So wichtig es für den Rekordmeister sein wird, dass Spieler vom Campus den Sprung nach oben schaffen, so sehr ist ein anderes Niveau notwendig, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Eberl selbst kündigte an, dass man neben allen anderen Aspekten auch weiter Stars an den FCB binden möchte.
Schmidt mag es bisher zuverlässig geschafft haben, aus wenig viel zu machen, doch es ist etwas anderes, aus viel noch mehr zu machen. Ein Schritt, der Red Bull mit Leipzig und Salzburg bisher nicht gelungen ist. Auch weil die Philosophie an ihre Grenzen gekommen ist.
In München werden Eberl und Freund nun definieren müssen, inwiefern sich ihre Idee von dem unterscheidet, was sie in Leipzig und Salzburg zuletzt kennengelernt oder selbst geprägt haben. Und ob sie den FC Bayern wie unter Flick und Nagelsmann fußballerisch wieder mehr in die Red-Bull-Richtung bringen wollen, oder eher einen dominanten Ansatz anstreben, wie er seit 2016 nicht mehr gespielt wurde.
Haben sie das getan, ist eine Entscheidung für oder gegen Schmidt sehr einfach. Denn Letzteres wird er trotz hervorragender Leistungen und einer starken persönlichen Weiterentwicklung sehr wahrscheinlich nicht liefern können.