Basketball
Basketball-WM – Erkenntnisse zum DBB-Sieg gegen Slowenien: Eine ganz besondere Freundschaft
- Aktualisiert: 04.09.2023
- 09:05 Uhr
- Ole Frerks
Die deutschen Basketballer ziehen mit einer weißen Weste in das WM-Viertelfinale ein. Jetzt wartet Lettland. Vorher haben wir die Erkenntnisse zum Sieg gegen Slowenien.
Von Ole Frerks
Die deutsche Mannschaft hat die Gruppenphase mit einer perfekten 5-0-Bilanz abgeschlossen. Beim 100:71-Sieg über Slowenien läuft ein Viertel lang gar nichts, dann zeigt die Mannschaft ihr wahres Gesicht. Luft nach oben ist trotz allem immer noch da. Die Erkenntnisse zum Spiel.
Eine ganz besondere Freundschaft
Wir müssen mit Dennis Schröder und Daniel Theis anfangen. Nein, nicht wegen DIESER Auszeit – sondern wegen ihren Leistungen, ab ihrer Wieder-Einwechslung im zweiten Viertel. Seit Jahren ist es bekannt, wie gut die beiden sich kennen, wie gut sie seit Kindheitstagen harmonieren. Aber es gab wahrscheinlich noch nie ein besseres Anschauungsbeispiel auf großer Bühne.
Der wohl beste Pick’n’Roll-Spieler der Welt stand in dieser Partie auf dem Court – aber es war nicht Luka Doncic, der dieses Spiel via Pick’n’Roll an sich riss, zumindest nicht mehr nach dem ersten Viertel. Auf die Gründe dafür werden wir noch eingehen, fokussieren wir uns zunächst aber auf das andere Ende des Courts.
Das Wichtigste in Kürze
Es war Schröder, der diese Partie dominierte. Mit seinem Speed, mit seinen Entscheidungen unter Druck, seinen schnellen Pässen, auch mit seinem Wurf natürlich. 24 Punkte waren es am Ende bei überragender Effizienz (8/11 FG, 4/7 Dreier), 10 Assists bei nur 2 Ballverlusten. Und es war immer wieder das Zusammenspiel mit seinem alten Kumpel, das die Slowenen aus dem Konzept brachte.
Schon in den ersten Spielminuten verzeichnete die Schröder-Theis-Kombination eine der Szenen des Spiels, als der Big einen Lob mit einer Hand fing und durch den Ring drückte. Immer wieder suchte Schröder in den ersten Minuten Theis, dann passierte "etwas", dann war die Offense für mehrere Minuten non-existent, während beide auf der Bank saßen.
Und dann explodierte sie. 27, 30 und 32 Punkte erzielten die Deutschen über die letzten drei Viertel nach mickrigen 11 im ersten. Meisterhaft brachte Schröder die slowenische Defense immer wieder zum Kollabieren, fand die Schwachstelle (oft #77) und nutzte deren Positionierung aus.
Theis hatte die perfekten Laufwege, kam regelmäßig hinter die Defense und bot sich für Lobs oder auch mal kurze Mitteldistanzwürfe an. Bei ihm waren es am Ende 14 Punkte, fünf seiner sieben Field Goals folgten einem Schröder-Assist. Die beiden harmonierten so großartig, dass ihr Austausch aus der "berüchtigten" Auszeit am Ende einen ironischen Beiklang bekam.
"Ich habe, seit du 14 Jahre alt bist, das Beste aus dir herauszukriegen versucht. Mache ich das gerade nicht?", fragte Schröder da Theis – und die Antwort durfte lauten: Ja, machte er, und andersrum ebenfalls. Jeder Roll-Man braucht einen Playmaker, der ihn versteht, jeder Playmaker kann eine dynamische, spielintelligente Anspielstation wie Theis gebrauchen. Dieses Duo maximiert sich gegenseitig.
Schröder und Theis gewannen dieses Spiel nicht alleine, aber ihre initiale Aktion war mehr als einmal der Dosenöffner. Auch als Slowenien es in der zweiten Halbzeit mit einer Zonenverteidigung noch einmal schaffte, den deutschen Fluss etwas zu durchbrechen, gab Schröder seinem Team die Struktur zurück.
