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Frauen-EM 2025: Deutschland hat mehr als nur ein Torhüterin-Problem - ein Kommentar
- Veröffentlicht: 15.07.2025
- 17:05 Uhr
- Tobias Wiltschek
Trotz ihrer Aussetzer gegen Schweden führt im deutschen Team auch im Viertelfinale kein Weg an Ann-Katrin Berger vorbei. Doch nicht nur sie muss ihre Herangehensweise ändern, wenn gegen Frankreich nicht die nächste Demütigung folgen soll. Ein Kommentar.
Sollte Manuel Neuer irgendwann wirklich aufhören, Fußball-Torwart zu sein, wird kaum eine Eloge auf ihn ohne die Bezeichnung "revolutionär" auskommen.
Er war es ja, der das Torwart-Spiel tatsächlich grundlegend verändert hat. Kein Schlussmann vor ihm interpretierte seine Rolle so offensiv, so mutig, so ballsicher wie Neuer.
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Von der Revolutionärin Ann-Katrin Berger wird man indes auch in Zukunft wohl eher weniger lesen. Was auch mit ihren jüngsten Auftritten im deutschen Nationalteam bei der derzeit laufenden Frauen-EM in der Schweiz zu tun hat.
Dort stand sie in den bisherigen Spielen zwar auch häufig vor dem eigenen Strafraum und ging teilweise äußerst mutig ins Dribbling gegen anlaufende Gegnerinnen.
Das Wichtigste in Kürze
Der Unterschied war nur, dass sie dabei eben einen weitaus unsicheren Eindruck machte als ihr männlicher Kollege. So unsicher, dass Bundestrainer Christian Wück nach dem glücklichen 2:1-Sieg gegen Dänemark eine veränderte Spielweise seiner Torhüterin einforderte. Sonst, so gestand er, "werde ich nicht alt".
Er dürfte trotzdem im folgenden Spiel gegen die Schwedinnen weiter in rapidem Tempo gealtert sein. Denn statt etwas mehr Sicherheit am Ball walten zu lassen, verstärkte die 34-Jährige das Risiko noch - und verlor die Kugel nicht nur einmal gegen die schwedischen Stürmerinnen, die längst um die Nervosität der deutschen Torhüterin wussten und sie bei jeder Gelegenheit wie ein Bienenschwarm von allen Seiten attackierten.
Dass die Deutschen am Ende nur mit 1:4 unterlagen, hatte weniger damit zu tun, dass Berger noch die eine oder andere starke Aktion gehabt hätte als vielmehr damit, dass nicht all ihre Patzer zu Gegentoren führten.
Berger sollte auch gegen Frankreich im Tor stehen
So hart dieses Urteil auch klingen mag. Es ändert nichts daran, dass Berger auch im Viertelfinale gegen Frankreich (Sa. ab 21:00 Uhr im Livestream auf Joyn) im Tor stehen sollte. Denn, und das ist das eigentliche Problem: Die beiden anderen Torhüterinnen im Kader sind nicht so stark und noch weniger erfahren, als dass sie in einem so wichtigen Spiel wie gegen Frankreich Berger ersetzen könnten.
Stina Johannes hat seit ihrem Debüt vor einem Jahr erst drei Länderspiele bestritten und konnte sich bei ihren Einsätzen nicht als ernsthafte Herausforderin von Berger in Stellung bringen. Die dritte Torhüterin Ena Mahmutovic hat erst ein Länderspiel auf ihrem Konto - und patzte dabei gleich folgenschwer, als sie gegen eine Italienerin ins Dribbling ging, den Ball verlor und damit das entscheidende Gegentor einleitete.
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Auch die Abwehr agiert fehlerhaft
Und als ob das deutsche Dilemma im Tor nicht schon ernüchternd genug wäre, präsentiert sich in der Schweiz auch die sonstige Abwehr alles andere als sattelfest. Waren es in den ersten beiden Spielen gegen Polen (2:0) und Dänemark nur vermeidbare Abspielfehler und Konzentrationsschwächen, die zu monieren waren, kamen gegen Schweden auch noch eklatante Fehler im Stellungsspiel dazu.
Hätte Innenverteidigerin Rebecca Knaak beispielsweise beim Konter zum schwedischen Ausgleich sofort die spätere Torschützin Stina Blackstenius gestellt, anstatt zunächst noch ohne ersichtlichen Grund nach außen zu laufen, hätte das 1:1 wohl verhindert werden können.
Die Szene offenbarte aber auch, wie offensiv das deutsche Team in den bisherigen Spielen eingestellt war. Es hatte so hoch gepresst, dass bei dem Ballverlust kaum noch eine defensive Absicherung vorhanden war.
Die Krux im Offensiv-System von Wück
Dass diese Szene eher die Regel als die Ausnahme war, hat auch mit der taktischen Philosophie des ehemaligen Stürmers Wück zu tun, der auch als Trainer das Heil seiner Teams in der Offensive sucht.
Doch vor dem Hintergrund, dass seine Spielerinnen nach der höchsten deutschen Niederlage der EM-Geschichte verunsichert sind und dazu in Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn und deren gesperrter Vertreterin Carlotta Wamser noch zwei Säulen in der Abwehr fehlen, muss die Ansage "Weniger Risiko" auch und an allererster Stelle an Trainer Wück gerichtet werden.
Seine neue Kapitänin Janina Minge hatte diese Forderung zunächst noch in der Aussage versteckt, jedes Team wisse mittlerweile, "dass wir relativ riskant spielen hinten", um dann doch noch etwas offensiver zu behaupten: "Natürlich ist es immer ein Killer, wenn wir den Ball verlieren."
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Wück sollte seine taktische Ausrichtung anpassen
Es ehrt Wück zwar, dass er auch gegen Widerstände an seinem offensiven und attraktiven Stil festhalten will. Doch einen guten Trainer macht auch aus, dass er seine Taktik an die Gegebenheiten anpasst. Und die sind gerade nach dem schwer zu verdauenden Schweden-Happen nun einmal eindeutig.
Nicht nur seine Torhüterin braucht erst einmal mehr Sicherheit, sondern seine gesamte defensive Anordnung. Sonst werden die Spielerinnen auch gegen Frankreich mehr als nur einmal ins offene Messer laufen.