NBA-Kolumne: Das heißeste Team der NBA! Was hinter dem Aufschwung der Orlando Magic steht
Aktualisiert: 29.01.2024
18:32 Uhr
Ole Frerks
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Die Orlando Magic gehören zu den heißesten Teams der NBA und haben aktuell sieben Spiele in Serie gewonnen. Vor allem am eigenen Korb leistet das Team der Wagner-Brüder überragende Arbeit – vorne hingegen gibt es eine Grundsatzfrage. Eine Analyse.
Im Januar 2011 war die Magic-Welt noch eine andere. Das Team war anderthalb Jahre von einer Finals-Teilnahme entfernt, hatte einen MVP-Kandidaten namens Dwight Howard, der zu diesem Zeitpunkt noch keinen Trade gefordert und keinen Head Coach angesägt hatte. Es gab noch keinen Dwightmare, sondern ein Team, das zu den Contendern der Liga zählte.
Moritz Wagner arbeitete derweil hart für seine ersten Kurzeinsätze in der NBBL, er war 13. Sein Bruder Franz war neun, Paolo Banchero acht Jahre alt. Der älteste Spieler des heutigen Kaders, Joe Ingles, war immerhin Basketballprofi, aber nicht in der NBA. Ebenso wenig wie alle anderen Spieler, die aktuell für das Team auflaufen.
Soll heißen: Es ist WIRKLICH lange her, dass die Magic mal sieben Spiele in Serie gewinnen konnten. Und das nicht unbedingt aufgrund eines dankbaren Spielplans, schließlich wurden darin auch Denver und Boston geschlagen, die beiden vielleicht heißesten Finals-Anwärter.
Orlando grüßt aktuell vom geteilten zweiten Platz in der Eastern Conference, nur Boston hat einen Sieg mehr eingefahren.
Die Magic sind Stand jetzt DIE positive Überraschung der Saison. Was hat dazu geführt? Und ist dieser Aufschwung haltbar?
Das Fundament des aktuellen Erfolgs ist eindeutig die Defense. Per "Cleaning the Glass" belegen die Magic Platz zwei beim Defensiv-Rating (107,5) und hinterlassen in jedem Spiel einen exzellenten Eindruck in dieser Hinsicht.
Gegnerisches Shooting Luck spielt dabei eine gewisse Rolle (gegen Orlando werden nur 34% aus der Ecke getroffen), die guten Zahlen wirken allerdings nicht zufällig.
Die Orlando Magic sind tough, athletisch und LANG auf nahezu jeder Position, sie üben massiven Druck auf den Ballführenden aus und wildern in Passwegen, kein Team forciert eine höhere gegnerische Turnover-Rate.
Sie erlauben kaum Offensiv-Rebounds und limitieren Gegner so zu maximal einem Versuch, und das seit Wochen ohne ihren Starting Center Wendell Carter Jr., den nominell besten Rebounder des Teams. Jeder im Team arbeitet am Brett mit, das klingt selbstverständlich, ist es oft aber nicht.
Jamahl Mosley hat einen tiefen Kader und nutzt all seine Möglichkeiten, um das Energie-Level stets hochzuhalten. Dabei hilft auch, dass das Team so jung ist und dass jeder Spieler realisiert, dass gute Defense die Chance auf konstante Minuten erhöht, da sie vom Coach priorisiert wird. Natürlich hilft aber auch das individuelle Talent, und in defensiver Hinsicht steht hier kaum ein Team vor Orlando.
Jalen Suggs ist als Point-of-Attack-Defender elitär und wird, wenn er so weiter macht, in diesem Jahr sein erstes von vielen All-Defensive-Teams erreichen. Sein Motor läuft immer auf Hochtouren, es gibt in seinen Augen kein Mismatch, keine zu großen Gegenspieler, auch nicht im Post. Er gibt den Ton an, ein Stück weit vergleichbar mit Spielern wie Marcus Smart oder Jrue Holiday.
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Der Rest des Teams folgt ihm. Anthony Black, der momentan im Backcourt neben Suggs startet (da auch Markelle Fultz verletzt ist), ist lang, athletisch und defensiv weiter als der gewöhnliche Rookie, selbst wenn er offensiv noch extrem roh ist.
Franz Wagner und Banchero tragen offensiv die größten Rollen, sind defensiv aber auch engagiert – Banchero nun auch von Zeit zu Zeit als Small-Ball-Center, wie bei Team USA, hier allerdings mit defensivem Plan.
Die aktuelle Starting Five mit Black und Goga Bitadze erlaubt 105,8 Punkte pro 100 Ballbesitzen, das ist überragend. Die geplante Starting Five (mit Fultz und Carter Jr.) war in kleinerer Stichprobe sogar noch dominanter (95,1). Offensiv sind diese Lineups jeweils nicht gut – aber es wird immer mehr ersichtlich, dass Mosley gerade zu Beginn von Spielen erst einmal defensiv Präsenz zeigen möchte.
