2015 noch in der Regionalliga aussortiert
Kevin Behrens von Union Berlin: Von der Regionalliga in die Champions League
- Aktualisiert: 22.08.2023
- 16:32 Uhr
- Kai Esser
Kevin Behrens von Union Berlin ist ein Phänomen. Nicht nur, weil er ein herausragender Stürmer (geworden) ist. Der Weg, der ihn dort hinbrachte, ist so bemerkenswert wie märchenhaft.
Von Kai Esser
Die 70. Spielminute im Stadion An der Alten Försterei läuft. Zum dritten Mal trägt sich Kevin Behrens beim Auftaktspiel des 1. FC Union Berlin gegen den 1. FSV Mainz 05 in die Torschützenliste ein. Zum dritten Mal antwortet das Stadion "Behrens, Fußballgott" auf den Zuruf des Stadionsprechers Christian Arbeit.
Freilich, wer schon einmal an der Wuhlheide in Berlin war, der weiß, dass jeder Spieler, der für Union aufläuft, als "Fußballgott" betitelt wird. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass es bei Behrens tatsächlich so gemeint ist.
Kevin Behrens von Union Berlin: Der etwas andere Fußballprofi
Denn "Behre", wie er liebevoll in Köpenick genannt wird, verkörpert so ein bisschen das, was der ganze Verein Union Berlin verkörpert. Er ist vielleicht nicht der talentierteste Stürmer und schon gar nicht der schillerndste. Aber in puncto Einsatzbereitschaft und Willen macht ihm kaum einer was vor. "Es nervt ihn, wenn er im Training am Tor vorbeischießt", gibt Trainer Urs Fischer zu Protokoll. Zeugnis von Behrens' Ehrgeiz.
Wenn in Fußball-Talkrunden mit Alkohol-Ausschank an ausgediente Ex-Profis festgestellt wird, dass der Bundesliga "echte Typen fehlen" würden, dann muss man eigentlich nur auf die Nummer 17 von Union schauen. Behrens ist zudem der erste Bundesliga-Spieler seit Beginn der detaillierten Datenerfassung (in der Saison 1998/99) dem drei Kopfballtore in einem Spiel gelangen, den bis Sonntag letzten Kopfball-Hattrick erzielte Markus Schroth für den Karlsruher SC im Jahr 1997.
Logisch, der gebürtige Bremer gibt nicht oft Interviews und fällt dementsprechend nicht oft auf, aber ein Unikat der Liga ist er dennoch. Nach seinem Dreierpack gegen Mainz fuhr er nicht etwa mit einem Sportwagen vom Hof, sondern mit seinem Fahrrad.
Externer Inhalt
Es ist beinahe schade, dass der Angreifer dieses Foto seines Klubs nicht in seiner Timeline haben wird - denn Behrens ist weder auf Twitter noch auf Instagram aktiv. "Ich brauche kein Social Media", sagte Behrens einst auf dem vereinseigenen Kanal. "Ich muss kein Bild posten für andere Leute. Das mache ich für mich und meine Familie." Der Angreifer nimmt sich selbst nicht zu ernst, das zeigt nicht nur seine Fahrrad-Spritztour, sondern auch sein ironischer Winker im Stile der verstorbenen Queen, den er als Torjubel verwendet.
Externer Inhalt
Kevin Behrens: From Zero to Hero to Zero in der 4. Liga
Bescheidenheit und Demut hat der heute 32-Jährige wahrscheinlich auf den verschiedenen Stationen seiner Karriere gelernt, die meist unterklassig waren.
In den Jugendmannschaften von Werder Bremen wurde er aussortiert. Nicht einmal für Bremen II reichte es, Behrens wurde nach der U19 gar in die dritte Mannschaft versetzt. Über den Umweg Wilhelmshaven schloss er sich der U23 von Hannover 96 an, doch auch dort war schnell Schluss.
