Sechser-Suche beim rekordmeister
FC Bayern München: Warum redet niemand über "Maschine" Vitaly Janelt?
- Aktualisiert: 17.08.2023
- 10:58 Uhr
- Chris Lugert
Der FC Bayern München sucht einen Sechser, viele Kandidaten haben abgesagt oder sind zu teuer. Bislang kaum genannt wird Vitaly Janelt. Aber warum eigentlich? Seine Stärken entsprechen ziemlich genau dem von Thomas Tuchel gesuchten Profil.
Von Chris Lugert
Ein wenig erinnert die Suche des FC Bayern München nach einem neuen Mittelfeldspieler an eine TV-Show von Dieter Bohlen. "BSDS" - Bayern sucht den Supersechser.
Dass Thomas Tuchel einen neuen Spieler für die Zentrale sucht, eine "Holding Six", die vor allem defensiv denkt und nicht die Eier legende Wollmilchsau spielen will, ist bekannt.
Doch die Suche nach einer qualitativ hochwertigen Lösung, die bezahlbar ist und dazu auch wenig Anpassungszeit benötigt, ist alles andere als einfach.
Declan Rice? Unbezahlbar. Kalvin Phillips? Wäre günstiger, aber hat kaum Spielpraxis. Sofyan Amrabat? Tendiert offenbar zur Premier League.
Zuletzt deutete viel auf Ibrahim Sangare von der PSV Eindhoven hin.
Ein Name, der bislang kaum genannt wird, ist Vitaly Janelt. Die Frage dabei ist: Warum eigentlich nicht? Der 25-Jährige gehört beim FC Brentford zu den herausragenden Spielern der vergangenen beiden Jahre, seit die "Bees" ins englische Oberhaus aufgestiegen sind.
Einer, der Janelt bestens kennt, ist Stefan Kuntz, der mit dem Mittefeldspieler 2021 U21-Europameister wurde.
"Er ist ein Balleroberer", bestätigt der ran-Experte genau die Eigenschaften, die Tuchel sucht, schränkt aber ein: "Ich bin nicht derjenige, der sagt, wer bei Bayern spielen kann."
Das ist schon ein Balleroberer, ja.
Wir Kuntz ist auch Brentfords Trainer Thomas Frank schon lange ein großer Fan des gebürtigen Hamburgers. "Ich denke, dass sie ihn in Deutschland 'Die Maschine' nennen! Er ist super. Was für ein Spieler, was für eine Mentalität. Er arbeitet so hart, ist gut am Ball. Genau das, was ich von einer Nummer sechs erwarte", sagte Frank im Dezember 2021.
Das Wichtigste zum FC Bayern München
Janelt kam als Zwölfjähriger zum Hamburger SV und wechselte vier Jahre später zu RB Leipzig. Zum Profi wurde er allerdings erst beim VfL Bochum, zu dem er Anfang 2017 wechselte.
Dort arbeitete er später mit Robin Dutt zusammen. "Er war damals ein junger Kerl, aber hat auch immer Vollgas gegeben. Er war auch schon sehr selbstbewusst für sein junges Alter", erinnert sich der Ex-Coach im Gespräch mit ran.
Die sportlichen Qualitäten von Janelt wurden schnell offensichtlich.
"Seine große Stärke war die Vororientierung im Passspiel. Vitaly hat immer seine Umgebung gescannt, ständig über die Schulter geblickt. Woher kommt der Gegenspieler? Wo sind die Räume? Und das schon, bevor der Pass angekommen ist", erklärt Dutt: "Er hatte im Passspiel auch immer eine kluge Spielfortsetzung, hat immer vorausschauend gedacht."
Janelt überzeugte gleich im ersten Training
Im Oktober 2020 war Janelt den Schritt nach England zum damaligen Zweitligisten Brentford gegangen. Die steile Entwicklung, die anschließend folgen sollte, war damals noch nicht abzusehen.
"Er war ein guter Spieler, kein überragendes Talent, aber wir sahen ein großes Potenzial in ihm und wollten gemeinsam versuchen, es herauszukitzeln", blickte Brentfords Coach Frank zurück. Quasi von Beginn an und ohne Anlaufzeit gelang es Janelt schließlich, die Trainer von sich zu überzeugen.
"Ich erinnere mich, dass er im ersten Training eine fantastische Leistung gezeigt hat. Er hat alles antizipiert, sein Positionsspiel ohne Ball war herausragend. Er zeigte eine unglaubliche Fähigkeit, Druck auszuüben und das Team voranzutreiben", schwärmte Frank.
