Nach dem schlechtesten Saisonstart seit 14 Jahren steckt der BVB in einer handfesten Krise. Schuld daran ist womöglich auch der Klopp-Fluch, den Klub-Boss Hans-Joachim Watzke nicht sehen will.
Von Carolin Blüchel
Edin Terzic ist für BVB-Boss Hans-Joachim Watzke so etwas wie der verzweifelt gesuchte "Jürgen Klopp 2.0". Er lebt und liebt den Verein und verzückt – wenn es gut läuft – durch seine ähnlich nonchalante Art.
Anders als Klopp hat Terzic sogar noch eine Kurvenvergangenheit, weshalb er bei den Fans schon bei seiner ersten Amtszeit (2020-2021) zum absoluten Liebling avanciert war.
Für Watzke ist es auch ein Hauch von Nostalgie, denn seit Klopps Abgang 2015 hatte der 64-Jährige vergeblich einen würdigen Nachfolger gesucht und dabei viele "unwürdige" verschlissen: Tuchel, Bosz, Stöger, Favre, Rose – keiner schien das Klopp-Gen zu besitzen.
Terzic hat es, wie Watzke im vergangenen Winter, als die Borussia schon einmal in der Krise gesteckt hatte, durchblicken ließ. "Jürgen Klopp hat sich dem Klub sieben Jahre voll und ganz verschrieben. Ich sehe da Parallelen zu Edin", sagte Watzke damals zu "Bild".
Watzke träumt von Klopp 2.0
Es gibt durchaus Parallelen. Auch bei Klopp lief von Beginn an nicht alles rund. Auch er bestach mehr mit Motivationskunst, Sympathie und totaler Hingabe als mit taktischer Brillanz. Auch er musste Durststrecken überwinden – und holte am Ende doch zweimal die Meisterschaft.
Auf eine ähnliche Entwicklung hofft Watzke auch bei Terzic - auch noch nach dem schlechtesten Saisonstart seit 14 Jahren. Das Bild scheint ein wenig verklärt, gibt es doch einen Unterschied, der immer erkennbarer wird:
Unter Terzic zeigt der BVB im Vergleich zur Vorsaison keinerlei Weiterentwicklung. Es gibt keine Spielidee, keine Philosophie, keinen Plan.
Der Stachel der auf den letzten Metern verschenkten Meisterschaft scheint noch immer tief zu sitzen. Anders zumindest sind die Auftritte gegen den VfL Bochum (1:1) und besonders Aufsteiger Heidenheim (2:2) nicht zu erklären, wo die Dortmunder schier auseinanderbrachen.
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Terzic beklagt fehlende Lernkurve
Das deutlichste Indiz einer handfesten schwarz-gelben Krise: Die sonst so verständnisvollen und loyalen BVB-Fans verabschiedeten ihre Mannschaft nach der vergeigten 2:0-Führung mit einem gellenden Pfeifkonzert.
Die fehlende Lernkurve beunruhigt auch den Trainer. "Wir haben ein Gesicht gezeigt, das wir in den vergangenen Jahren sehr häufig gezeigt haben. Das darf einem Top-Team mit derart hohen Ambitionen nicht passieren", sagte der frustrierte Terzic bei der anschließenden Pressekonferenz und fügte mit stockender Stimme hinzu:
"Es geht darum, alles dem Sieg unterzuordnen. Das ist uns wiederholt nicht gelungen. So wird es schwer sein, irgendwann mal was zu feiern."
Die Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und der leere Blick des Trainers erinnern ein wenig an die Minuten im Mai, nachdem der BVB die Meisterschaft auf den letzten Metern noch verschenkt hatte. Ein Alarmzeichen für den früheren Nationalspieler Thomas Strunz.
Terzic sendet fatale Zeichen an die Mannschaft
"Wenn ich die Meisterschaft verliere, habe ich jedes Recht. Dann kann ich weinen und direkt in die Kabine rennen. Aber ich kann nicht nach drei Spieltagen wieder das gleiche Bild produzieren wie vor acht oder zwölf Wochen. Das bleibt natürlich hängen. Das wirkt ratlos. Das wirkt sehr enttäuscht", so Strunz in der ran Bundesliga-Webshow.