Das funktioniert, und für die Offense gibt es dann auch noch Hilfe.
Es lässt sich dafür argumentieren, dass die Magic-Bank in der bisherigen Saison die beste der Liga war oder zumindest zur Spitze gehört.
Was die Punkte pro Spiel angeht, ist nur die Pacers-Bank besser (48,5 zu 46,1), normiert auf 100 Ballbesitze führen die Magic-Reservisten diese Kategorie sogar an. Es sind aber – natürlich – nicht nur die Punkte.
Orlando hat mehrere Spieler auf der Bank, die Spiele an sich reißen und verändern können. Cole Anthony ist der beste Guard-Scorer und -Playmaker im Team, was er mit 30 Punkten gegen die Hornets eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Im Spiel gegen Boston war es Moritz Wagner, der mit 27 Punkten das Spiel komplett veränderte und bei jedem wichtigen Magic-Lauf mit auf dem Court stand.
Überhaupt, Moritz Wagner: Der Weltmeister steht bei einer True Shooting Percentage von 70,9%, das ist der Spitzenwert unter allen Spielern mit wenigstens zwölf Punkten pro Spiel. Mit seiner Kombination aus Touch, Finesse und Kraft ist er ein Problem für die meisten Backup-Bigs.
Er gibt defensiv auch etwas zurück, spielt aber stets mit einer ansteckenden Energie und nimmt mehr Offensiv-Fouls an als jeder NBA-Spieler außer Jalen Brunson (neun). Er hat seine Nische gefunden.
Anthony und Moritz Wagner sind die explosivsten Scorer von der Bank. Ingles und Gary Harris sind die designierten Veteranen im Team, gerade Harris auch regelmäßig Teil von Closing Lineups. Wenn Fultz und Carter zurückkehren, ergänzen (voraussichtlich) Black und Bitadze wieder die Reservisten. Den vielleicht besten Verteidiger der Liga haben die Magic auch noch auf der Bank.
Nein, wirklich: Jonathan Isaac ist über zwei Jahre Verletzungspause in Vergessenheit geraten und spielt aktuell mit einem strikten Minutenlimit, kein einziges Mal toppte er in dieser Saison 20 Minuten (gegen Charlotte fehlte er mit Knöchelproblemen). Aber wenn er auf dem Court steht, kann man kaum wegsehen.
Isaac kann als Helpverteidiger von überall zum Korb teleportieren, er blockt 4,4% der gegnerischen Würfe, wenn er auf dem Court steht – nur vier Spieler sind ligaweit besser, sie alle sind allerdings Bigs und werden gezielt als Ringbeschützer eingesetzt bzw. positioniert.
Isaac ist hingegen ein Forward, der auch Wing-Scorer in Isolationen besser verteidigen kann als womöglich jeder andere Mensch (Jayson Tatum nickt eifrig).
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Der 26-Jährige spielt knapp 14 Minuten pro Spiel, hat in dieser Zeit aber den größtmöglichen defensiven Impact (das ohnehin exzellente Defensiv-Rating der Magic ist mit ihm noch um 11,5 Punkte besser!).
Er ist nicht mehr das einst erhoffte Core-Piece, um das ein Team aufgebaut werden kann, sondern eher ein Luxus – ein zehnter Mann, der ein Spiel transformieren kann.
So eine Tiefe haben nicht viele Teams.
Die Offense: Das Gute und das Schlechte
Dass die Defense bei den Magic so klar im Fokus steht, hat auch mit der Offense zu tun. Diese wurde zuletzt deutlich besser, ist über die Saison gesehen aber immer noch lediglich durchschnittlich – was für Orlando schon eine Steigerung wäre, seit 2015/16 (damals Platz 17) haben die Magic beim Offensiv-Rating nicht mehr die Top 20 (!) geknackt. Trotzdem gibt es hier noch Gründe zum Meckern.
Simpel gesagt können die Magic nicht werfen. Sie nehmen anteilig die zweitwenigsten Dreier der Liga, ihre Quote (34,7%) reicht für Platz 26. Spacing ist damit eine massive Herausforderung: Mehrere Rotationsspieler werden am Perimeter offen stehen gelassen (Black, Isaac, Fultz, Suggs – auch wenn letzterer das neuerdings etwas öfter bestrafen kann), die Defense kann sich also zusammenziehen.
Die Magic erhöhen so den Schwierigkeitsgrad für das, was sie am besten können. Ihre Athletik und Länge ist auch offensiv eine Waffe, gerade beim Drive. Die primären Ballhandler im Team (Franz Wagner, Suggs, Anthony und Banchero) attackieren alle gerne den Korb, trotz des schwachen Spacings gelingt ihnen das auch: 42% ihrer Abschlüsse nehmen die Magic am Ring, das ist der Liga-Bestwert.