Das Wichtigste in Kürze
"Zu der Zeit habe ich mich extrem unter Druck gesetzt", erklärt der Stürmer. "Damit bin ich aber nicht weitergekommen und habe es etwas gelassener genommen." Mit der nötigen Gelassenheit machte er 2015 erstmals bundesweit auf sich aufmerksam. Mit Alemannia Aachen stellte er in der Regionalliga-Partie gegen Rot-Weiss Essen den bis heute währenden Zuschauer-Rekord der 4. Liga von 30.313 auf. Das Spiel wurde im Ersten übertragen, Millionen Zuschauende waren dabei. Den 1:0-Siegtreffer am ausverkauften Tivoli besorgte - na klar - Kevin Behrens mit - na klar - dem Kopf.
Als der Knoten zu platzen schien, gab es jedoch wieder einen Rückschlag. Nach einem Jahr in Aachen schloss er sich RWE an und flog dort nach nicht einmal einem halben Jahr aus dem Kader. Nicht etwa, weil man ihm das Gegentor im Rekordspiel übel nahm, sondern wegen interner Querelen.
Kevin Behrens wird zum "Hardtwald-Ronaldo"
Abnehmer war der 1. FC Saarbrücken, wo Behrens' Stern endgültig aufging. 72 Scorerpunkte in drei Jahren und 81 Spielen waren so beeindruckend, dass er gleich die 3. Liga übersprang und zum SV Sandhausen in die 2. Liga wechselte.
Nachdem er in seiner ersten Saison dort noch Eingewöhnungszeit brauchte, fand er ab der Saison 2019/20 so richtig in die Spur. Die wenigen aber dafür leidenschaftlichen Fans des SV Sandhausen tauften den Norddeutschen daraufhin liebevoll "Hardtwald-Ronaldo".
"Ich weiß nicht genau, woher der Name kommt", lachte der Träger des Spitznamens. "Wahrscheinlich, weil ich ein paar Mal wie Ronaldo gejubelt habe."
Doch nicht nur sein Jubel, auch seine Quote an Torbeteiligungen konnte sich mit der von "CR7" messen. 2019 bis 2021 gelangen ihm in 64 Zweitligaspielen 27 Tore und acht Assists für den SVS. Eine Quote, die den 1. FC Union Berlin auf den Angreifer aufmerksam machte. 2021 wechselte er schlussendlich zu seinem heutigen Klub.
Kevin Behrens mit Union Berlin in der Champions League: Wunschgegner? "Real Madrid"
Nachdem Behrens für Union seinen Anteil lieferte, sich 2022 erst für die Europa League und ein Jahr später für die Champions League zu qualifizieren, könnte man sich doch höhere Ziele setzen, oder? "Nee, wir bleiben bei den Zielen, die wir uns gesteckt haben. Wir haben jetzt nur den ersten Schritt gemacht", grinste Behrens nach dem 4:1 gegen Mainz.
Einen kleinen Wunsch für die Königsklasse hat der Stürmer dann doch noch. "Real Madrid", verkündete er nüchtern. "Das ist mein Traumlos, da würde ich gerne spielen."
Käme es dazu, wäre es die Rückkehr eines Ronaldos ins Santiago Bernabeu. Nicht etwa von "CR7", sondern die des "Hardtwald-Ronaldo". Eine Frage der Zeit eigentlich nur, bis er in "Wuhlheide-Ronaldo" umgetauft wird. Die Twitter-Biographie des offiziellen Kanals von Union Berlin wurde bereits umgetextet in "Verein von Kevin Behrens".
Den Ball, den Behrens nach dem Dreierpack gegen Mainz behalten durfte, bekam übrigens sein Sohn. Etwas, das perfekt den Familienmenschen und Torjäger Kevin Behrens beschreibt.
Die Pille seines nächsten Dreierpacks kann er dann vielleicht auch behalten - und auf dem Gepäckträger seines Fahrrads nach Hause fahren.