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Ich kann nicht nach drei Spieltagen das gleiche Bild produzieren wie vor acht Wochen. Das wirkt ratlos.
Thomas Strunz über Edin Terzic, ran Bundesliga Webshow 2023
Das sei aber genau das, was eine Mannschaft von ihrem Trainer in solch einer Situation nicht erwarte. Stattdessen müsse Terzic signalisieren: "Ich weiß aber, wie es geht." Dass er das nicht tue, sei fatal.
Auch müsse Terzic in seiner Ansprache deutlicher werden. "Manchmal kommt es mir so vor, dass er so der nette Kumpel von nebenan ist, der dafür sorgt, dass alles harmonisch ist. Dass die Jungs Spaß haben, zum Training zu gehen. Aber damit kann ich am Ende den FC Bayern nicht besiegen."
Laut Strunz sei es für den BVB allerdings noch zu früh, die Reißleine zu ziehen. Schließlich habe der 40-Jährige auch die sehr erfolgreiche Rückrunde 2022/23 zu verantworten. Doch viel Zeit bleibt der Borussia nicht.
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Unruhe beim BVB seit dem ersten Spieltag
Mit vier Punkten Rückstand ist das Polster auf den FC Bayern und Bayer Leverkusen schon erheblich. Außerdem soll es intern bereits kriseln.
Wie "Sport-Bild" berichtete, soll es schon nach dem glücklichen 1:0 gegen Köln zum Saisonauftakt zwischen Terzic und Nico Schlotterbeck ordentlich gekracht haben. Demnach habe sich der Innenverteidiger lautstark darüber beschwert, nicht in der Startelf gestanden zu haben.
Nach dem 1:1 gegen Bochum legte Julian Brandt den Finger in die Wunde und beklagte die fehlende Fitness, die zwischen den Zeilen durchaus als Kritik am Trainerteam verstanden werden kann.
Brandt – einer der wenigen Lichtblicke beim BVB - war es auch, der sich nach dem Heidenheim-Spiel den Journalisten stellte und Klartext redete. "Wir haben uns zum großen Teil selbst geschlagen. Wir kriegen am Ende zwei, wo wir beim ersten Tor zunächst den Ball haben und beim zweiten dämlich sind."
Transfers: Klub-Bosse nicht einig
Doch woran hakt es wirklich? Belastend dürfte hinter den Kulissen die unglückliche Transferpolitik in diesem Sommer sein. Obwohl sich Sportdirektor Sebastian Kehl schon mit Mittelfeldspieler Edson Alvarez einig war, legte Terzic sein Veto ein.
Die Last-Minute-Verpflichtung von Niclas Füllkrug schlug Youssoufa Moukoko aufs Gemüt. Mit Felix Nmecha und Ramy Bensebaini enttäuschen bislang zwei der weiteren drei Neuankömmlinge. Einzig Marcel Sabitzer macht Hoffnung.
Und dann ist da noch die fehlende Breite und Qualität in der Defensive, wie der Auftritt von Marius Wolf gegen Heidenheim symbolisierte. In der Klub-Führung soll man diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen haben.
"Sport1" berichtet gar von „atmosphärischen Störungen in der Chefetage". Es herrsche eine "toxische und hochexplosive Lage".
Wohl auch deshalb kündigte Boss Watzke an, die Geschehnisse in der Länderspielpause mit Kehl und Terzic aufzuarbeiten. Letzterer dürfte sich dann auch rechtfertigen müssen, warum er beispielsweise den formschwachen Sebastien Haller nicht längst vom Feld genommen hatte, ehe dieser den entscheidenden Elfmeter gegen Heidenheim verursachen konnte.
Mit Julian Nagelsmann geistert längst ein prominenter Name für die mögliche Terzic-Nachfolge durch die Medien. Einer, der unbelastet den Karren aus dem Dreck ziehen könnte. Ist Terzics Uhr abgelaufen?
Noch hält Watzke an seinem Herzensprojekt fest. Sollte aber nach der Länderspielpause gegen den SC Freiburg kein Aufwärtstrend zu erkennen sein, dürfte wohl auch der BVB-Boss irgendwann die Nostalgie-Brille ablegen. Gepaart mit der Erkenntnis, dass es einen Jürgen Klopp 2.0 eben niemals geben wird.