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Streiten ist in Ordnung …
Das Spiel stellte außerdem unter Beweis, dass es auch in guten Teams und zwischen guten Freunden durchaus mal krachen kann, ohne dass man deshalb direkt auseinanderbrechen muss. Extreme Anspannung führt auch mal zu extremen Emotionen, wichtiger ist, wie in der Folge auf einen Ausbruch reagiert wird.
In diesem Fall fiel die Reaktion ideal aus und demonstrierte die Geschlossenheit zwischen Schröder und Theis. "Wir haben uns wieder sortiert. Dennis und Daniel hatten eine Meinungsverschiedenheit. Es ist alles gut“, sagte Gordon Herbert nach dem Spiel bei "MagentaSport". Diesen Eindruck vermittelten beide auch bereits vor ihrer Einwechslung im zweiten Viertel auf der Bank.
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"Daniel und ich kennen uns, seit wir Kinder sind. Wenn es etwas gibt, dann spreche ich das an, egal ob er es mag oder nicht. Das Gleiche kann er mit mir machen, aber in dem Moment hat uns das beide ein bisschen gekratzt“, erklärte Schröder. "Jeder kann jeden ansprechen, jeder kann jeden mal anscheißen. Aber wir nehmen nur das Positive mit und ich glaube, das zeichnet uns aus."
Nach außen hin sah diese Auszeit nicht gut aus, wobei dazu erwähnt werden muss, dass genau aus solchen Gründen bei NBA-Spielen immer nur Mini-Ausschnitte von Auszeiten übertragen werden – vergleichbare Auseinandersetzungen sind nicht so selten. Auch Schröders hitzige Reaktion auf Herberts Ansprache war nicht ideal, aber kein Zeichen eines kaputten Verhältnisses oder dergleichen. Eher nachvollziehbar.
Herbert hat ohnehin schon mehrfach gezeigt, dass er Schröder versteht und mit seinem Kapitän umzugehen weiß. Er wolle lieber einen wilden Löwen als ein zahmes Kätzchen im Team haben, im übertragenen Sinn. Und warum auch nicht – so wie das DBB-Team über die letzten drei Viertel aufgetreten ist, spielt kein Team mit unerträglichen atmosphärischen Störungen.
Die Defense überragt
Das gesamte Team machte über die letzten drei Viertel sehr viel richtig, traf insgesamt fast die Hälfte seiner Dreier (15/31) und knackte zum dritten Mal im Turnier die 100-Punkte-Marke, wie erwähnt in einem Spiel, in dem nach zehn Minuten gerade einmal 11 Punkte notiert wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Doncic alleine mehr erzielt und schon frühzeitig gefeiert, unter anderem mit einer "too small"-Geste nach erfolgreichem And-1 über Isaac Bonga.
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Als Team hatte Slowenien 25 Punkte nach dem ersten Viertel, Doncic wirkte zu kräftig und versiert, Deutschland zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch das änderte sich schnell, schon zur Pause hatte Deutschland den 14-Punkte-Rückstand in eine Führung umgemünzt. Nur 9 Punkte machte Slowenien im zweiten Viertel.
Alles begann hier mit der Defense gegen Doncic. Deutschland wollte es dem Superstar nicht (wie Australien) erlauben, alle anderen zu involvieren, und ihn eher "zum Scorer" machen. Das ist leichter gesagt als getan, aber das DBB-Team schaffte es tatsächlich ziemlich gut, Doncic über weite Strecken die Anspielstationen zu nehmen, passenderweise trafen diese auch nicht viel (7/32 Dreier).
Der Schlüssel dabei war, ihm nicht zu oft den gleichen Look zu geben. Bonga war in der Regel das initiale Matchup, aber alles andere veränderte sich – es wurde mal geswitcht (ohne, dass Doncic jedes Matchup "geschenkt" wurde), es wurde mal gedoppelt, aber auch nicht immer zum gleichen Zeitpunkt. Im ersten Viertel kam kein Doppel im Post, in der Folge dann häufiger – Doncic wurde kurz gesagt immer beschäftigt, nach dem ersten Viertel kam er nie wieder in eine Komfortzone.
