American Football
NFL: Die Minnesota Vikings erleben einen selbstverschuldeten Absturz - ein Kommentar
- Veröffentlicht: 01.12.2025
- 12:59 Uhr
- Chris Lugert
Noch vor einem Jahr waren die Minnesota Vikings eines der besten Teams der NFL, jetzt steht das Team vor einem Scherbenhaufen. Die Probleme sind dabei hausgemacht - und es könnte noch schlimmer kommen. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Man wird es wohl nie erfahren, welche Worte in diesem Moment ausgetauscht wurden. An Spekulationen mangelte es aber nicht.
Nach der 0:26-Demütigung der Minnesota Vikings durch die Seattle Seahawks in Week 13 der NFL gab es noch auf dem Feld einen kurzen Moment zwischen Sam Darnold und Justin Jefferson. War es nur ein kurzes Begrüßen alter Teamkollegen? Oder drückte der Star-Receiver der Vikings sein tiefes Bedauern aus, dass beide nicht mehr gemeinsam in einem Team spielen?
Vielleicht sogar ein Gefühl der Sehnsucht?
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Auch Fans der Vikings dürfte dieses Bild durchaus Kummer bereitet haben. Denn es ist noch kein Jahr her, da zauberten Darnold und Jefferson Woche für Woche gemeinsam ein Offensivfeuerwerk ab. Minnesota war eines der besten Teams der Liga, am Ende der Regular Season stand eine 14-3-Bilanz.
Die Harmonie zwischen Darnold und Jefferson stimmte. Der Receiver beendete die reguläre Saison mit 1.533 Receiving Yards, zehn Touchdowns und der Auszeichnung als First-team All-Pro. Ein Jahr später wirken diese Zeiten wie aus einer anderen Epoche.
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Wenn Jefferson aktuell in Erscheinung tritt, dann vor allem mit Bildern, die maximalen Frust ausdrücken. So auch gegen Seattle, als er in Gedanken verloren an der Seitenlinie sitzt - nicht zum ersten Mal in dieser Saison.
Vikings gingen volles Risiko mit McCarthy
Dass die Vikings mit ihrem Nummer-drei-Quarterback gegen eine Top-Defense der NFL nicht viel holen würden, war abzusehen und keine große Überraschung. Doch der Auftritt von Max Brosmer war derart verheerend, dass er die Situation und Leiden in Minnesota auf einen Schlag mit 100 potenzierte.
Nur vier Siege stehen in zwölf Spielen zu Buche, die Playoffs sind nicht einmal mehr mit dem Fernglas zu sehen. Nur 18,4 Punkte bringen die Vikings im Schnitt pro Spiel zustande - lediglich die Browns, Saints, Raiders und Titans sind noch schlechter. Selbst die Jets punkten besser.
Der auffälligste Grund: die Quarterback-Situation. Die Vikings entschieden sich nach einem enttäuschenden Saisonfinale samt frühem Playoff-Aus in der vergangenen Offseason dafür, Darnold nicht weiterzubeschäftigen und alles auf die Karte J.J. McCarthy zu setzen. Als kostengünstiger Veteran-Backup kam Carson Wentz.
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Und das, obwohl McCarthy noch keinen einzigen NFL-Snap gespielt hatte, nachdem er seine Rookie-Saison verletzungsbedingt komplett verpasst hatte. Es war ein Risiko, das die Vikings bewusst eingingen. Offensichtlich in der Annahme, Head Coach Kevin O'Connell würde McCarthy schon weiterentwickeln.
Inzwischen muss dieser Plan als gescheitert betrachtet werden. McCarthy verpasste auch in seiner zweiten Saison mehrere Spiele, zeigte aber in seinen Auftritten wenig bis keine Weiterentwicklung. Er ist zu langsam in seinen Abläufen, seine Würfe sind viel zu unpräzise. Darüber können auch vereinzelte Highlight-Plays nicht hinwegtäuschen.
Falscher Geiz der Vikings bei Sam Darnold
Dass die Vikings zumindest sehen wollten, was ihr erst ein Jahr zuvor gedrafteter Erstrundenpick kann, ist dabei absolut nachvollziehbar. Doch mit Darnold hätten sie eine Absicherung gehabt für genau diesen Fall, der jetzt eingetreten ist. Auch, um McCarthy im Fall der Fälle aus der Schusslinie nehmen zu können.
Ob Wentz diese Rolle hätte ausfüllen können? Schwer zu sagen, denn wie inzwischen bekannt ist, verletzte sich der 32-Jährige bereits in seinem dritten Spiel als McCarthy-Ersatz schwer an die Schulter, spielte danach aber noch zwei weitere Partien unter offenbar heftigen Schmerzen, ehe seine Saison endgültig beendet war. Allerdings liegen Wentz' beste Zeiten in der NFL auch schon lange zurück.
Ohne Zweifel spielt Verletzungspech auf der Quarterback-Position eine wichtige Rolle in der aktuellen Vikings-Situation. Und doch war es eine bewusste Entscheidung, das Geld für Darnold - bei dem man wusste, was man bekommt - zu sparen. Es war Geiz an der falschen Stelle. Und dieser fällt ihnen nun auf die Füße.
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Was aber noch schlimmer ist: Ein Ausweg aus dieser Situation erscheint aktuell kaum vorstellbar. Zwar steuern die Vikings auf einen Top-10-, sicher aber Top-15-Pick im kommenden Draft zu. Doch die Quarterback-Klasse 2026 gilt schon jetzt als nicht sonderlich stark. Ob die Vikings dann noch einen guten Spielmacher finden, ist fraglich.
Und in der Free Agency? Die prominentesten Namen, die auf den Markt kommen, sind Aaron Rodgers und Joe Flacco. Beide sind jenseits der 40 und dürften keine Option sein. Und so erscheint völlig offen, mit welchem Quarterback die Vikings in die Saison 2026 gehen werden und welche Leistungen zu erwarten sind.
Zieht Justin Jefferson die Notbremse?
Das wiederum weiß auch ein Justin Jefferson. Mit seinen 26 Jahren hat er zwar theoretisch noch viele Jahre in der NFL vor sich. Doch lange wird man einem der besten Receiver der NFL eine solche Situation nicht verkaufen können. Sein Frustlevel ist bereits hoch - die Gefahr aus Vikings-Sicht, dass sein Geduldsfaden reißt, ebenso.
Was, wenn Jefferson aufgrund der mangelnden Aussicht auf individuellen und mannschaftlichen Erfolg einen Trade fordert? Dann stünden die Vikings endgültig am Abgrund. Ein solches Szenario wird in den USA immer intensiver diskutiert, von einer Verschwendung der Prime von Jefferson ist die Rede.
Binnen eines Jahres ist aus einem Team mit hohem offensiven Level, einem guten Quarterback-Play und einem glücklichen Superstar-Receiver ein einziger Pflegefall geworden. Ausgang? Offen. Tendenz? Besorgniserregend.