Externer Inhalt
Janelt sticht sogar Declan Rice aus
Aufgrund einer Verletzung von Teamkollege Christian Norgaard erhielt Janelt bereits kurz nach seinem Wechsel die Chance als Stammspieler - eine Rolle, die er bis heute ausübt. Auch nach dem Aufstieg von Brentford hatte Janelt keine Probleme, sich an das höhere Niveau anzupassen.
Seine Zweikampfwerte von 52 Prozent (2021/22) und 50 Prozent (2022/23) gehörten mit zu den besten der Liga auf seiner Position. Zum Vergleich: Rice gewann in der Vorsaison 48 Prozent seiner Zweikämpfe. Casemiro kommt auf 52 Prozent, Pierre-Emile Höjbjerg erreichte 54 Prozent. Bei Fabinho standen am Saisonende 58 Prozent gewonnene Duelle zu Buche. Rodri, aktuell die Benchmark auf dieser Position, stach mit 61 Prozent in der Vorsaison heraus.
Auffällig: Janelt ist bei Brentford deutlich weniger ins Passspiel eingebunden als die anderen genannten Spieler. Im Schnitt spielte er in der Vorsaison nur 28 Pässe pro Spiel, alle anderen kommen auf mindestens 50. Das liegt allerdings auch daran, dass Brentford generell deutlich weniger Ballbesitz hatte als etwa Manchester City oder der FC Liverpool.
Janelt einer wie Konrad Laimer?
Zudem agiert Janelt bei Brentford meist als reiner Sechser und kümmert sich vorrangig um die Defensivarbeit - genau das also, was Bayern-Trainer Tuchel sucht. Janelt zu Bayern - könnte das passen?
"Ich habe von ihm kein einziges Spiel bei Brentford live gesehen, aber von der Vita her müsste man ihn wohl mit Konrad Laimer vergleichen. Ähnliche Altersstruktur, viele Einsätze auf höchstem Niveau in einer gestandenen Erstliga-Mannschaft", meint Dutt mit Blick auf den österreichischen Neuzugang der Bayern.
Bundesliga-Transfers: Rekordzugänge aller 18 Klubs - Eintracht Frankfurt macht Elye Wahi zum Top-Transfer
Wenngleich es die Zahlen nicht direkt zeigen, so sieht der ehemalige Bundesligatrainer das Passspiel als einen wichtigen Faktor bei Janelt, der bei den Bayern zum Tragen kommen könnte. "Ein Passspiel, wie er es zeigt, ist auf jeden Fall ein Kriterium für eine Mannschaft, die in der Regel 80 Prozent ihrer Spiele die dominante Mannschaft ist", sagte er.
Schafft es Janelt ins DFB-Team?
Dutt erklärt: "Wenn du viel Ballbesitz hast, brauchst du a) Spieler, die im Ballbesitz gut sind, und b) natürlich Spieler, die sich nach dem Ballverlust durch ein gutes Gegenpressing auszeichnen. Das hat er damals beides gehabt." Immer wieder wurde Janelt auch als Kandidat für die Nationalmannschaft gehandelt, zu einer Berufung durch Bundestrainer Hansi Flick kam es bislang aber nicht.
"Er ist sicherlich auf dem Radar dort. Aber im deutschen Mittelfeld hat man mit Kimmich, mit Goretzka, mit Gündogan sehr viele Spieler, die Position ist doppelt besetzt", sagte Dutt: "Dass er bislang nicht eingeladen wurde, liegt sicherlich nicht an ihm, sondern an den übrigen Spielern, die in großen Klubs auf höchstem Niveau spielen."
Ablöse wäre zu stemmen
Das Zeug für das DFB-Team sieht Dutt aber definitiv bei ihm: "Für Vitaly wäre es sicherlich einfacher, in die Nationalmannschaft zu kommen, wenn er bei einem etwas namhafteren Klub spielt. Wenn du zu Arsenal oder Manchester United wechselst und dort Stammspieler bist, dann wärst du natürlich eher dabei." Oder halt zum FC Bayern München.
Dass er den Schritt zu einem größeren Klub gehen wird, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Auch wegen der Lobeshymnen, die sein Trainer immer wieder verteilt. "Wenn er nicht spielt, merkt man, was einem fehlt. Man kann sich mehr oder weniger sofort auf ihn verlassen. Er spielt immer auf einem bestimmten Niveau", sagte Frank.
Externer Inhalt
Bis 2026 läuft Janelts Vertrag in Brentford, sein Marktwert wird auf 20 Millionen Euro geschätzt. Vielleicht wird der Linksfuß beim Bayern-Casting ja nicht nur zum "Supersechser", sondern auch zum "Superschnäppchen".