Dazu trug auch bei, dass er sich – wie am Ende auch einige seiner Mitspieler – viel mit den Schiedsrichtern beschäftigte. Er ließ sich von Moritz Wagner nerven, schimpfte über Flops von Bonga oder vermeintlich ausbleibende Calls. Deutschland hatte am Ende 20 Fastbreak-Punkte, auch deshalb, weil längst nicht immer alle Slowenen konsequent nach hinten rannten.
Es war ein frustrierendes Spiel für den 24-Jährigen. 23 Punkte, 6 Rebounds und 6 Assists klangen nicht schlecht, nach dem ersten Viertel hatte er jedoch immer seltener Paint Touches und verließ sich eher auf Jumper, die nicht fielen (2/11 Dreier). Er wirkte nicht ganz frisch, auch defensiv – der heliozentrische Ansatz der Slowenen kostet natürlich auch Kraft. Aber die Deutschen hatten einen großen Anteil an seinem gebrauchten Tag.
Das Fazit nach der Vorrunde lautet …
… es hätte nicht viel besser laufen können. Deutschland ist neben Litauen das einzige Team, das nach den beiden Gruppenphasen bei 5-0 steht. Knapp war es lediglich ein einziges Mal, gegen Australien, seither endete jedes Spiel in einem Blowout. Offensiv wie defensiv überzeugte dieses Team, insbesondere mit seiner Tiefe, auf die bisher noch kein Gegner eine Antwort hatte. Auch in dieser Partie war die Bank wieder eine große Stärke der Deutschen.
Nur zwei Wermutstropfen gibt es bis hierhin. Zum einen natürlich die Verletzung von Franz Wagner, der weiter Fortschritte macht und als "day-to-day" gelistet ist. Ob er im Viertelfinale mitwirken kann, ist weiterhin ungewiss. Sein Verlust wurde bisher bravourös aufgefangen, natürlich wäre er gerade jetzt im K.o.-Modus aber eine unheimlich gern gesehene Verstärkung.
Zum anderen sind da die schwachen Starts. Dreimal in Serie ist Deutschland nicht gut aus den Startlöchern gekommen, insbesondere offensiv. Gegen Finnland und Georgien dauerte es einige Minuten, gegen Slowenien ein ganzes Viertel, bis die Offense etwas Rhythmus bekam. Man müsse "einen besseren Job machen, ins Spiel zu kommen", sagte auch Schröder.
Es mag ein Stück weit daran liegen, dass die Starting Five mit der Hereinnahme von Bonga statt Wagner etwas defensivlastiger geworden ist, abgesehen von Schröder kommen die meisten Scoring-orientierten Spieler von der Bank (auch wenn Andreas Obst mittlerweile deutlich mehr involviert ist). Das Spacing könnte besser sein, von Bonga sinken die meisten Teams an der Dreierlinie tief ab, auch wenn er das im Turnier bisher gut bestraft (40% Dreier bei 3 Versuchen pro Spiel). Mehrfach wirkte die Offense zu Spielbeginn etwas zu statisch.
Meckern auf hohem Niveau
Es ist natürlich Meckern auf ganz hohem Niveau, zumal Deutschland all diese Spiele in dominanter Manier gewonnen hat. Nun beginnt jedoch die Phase des Turniers, in der einzelne Fehler oder schwächere Phasen den Unterschied machen können zwischen Weiterkommen und Ausscheiden. Im Viertelfinale gegen Lettland, erst recht in einem möglichen Halbfinale gegen die USA oder Italien.
Das Team scheint das aber verstanden zu haben, wie eine Auszeit im letzten Viertel demonstrierte, als Moritz Wagner seine Mitspieler ermahnte, das Spiel konsequent zum Ende zu bringen und sich weiter zu verbessern. "Wir wollen nicht dieses Spiel gewinnen. Wir wollen ALLE gewinnen!", stellte er klar. Möglich ist alles, bei diesem Turnier.