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Fußball

Frauen-EM - Urs Meier exklusiv über Rote Karte gegen Kathy Hendrich: "Es handelt sich um übermäßige Gewaltanwendung"

  • Veröffentlicht: 20.07.2025
  • 17:36 Uhr
  • Chris Lugert

Im EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich sah Kathrin Hendrich früh die Rote Karte. Wäre womöglich auch Gelb vertretbar gewesen? Der frühere Weltklasse-Schiedsrichter Urs Meier bewertet die Szene gegenüber ran.

Von Chris Lugert

Es war der frühe Schock für die deutschen Frauen im EM-Viertelfinale gegen Frankreich. Kathrin Hendrich zog ihre Gegenspielerin an den Haaren und sah nach Intervention des Videoassistenten und Ansicht der Bilder die Rote Karte.

Bereits ab der 13. Minute musste die deutsche Mannschaft in Unterzahl agieren, erkämpfte sich aber das Elfmeterschießen und zog schließlich dank einer überragenden Torhüterin Ann-Katrin Berger ins Halbfinale ein.

Doch war die Rote Karte für Hendrich gerade zu diesem frühen Zeitpunkt des Spiels wirklich nötig? Und welches Vergehen laut Regelwerk lag überhaupt vor? Im exklusiven Interview mit ran ordnet der frühere FIFA-Schiedsrichter Urs Meier die Szene ein.

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ran: Herr Meier, Kathrin Hendrich sah die Rote Karte wegen Haareziehens. Welches konkrete Vergehen laut Regelwerk liegt hier vor?

Meier: Die übermäßige Anwendung von Gewalt. Man kann es nicht als normales Halten oder Trikotziehen bewerten, sondern es passiert direkt am Kopf. Bei den Männern könnte das ja auch passieren. Ich sehe es auch als übermäßig und als rotwürdig. Im Regelwerk ist es nicht explizit erwähnt, aber ich würde allen zustimmen, die sagen, es handelt sich um übermäßige Gewaltanwendung.

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Meier über Rot gegen Hendrich: "Gelb wäre hier falsch gewesen"

ran: Im Finale der Klub-WM gab es ja eine ähnliche Szene, als der Pariser Spieler Joao Neves in der Schlussphase Chelsea-Profi Marc Cucurella ebenfalls an den Haaren gezogen hat. Auch hier gab es die Rote Karte.

Meier: Wenn die Schiedsrichter in diesem Bereich eine einheitliche Linie fahren, finde ich das gut. Und auch bei allem, was ich bisher gelesen habe, ist es so, dass auch die Spielerinnen und Spieler es gut finden, dass man Rot gibt. Das sollte man auch nicht aufweichen. Wenn jemand einem anderen an den Haaren zieht, ist das übermäßig. Das kann auch eine Tätlichkeit sein, wenn man es ganz bewusst macht. In diesem Fall aber würde ich sagen, ist es keine Tätlichkeit, sondern einfach dieses übermäßig harte Einsteigen oder Verhalten.

ran: Der Platzverweis wurde ja recht früh im Spiel nach nur 13 Minuten ausgesprochen. Hätte man hier nicht auch Fingerspitzengefühl zeigen und es zunächst bei Gelb belassen können?

Meier: Fingerspitzengefühl ist etwas ganz anderes. Das hier war ein Vergehen, ein Vergehen wird angeschaut, ob es die erste Minute ist oder die letzte. An den Haaren ziehen sollte einfach immer Rot geben. Wenn die Schiedsrichter das so konsequent durchziehen, ist das wunderbar. Und es wird auch von allen Seiten geschützt. Fingerspitzengefühl ist hingegen etwas ganz anderes und kann nie etwas sein, das spielentscheidend ist. In diesem Fall wäre es einfach falsch gewesen, wenn man nur Gelb gegeben hätte. Es war absolut richtig von der Schiedsrichterin, dass sie hier Rot gibt.

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ran: Nun kann es ja auch dazu kommen, dass einem Spieler oder einer Spielerin aus Versehen an den Haaren gezogen wird, beispielsweise beim Versuch eines Trikotziehens, um ein taktisches Foul zu begehen. Wäre in diesem Fall eine Gelbe Karte möglich?

Meier: Das würde ich auch mit Rot bestrafen. Gerade bei den Frauen ist das Risiko viel größer durch die langen Pferdeschwänze, die es teilweise gibt. Wenn sie nicht an das Trikot kommen, sondern die Haare greifen, dann ändert es sich in diesem Bereich einfach von Gelb zu Rot.

Meier lobt Schiedsrichterinnen bei der EM

ran: Durch den Elfmeter für Frankreich wurde das deutsche Team mit dem Platzverweis doppelt bestraft. Warum ist diese Doppelbestrafung hier trotzdem zulässig?

Meier: Es geht ja nicht um ein Foulspiel mit dem Fuß oder um eine mögliche Verhinderung einer klaren Torchance. Hier ist eine direkte Rote Karte allein aufgrund des Vergehens an sich unumgänglich. Der Elfmeter kommt einfach noch obendrauf.

ran: Haben Sie in Ihrer Karriere selbst einmal solch eine Situation erlebt, dass einem Spieler in die Haare gegriffen wird?

Meier: Nein, solch eine Situation habe ich tatsächlich nie gehabt.

ran: Wie schätzen Sie die Leistungen der Schiedsrichterinnen bei diesem Turnier bislang generell ein?

Meier: Wir haben beides gehabt. Es gab sehr gute Leistungen, bei denen man sieht, dass die Schiedsrichterinnen auch in den Männer-Ligen in den nationalen Meisterschaften eingesetzt werden. Da merkt man einfach, dass sie besondere Routine haben. Aber es gibt auch Schiedsrichterinnen, die noch Mängel haben. Von sehr guten Leistungen bis nicht so gute Leistungen haben wir alles gesehen. Aber das Gesamtniveau ist sicherlich gut bis sehr gut.

ran: Kann man also auch eine gewisse Entwicklung der Schiedsrichterinnen über die vergangenen Turniere erkennen?

Meier: Ja, natürlich. Wie bei den Fußballerinnen, so gibt es auch bei den Schiedsrichterinnen eine Entwicklung. Ich hoffe natürlich, dass die Frauen-EM auch einen gewissen Auftrieb verleiht, damit sich wieder mehr Frauen melden, um Schiedsrichterin zu werden. Umso mehr Quantität wir haben, desto mehr Qualität können wir auch produzieren. Das wünschen sich alle Verbände. Wir haben prozentual leider immer noch zu wenige Schiedsrichterinnen im Vergleich zu den Männern.

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