Dieser Wert wird allerdings durch andere Faktoren "geschönt". Zum einen verzeichnen die Magic viele dieser Abschlüsse in Transition, nach Defensiv-Rebound oder forciertem Turnover. Zum anderen holen sie viele Offensiv-Rebounds und können danach direkt wieder hochsteigen. Sie sind von diesen leichten Abschlüssen einigermaßen abhängig, da es ihnen gegen sortierte Defenses deutlich schwerer fällt, sich gute Würfe zu erspielen.
Im Halbfeld zahlen gerade Franz Wagner und Banchero oft den Preis dafür, dass die gegnerische Defense so viel Hilfe in ihre Richtung schicken kann. Die Magic produzieren fast so viele Ballverluste, wie sie auf der Gegenseite forcieren. Die beiden jungen Star-Forwards sind keine gelernten Point Guards, obwohl sie willige Passer sind, und fügen entsprechend zu dieser Problematik bei.
Gerade Banchero schafft es noch nicht immer, Situationen wie diese – die es sehr häufig gibt – sauber zu lösen, und produziert bei über 15% seiner Possessions einen Ballverlust. Auch wenn er immer besser darin wird.
Wagner verliert seltener den Ball, traf über die ersten Saisonwochen jedoch die eigenen Würfe unter dem erwartbaren Niveau, sowohl am Korb als auch von der Dreierlinie, wo er noch immer bei nur 29% steht.
Der Pfeil zeigt jedoch nach oben, im Zweierbereich zumindest. Über die vergangenen fünf Spiele traf Wagner mehr als die Hälfte seiner Würfe und lieferte ab wie ein All-Star (22 PPG).
Wagner kreiert dabei viele Punkte durch seine Bewegung abseits des Balles. Gerade in Lineups mit seinem Bruder und Anthony, die durch ihr Pick’n’Roll Aufmerksamkeit ziehen, kommt er oft durch Cuts zum Abschluss.
Er ist momentan aber auch der beste Pick’n’Roll-Playmaker seines Teams, obwohl die Effizienz dieser Plays nicht bahnbrechend ist (0,87 Punkte pro Play, leicht überdurchschnittlich).
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Das spricht für sein Potenzial und seine Vielseitigkeit, unterstreicht allerdings auch, dass die Magic offensiv noch Arbeit vor sich haben.
Wenn sich keine leichten Punkte in Transition ergeben, müssen sie hart für ihre Offense arbeiten. Das gelingt ihnen immer häufiger, das individuelle Talent von insbesondere Wagner und Banchero spricht ohnehin dafür, dass die Offense relativ bald noch viel besser aussehen wird. Eine Grundsatzfrage bzw. -problematik besteht aber nach wie vor.
Win-Now vs. Geduld
Die Magic schaffen gerade den Spagat, dass sie jungen Spielern wie Black Spielzeit geben können und dabei trotzdem gewinnen – weil am Ende von engen Spielen nicht Black auf dem Court steht, sondern beispielsweise Harris, der als Shooter respektiert wird.
Die Guards im Kader, die für die Zukunft wichtig sein sollten, sind alle weit weg von diesem Status: Fultz nimmt keine Dreier, Black sollte keine nehmen (25%), Suggs und Anthony treffen immerhin 36%, wobei Suggs dabei zumeist weit offen ist.
Es wäre relativ leicht, für die Magic Win-Now-Trades zu identifizieren, die an dieser Problematik etwas ändern. Spieler wie Buddy Hield oder Zach LaVine würden das Feld für Wagner und Banchero prompt deutlich breiter machen und könnten defensiv wohl beschützt werden. Malcolm Brogdon würde den Wurf, bessere Defense und auch noch ein Plus an Playmaking mitbringen.
Kurzfristig würde ein solcher Veteran die Magic besser machen, das zeigt schon die Tatsache, dass Harris und Ingles aktuell die besten On/Off-Werte in Orlando haben. Spacing für die Drives der Forwards macht wirklich einen so großen Unterschied.
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Vielleicht vertrauen die Magic aber auch darauf, dass das Team diese Problematik von innen löst. Dass Black sich einen Wurf zulegt, dass Suggs konstanter wird und seine wilde Energie etwas besser kanalisiert, dass Jett Howard, der andere Rookie, der vor wenigen Tagen in die G-League geschickt wurde, für mehr Platz auf dem Court sorgt. Dass Wagner und Banchero am derzeit teilweise zu hohen Schwierigkeitsgrad umso mehr reifen.
Beide Türen stehen offen. Aktuell steht Orlando noch an dem angenehmen Punkt, an dem es keine echten Erwartungen, keinen Druck gibt. Die Magic könnten ihre Timeline beschleunigen, schon in diesem Jahr in der Postseason mitmischen, vielleicht sogar eine Serie gewinnen.
Das Front Office könnte sich aber auch zurücklehnen, sich Zeit bei der Evaluation lassen und genießen, dass aktuell aufregender UND erfolgreicher Basketball in der Nähe von Disneyworld gespielt wird.
Das letzte Mal ist ja nun wirklich schon sehr lange her.