Zweifel an Klub-Legende
Pal Dardai und der PK-Eklat: Hertha-Trainer hätte sich unrühmliches Aus selbst zuzuschreiben - Kommentar
- Aktualisiert: 06.04.2024
- 08:35 Uhr
- Marcus Giebel
Pal Dardai scheint der perfekte Hertha-Trainer zu sein. Doch in dieser Saison läuft wenig, die Gründe dafür vielfältig. Nichts aber kann den Eklat bei der jüngsten Pressekonferenz beschönigen. Damit könnte der Ungar sein Aus besiegelt haben. Ein Kommentar.
Die Pressekonferenz hatte noch gar nicht richtig Fahrt aufgenommen, da war der Stuhl von Pal Dardai auch schon leer. Der Trainer von Hertha BSC ließ die Pressesprecherin, den neben ihm sitzenden Fabian Reese und vor allem die anwesenden Journalisten verdutzt zurück. Und stieß sie damit alle vor den Kopf. Der PK-Eklat war perfekt.
Grund für dieses merkwürdige Schauspiel waren zwei Fragen eines "kicker"-Reporters. Dabei ging es dem Ungarn nicht einmal darum, dass ihm der Inhalt nicht gepasst hätte. Denn die erste Frage drehte sich wirklich rein ums Sportliche vor dem Gastspiel beim SC Paderborn am Freitag (ab 18:30 Uhr im Liveticker).
Gestört hatte Dardai vielmehr, wer die Fragen stellte. Denn schon als Reaktion auf die erste wies er den Sportjournalisten zurecht, solange dieser behaupte, Hertha BSC lasse auf dem Platz kein Konzept erkennen, erhalte er von ihm keine Antworten mehr. Beim zweiten Frage-Versuch wenig später erhob sich die Vereinslegende schon während der Anrede und schritt ihres Weges.
Nun ist es nicht neu, dass Trainer und Reporter aneinandergeraten. Schließlich bewerten Letztere beinahe pausenlos die Arbeit der Coaches, die bei sportlichem Misserfolg schnell ohne Argumente dazustehen scheinen und sich wie mit dem Rücken zur Wand vorkommen.
Da kann es schnell einmal passieren, dass die Zündschnur etwas kürzer ausfällt. Das ist nur zu menschlich.
Das Wichtigste in Kürze
Selbst Erfolgstrainer wie Jürgen Klopp oder Jose Mourinho sind bekannt dafür, Meinungsverschiedenheiten in aller Öffentlichkeit auszufechten. Und dabei wohl auch wissentlich manchmal über die Stränge zu schlagen. Zumeist aber scheint dies aus der Situation heraus der Fall zu sein. Etwa nach unglücklichen Niederlagen oder Last-Minute-Gegentoren mit fadem Beigeschmack.
Dardai muss souveräner auftreten
Bei Dardai hingegen dürfte die Sache anders gelegen haben. Besagter Reporter war ihm offensichtlich seit dem kritischen Artikel nicht mehr willkommen. Dass er ihm bei der Pressekonferenz dennoch begegnen würde, muss ihm klar gewesen sein.
Sollte er sich den Plan zurechtgelegt haben, die Fehde auf diese Weise öffentlich zu machen, muss man von einem Armutszeugnis sprechen. Den Rüffel hätte er auch in einem Vier-Augen-Gespräch verteilen können.
Von einem 48-Jährigen, der das Profigeschäft seit drei Jahrzehnten kennt und sich bei einem so hochexplosiven Klub wie Hertha BSC zum dritten Mal auf die Trainerbank wagt, muss auch unter diesen Voraussetzungen bei einer Pressekonferenz VOR einem Spiel ein souveräner Auftritt erwartet werden.
Externer Inhalt
Topps statt Panini: Neuer Anbieter sorgt für Verwirrung, Lacher und Frust bei Fans
Dardai und die enttäuschende Hertha-Saison: Aufstieg kaum noch realisierbar
Oder wollte er einen Nebenkriegsschauplatz eröffnen, um von sportlichen Sorgen abzulenken? Natürlich kann Dardai mit der bisherigen Saisonausbeute nicht einverstanden sein. Sieben Spieltage vor Ende ist der Wiederaufstieg quasi abgehakt, selbst auf Relegationsplatz drei fehlen acht Punkte.
Das vermeidbare Pokal-Aus im Viertelfinale mit dem 1:3 gegen den 1. FC Kaiserslautern inmitten der schwächsten Saisonphase der Pfälzer dürfte ebenfalls enorm geschmerzt haben, doch liegt auch das Ende des Heimspiel-Final-Traums bereits mehr als zwei Monate zurück. An der Frage, ob die angepeilte sofortige Rückkehr ins Oberhaus angesichts des Umbruchs überhaupt jemals realistisch war, scheiden sich ohnehin die Geister.
Die zahllosen Rückschläge nach der Aufbruchstimmung zu Saisonbeginn – nicht zuletzt dank des Dardai-Comebacks – dürften dennoch gerade dem Herthaner durch und durch zugesetzt haben. Alles nur zu verständlich.
Womöglich ließ er die Enttäuschungen dieser Saison, die für immer von der Tragödie um den viel zu frühen Tod von Vereinsboss Kay Bernstein überschattet bleiben wird, zu nah an sich heran. Schließlich ist Hertha BSC für ihn so viel mehr als ein Arbeitgeber.
Dardai vor Trainer-Aus? Unrühmlicher Abschied droht
Dass dem gerne als Gute-Laune-Bär auftretenden Trainer angesichts dieser Ausgangslage mal der eine oder andere Satz rausrutscht, wäre auch nur zu verzeihlich. Damit könnte wohl auch so ziemlich jeder Journalist leben.
Doch mit seinem Antwort-Boykott samt plötzlichem Abgang hat er sich und dem ganzen Verein – um im Bild zu bleiben – einen Bärendienst erwiesen. Dieses in jeder Hinsicht unprofessionelle Verhalten soll auch die Zweifel innerhalb des Klubs bestärkt haben, ob mit der Vereinsikone der richtige Mann am Ruder ist.
Vieles deutet darauf hin, dass Dardai im Sommer zum dritten Mal seinen Stuhl räumen muss. Es wäre sein unrühmlichster Abschied von seinem Lieblings-Trainerposten. Doch den hätte er sich zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben.