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Fußball

Frauen-EM weckt Begeisterung und setzt Maßstäbe: Jetzt muss der DFB liefern - ein Kommentar

  • Veröffentlicht: 28.07.2025
  • 14:24 Uhr
  • Chris Lugert

Die Frauen-EM 2025 stellte für den gesamten weiblichen Fußball einen Quantensprung dar, die Spiele des DFB-Teams waren Straßenfeger. Nun aber muss das Momentum für langfristige Entwicklung genutzt werden. Ein Kommentar.

Von Chris Lugert

Die Lobeshymnen nach Abschluss der Fußball-EM der Frauen kannten keine Grenzen. "Wir sollten der Schweiz und der UEFA gratulieren, das beste Turnier aller Zeiten ausgerichtet zu haben", sagte etwa Norwegens Verbandschefin Lise Klaveness.

Und tatsächlich sorgte die EM in der Schweiz für neue Maßstäbe. Insgesamt verfolgten mehr als 657.000 Menschen die Spiele vor Ort in den Stadien, fast alle Partien waren ausverkauft. Die Stimmung war entsprechend phänomenal.

Mit 106 Toren durften die Fans so viele Treffer wie nie zuvor bei einer Frauen-EM bejubeln - und das, obwohl die Diskrepanz in den Leistungen immer weiter zurückgeht, die Dichte an Qualität und damit die Ausgeglichenheit zunimmt.

Die noch vor Jahren üblichen Kantersiege von Favoritinnen gegen überforderte Exotinnen blieben - von wenigen Ausnahmen abgesehen - aus. In fünf der sieben K.-o.-Spiele standen die Siegerinnen nicht nach 90 Minuten fest.

Doch vor allem das drumherum war es, das diese EM zu einem historischen Wendepunkt werden lassen könnte. Die Spielerinnen genossen überaus professionelle Bedingungen, und auch die TV-Quoten waren herausragend. Das deutsche Halbfinale gegen Spanien verfolgten hierzulande mehr als 14 Millionen Menschen allein in der "ARD".

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Frauen-EM als Vorbild für die Fußballwelt

Vor allem außerhalb Europas wurde deutlich, dass der Fußball der Frauen auf dem alten Kontinent einen Quantensprung hingelegt hat. Bei den nahezu parallel stattfindenden Wettbewerben in Südamerika und Afrika blickte man neidisch auf die EM.

Bei der Copa America Femenina etwa kam es vor dem Spiel zwischen Brasilien und Bolivien zu einem Eklat, als der Verband das obligatorische Aufwärmen auf dem Rasen wegen einer möglichen Überlastung des Platzes untersagte. Stattdessen mussten sich die Spielerinnen im Innenraum auf mehr als beengten Platzverhältnissen vorbereiten.

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Brasiliens Kapitänin Kerolin war danach verständlicherweise stocksauer. "Die ganze Welt entwickelt sich weiter und hier interessiert es niemanden. Das ist unmöglich", sagte sie.

Und nahm ganz konkret die EM als Gegenbeispiel, wie es funktionieren sollte. "Ich habe mir heute die EM angesehen. Die Unterschiede bei Organisation, Zuschauern und Investitionen sind surreal", staunte sie.

Mehr als 40 Millionen Euro schüttete die UEFA bei der EM an Preisgeldern aus - obwohl sie wusste, dass sich das wohl nicht rechnen wird. Vor Turnierstart kalkulierte der Verband mit einem Nettoverlust in Höhe von 20 bis 25 Millionen Euro, nahm diesen aber ganz bewusst als Teil der Strategie in Kauf, den Frauenfußball voranzubringen.

Bis ins Jahr 2030 investiert die UEFA eine Milliarde Euro in den Frauenfußball, um die Bedingungen voranzubringen und die Professionalität zu steigern. In fünf Jahren soll es sechs reine Profiligen in Europa geben, in denen 5.000 Profispielerinnen tätig sein sollen. Zudem soll Fußball die Sportart Nummer eins bei Mädchen und Frauen werden.

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DFB muss EM-Hype für Reformen nutzen

Hier ist auch der DFB gefragt, eine Vision auf nationaler Ebene zu entwickeln, um dem Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Von einer reinen Profiliga ist die Bundesliga noch weit entfernt, nach wie vor können nicht alle Spielerinnen von ihrer Tätigkeit auf dem Platz leben.

Zwar ist die Entwicklung generell positiv, doch die anderen Länder drohen, der deutschen Liga davonzurennen. Die englische Super League agiert bereits auf einem ganz anderen Niveau, auch die spanische Liga macht rasante Schritte. Dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern fällt es immer schwerer, Topspielerinnen zu verpflichten und zu halten.

Die UEFA Women's Champions League und auch der Vorgängerwettbewerb UEFA Women's Cup waren jahrelang fest in deutscher Hand, Gleiches galt für die Nationalmannschaften. 2003 und 2007 wurde Deutschland Weltmeister, zwischen 1995 und 2013 immer Europameister.

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Doch das ist vorbei. Seit jenem EM-Titel 2013 gab es keinen großen Titel für das DFB-Team mehr, der letzte deutsche Champions-League-Sieg liegt zehn Jahre zurück. Der DFB kann sich nicht länger auf längst vergangene Erfolge berufen oder von deren Strahlkraft zehren. Er muss jetzt zeigen, was ihm der Frauenfußball wirklich wert ist, um mit der Entwicklung mitzuhalten.

Dabei geht es nicht um populistische Forderungen wie "Equal Pay". Sondern um die Schaffung von Rahmenbedingungen, die es den Klubs erlauben, zu wachsen. Es braucht mehr Spielerinnen und Schiedsrichterinnen, bessere Nachwuchsförderung, stärkere Vermarktung. Und ein Ziel, am besten in konkreten Zahlen. Worte allein reichen nicht, das Momentum muss ergriffen werden.

Womöglich nimmt der Handlungsdruck ab Dezember noch einmal zu. Dann entscheidet die UEFA, wo die EM 2029 stattfinden wird. Deutschland ist einer von aktuell fünf Bewerbern. Womöglich wäre der Zuschlag für manch verkrustete Struktur genau das richtige Heilmittel.

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