Beide piloten mit reifenschaden?
Top-Duell mit Lucas Auer - Kelvin Van der Linde nach DTM-Rennsieg am Hockenheimring: "Ein riesiger Druck"
Lucas Auer und Kelvin Van der Linde liefern sich im vorletzten Rennen ein Kopf-an-Kopf-Duell. Im Anschluss geben beide interessante Einblicke und zeigen sich als faire Sportsmänner.
"Ich dachte, ich hätte einen Reifenschaden, und er dachte das Gleiche." - Kelvin van der Linde hätte beinahe einen hohen Preis für seine Entscheidung bezahlt, den Zweikampf gegen Lucas Auer beim DTM-Samstagsrennen am Finalwochenende auf dem Hockenheimring bis zum Ende zu führen.
Zehn Minuten vor Schluss, Tatort Spitzkehre. Die "Mamba" von Lucas Auer scheint eigentlich zu weit hinter dem Abt-Audi von van der Linde zu liegen. Trotzdem lässt er seinen Boliden innen reinlaufen. Er trifft das rechte Hinterrad des Audis. Van der Linde wird nach außen gedrückt, kommt aber noch um die Kurve, während Auer alle Hände voll zu tun hat und verlangsamt wird. Es war die rennentscheidende Szene.
"Zwei Kurven lang dachten wir beide, wir hätten einen Reifenschaden, aber ich glaube, wir haben nur etwas Pick-up aufgegabelt", erklärt der neue Tabellenführer die Situation. "Es gab Geräusche von den Reifen und natürlich nimmt man jedes Geräusch, das nicht normal ist, sofort wahr. Man denkt, es ist ein Reifenschaden, aber am Ende war alles in Ordnung."
Auer bestätigt: "Ich dachte, ich hätte einen Reifenschaden, und er dachte wohl das Gleiche. Wir haben uns richtig verkeilt, das war sicher nicht schön. Aber ab diesem Zeitpunkt war es für mich so gut wie gelaufen, denn meine Reifen waren danach auch fertig." Außerdem flog ein Flap seines AMG bei der Berührung davon.
Verwarnung für Lucas Auer kurz vor Schluss
Trotzdem machte er noch einmal Druck. Seine Hoffnungen auf den Sieg zerschlugen sich drei Minuten vor Schluss endgültig. Da erhielt der Österreicher eine Verwarnung wegen Tracklimits.
Das Wichtigste zum DTM-Saisonfinale
Van der Linde berichtet: "Das war mein Glück. Denn ich hatte noch eine [Überschreitung] in der Hinterhand. Daher wusste ich, dass er in Kurve 1 langsamer sein würde. Ich kann nicht sagen, ob das der Schlüssel zum Erfolg war, aber es hat mir auf jeden Fall geholfen, einen größeren Abstand auf dem Weg zu Kurve 2 zu haben."
Beide sehen es sportlich. "Ich kann nicht böse sein. Ich bin ein Fahrer, der gerne Rad an Rad kämpft - auch wenn man sich ab und zu berührt. Da bin ich der Letzte, der sich beschwert", sagt van der Linde.
Und Auer sieht es so: "Es war ein hartes und cooles Rennen. Wir waren beide am Limit, aber darum geht es im Motorsport. Ja, es war sehr hart, weil er sein Auto sehr gut lag. Er hatte immer einen guten Kurvenausgang in Kurve 2 und für mich war es schwierig, eine Lücke zu finden. Er hat einen super Job gemacht und sein Team auch."
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Van der Linde hatte Sieg gar nicht auf der Rechnung
Eigentlich hatte Kelvin van der Linde nicht damit gerechnet, am Samstag das Titelbild zu drehen. "Wir haben eine ganze Reihe von Szenarien durchgespielt, aber dass wir schon am Samstag Tabellenführer sein würden, war nicht dabei", gibt er nach seinem Geniestreich mit 28 Punkten zu, dem Maximum an einem DTM-Tag.
Der Grund: "Ohne ein nasses Qualifying hätten wir das Rennen heute nicht gewonnen. Ich glaube nicht, dass ich im Trockenen auf Pole gestanden hätte." Das Rennen fand dann zwar im Trockenen statt, aber der Südafrikaner hatte durch seine Pole die in der DTM so wichtige "Track Position".
"Wir haben uns im Trockenen nicht als besonders schnell eingeschätzt, aber ich konnte zunächst eine Lücke aufreißen", erklärt der 28-Jährige. "Dann kam Lucas näher. Und nach etwa zehn Runden habe ich das Team sogar gefragt, ob ich ihn fahren lassen soll. Er war einfach zu schnell und ich kam auf den Druck nicht klar."
DTM-HIGHLIGHTS: Van der Lindes perfekter Tag - Titelkampf vertagt
Doch er bekam eine überraschende Antwort: "Das Team sagte mir, ich solle noch zwei Runden attackieren. Er machte einen kleinen Fehler und ich hatte einen kleinen Vorsprung." Bis dieser wieder aufgebraucht war, war das Boxenfenster bereits geöffnet.
Abt-Audi-Pilot erinnert sich an vergangene Jahre
Dann brachte er die Reifen seines Audi R8 LMS GT3 Evo II bei dessen letztem Rennwochenende in Abt-Farben schneller auf Temperatur als Auer die Pirellis seines Mercedes-AMG GT3. "So bin ich wieder vorbeigekommen. Aber ich wusste, dass er zurückkommen würde, sobald er seine Reifen auf Temperatur hat."
"Und er hat mir das Leben schwer gemacht. Es macht immer Spaß, mit Lucas zu kämpfen. Er kämpft um den Sieg, ich um den Titel. Ich habe mich dabei nicht immer wohl gefühlt, keine Frage."
Van der Linde weiß, wovon er spricht, denn auch er war schon in Auers Situation: "Das habe ich in den vergangenen Jahren auch gemacht, wenn ich gegen einen Titelkandidaten gekämpft habe. Da bin ich immer etwas aggressiver gefahren, weil ich wusste, dass sie am Ende Platz machen."
Doch es war nicht der richtige Tag dafür. Die Entscheidung, den Platz zu verteidigen, war längst gefallen. "Das war ein riesiger Druck, keine Frage, ich habe mir fast in die Hosen gemacht. Aber das war nicht der Tag für Nettigkeiten. Zweifellos hätte er es genauso verdient gehabt."
Und Auer resümiert: "Natürlich war das für uns beide sehr schwer, aber das ist eben Motorsport."