Verwirrung um nicht gegebenen Elfmeter
Handspiel bei VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt: Wann ist Hand wirklich Hand?
- Aktualisiert: 04.05.2023
- 15:31 Uhr
- ran.de
Beim Pokal-Halbfinale zwischen dem VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt wird erneut über die Handspiel-Regel diskutiert. Doch wann ist Handspiel überhaupt strafbar? Und gibt es eine klare Grenze? ran versucht, Licht ins Dunkel zu bringen.
Von Kai Esser
Die Diskussion darüber ist beinahe so alt, wie die Regel an sich: Das Handspiel.
Eigentlich ist doch alles logisch: Beim Fußball darf man, wie es der Name verrät, den Ball nicht mit der Hand spielen. Denn sonst wäre es schließlich Handball, oder? Das Thema ist jedoch weitaus komplizierter.
Dabei liegt es nicht einmal an den Diskussionsteilnehmern, denen das Wissen über die Regel fehlt, jene Regel provoziert es fast schon, dass man über sie streitet. Doch was sagt die Regel überhaupt? ran versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Im Vordergrund: Absicht und Haltung
Es ist das logischste und gleichzeitig einfachste Kriterium bei der Frage, ob ein Handspiel strafbar ist. Die Absicht. "Das muss immer die erste Frage sein", sagte DFB-Lehrwart Lutz Wagner im Podcast "Mensch, Schiri".
Das weiß schon jedes Kind. Wer mit der klaren Intention zum Ball geht, ihn mit der Hand oder dem Arm berühren zu wollen, muss mit Sanktionen rechnen.
"Dann gibt es aber noch ein zweites Kriterium", fügt Wagner an. "Das ist die unnatürliche Vergrößerung der Abwehrfläche." Und hier wird es schon etwas verzwickter. "Nicht zu verwechseln mit der Körperfläche. Wenn ich jetzt 15 Kilo zunehme, mache ich mich nicht anfälliger für ein strafbares Handspiel", erklärt der 59-Jährige.
Wichtig wird es im zweiten Abschnitt der Regel: "Bei der Vergrößerung muss der wichtige Zusatz beachtet werden: Es muss die Intention klar ersichtlich sein, den Ball aufhalten zu wollen."
Ein Paradebeispiel lieferte Dan-Axel Zagadou vom VfB Stuttgart beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. Den Abschluss von Ko Itakura blockte er mit abgespreizten Armen, weit weg vom Körper. Oder auch Jamal Musiala im DFB-Pokal-Spiel gegen den SC Freiburg. Bei beiden Szenen ist die Sachlage klar: Strafbares Handspiel.
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Handspielregel: Der ominöse Graubereich
"Wenn ich also diese beiden Kriterien habe, dann habe ich schon mal 98 Prozent der Streitfälle erschlagen", so Wagner weiter.
Und was ist mit den anderen zwei Prozent? Hier ist der Ermessensspielraum des Schiedsrichters gefragt. Schließlich kann man einen Spieler nicht nach Absicht befragen, jeder Akteur würde mit dem Ergebnis im Hinterkopf natürlich jedwede Absicht abstreiten.
Diese Absicht, oder eben auch nicht Absicht, gilt es eigens zu bewerten. Schiedsrichter sind schließlich immer noch Menschen, die subjektiv Dinge einschätzen. Bei jenem Graubereich soll auch der Video Assistant Referee nicht eingreifen.
Fall Buta erntet Lob und Verständnis der Beteiligten
Warum tat er es beim Handspiel von Aurelio Buta im Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt dennoch? "Ich habe aufgrund der Tragweite der Entscheidung gemeinsam mit dem Videoassistenten entschieden, dass ich mir die Szene noch mal anschaue aus unterschiedlichen Perspektiven" erklärte Daniel Schlager, Referee der aufgeheizten Partie.
Jene Tragweite ist schnell erklärt: Halbfinale des DFB-Pokals, Nachspielzeit, Spielstand 2:3. Ein Fehler kann fatal sein, wie er am Freitag vorher beim Spiel VfL Bochum gegen Borussia Dortmund mutmaßlich fatal war. Schlager blieb bei seiner Entscheidung. Nimmt man die oben stehenden Kriterien zu Rate, dann auch zurecht.
Für sein entschlossenes Auftreten und Gespür für die Situation erhielt Schlager viel Lob. "Genau so gehört es sich, dass der Schiedsrichter noch mal rausgeht bei so einer Entscheidung. Das hat er großartig gemacht. Die Abfolge, so wie sie heute passiert ist, hat gestimmt und wenn der Schiedsrichter die Entscheidung trifft, dann akzeptieren wir sie auch alle", sagte Frankfurts Trainer Oliver Glasner.
Aus Sicht des Gewinners ist das leicht gesagt, doch auch die VfB-Seite zeigte sich einsichtig. "Wenn ich die Bilder sehe, dann kann man Hand geben, man kann sich aber auch dagegen entscheiden", sagte Geschäftsführer Fabian Wohlgemuth.
Warum sind Schiedsrichter doch verunsichert? Verbände geben unterschiedliche Linien vor
Doch warum nicht immer so, fragt man sich zwangsläufig. Das können nicht nur die zwei Prozent Grauzone sein.
Tatsächlich geben die Verbände beim Thema Handspiel unterschiedliche Ausrichtungen vor. Bestes Beispiel ist der Elfmeter, den Marius Wolf im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals beim FC Chelsea verursachte. Es ist keine Absicht zu erkennen, jedoch wohl eine Verbreiterung der Körperfläche.
"Auf UEFA-Ebene wäre das gepfiffen worden", sagte "Sky"-Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld beim Spiel Arsenal gegen Chelsea am Dienstag bei einer strittigen Handspiel-Szene im Strafraum der Blues.
Tatsächlich hat der europäische Verband andere Vorgaben zum strafbaren Handspiel als die nationalen Verbände. Steht ein Arm, wie im Fall Wolf etwas vom Körper ab, soll es bestraft werden. Wer kann da den Schiedsrichtern verdenken, ab und zu Fehler zu begehen?
Am Ende wird es, solange nicht jede Berührung des Arms mit dem Ball strafbar ist, immer Diskussionen geben.
Denn diese Diskussion ist fast schon so alt, wie die Regel selbst.