NBA LIVE AUF PROSIEBEN MAXX UND AUF RAN.DE
NBA-Kolumne: Warum Ja Morant die NBA-Welt nervös macht
- Aktualisiert: 29.01.2024
- 18:29 Uhr
- Ole Frerks
Nach 25 Spielen Sperre ist Ja Morant zurückgekehrt und hat den Memphis Grizzlies prompt wieder Hoffnung eingehaucht. Selbst wenn die aktuelle Saison vielleicht nicht mehr zu retten ist, steht kaum ein Team von jetzt an mehr unter Beobachtung.
Von Ole Frerks
Über 25 Spiele hatten die Grizzlies nicht viel zu jubeln. Nur sechs Siege wurden in diesem Zeitraum geholt, die Saison schien schon nahezu gelaufen, als ihr bester Spieler nach abgesessener Sperre endlich eingreifen durfte.
Seitdem wird mehr gefeiert – vier Siege in Folge wurden zuletzt geholt, bevor Memphis ohne den kranken Ja Morant chancenlos in Denver unterging. Dass die Art und Weise, wie der vierte Sieg (gegen die Pelicans) gefeiert wurde, direkt zum Aufreger wurde, sagte dabei schon viel über die schräge Situation aus, in der sich Morant aktuell befindet.
Nach einem Dunk, der das Spiel de facto entschied, "zielte" Morant mit imaginären Handfeuerwaffen auf das Publikum, in bester Gilbert-Arenas-Manier. Nach 25 Spielen Sperre aufgrund von wiederholtem Hantieren mit Waffen auf Social Media … eine eigenwillige Entscheidung, fanden viele.
Selbst wenn es sich eigentlich um einen in New Orleans populären Tanz handelte, mit dem Morant das ortsansässige Publikum noch ein bisschen weiter verhöhnen wollte.
Das Wichtigste in Kürze
Frühere NBA-Spieler wie Lou Williams und Chandler Parsons kritisierten Morant für diese nüchtern betrachtet harmlose Geste. Ob man das für nötig hält oder nicht – es verdeutlicht ein Stück weit, wie nervös die NBA-Welt geworden ist, wenn es um Morant geht. Weil er sich mehrfach unprofessionell und teamschädigend verhalten hat, einerseits.
Aber auch, weil vielen Leuten durchaus daran gelegen ist, dass er sich ändert, damit er spielen kann. Selbst seine Kritiker bestreiten ja nicht, dass er ein unglaublicher Spieler ist – spektakulärer als nahezu jeder andere in der Liga.
Externer Inhalt
Ihm beim Spielen zuzusehen ist ein singuläres Vergnügen, auf das niemand gerne noch einmal so lange verzichten möchte. Das Spiel braucht ihn nicht unbedingt und hat ihn dennoch eindeutig vermisst.
Seit seinem Comeback hat Morant schon wieder alles gezeigt, was ihn zu einem so besonderen Spieler macht. Er ist konditionell noch nicht bei 100% (laut Eigenaussage eher bei 75%) und hat trotzdem schon genug getan, um in seiner persönlichen ersten Saisonwoche direkt Spieler der Woche in der Western Conference zu werden.
Externer Inhalt
Der wandelnde Paint Touch
28,8 Punkte und 8,5 Assists legt Morant seit seinem Comeback auf. Direkt sein erstes Spiel entschied er mit einem Game-Winning Layup, den in der Form sonst kaum jemand hätte treffen können: Im Eins-gegen-Eins gegen Herb Jones, einen der besten Verteidiger der Liga, ohne Pick, einfach nur mit der eigenen Kreativität, Beweglichkeit und Dynamik.
- Sonntag, 31.12., ab 21:00 Uhr: Atlanta Hawks at Washington Wizards LIVE auf P7 MAXX, Joyn und ran.de
Es war ein bekanntes Bild – Verteidiger sinken gegen Morant ab, weil sein Wurf keine Stärke ist (bisher fallen sogar nur 16,7% seiner Dreier, in der Regel liegt er knapp über 30%), und trotzdem ist er kaum vom Korb fernzuhalten. Morant attackiert nahezu immer, in jeder Saison nahm er bisher über 40% seiner Abschlüsse am Ring, das ist bei seiner Größe (1,88m) fast unerhört.
Abgesehen von Shai Gilgeous-Alexander gab es in den vergangenen Jahren keinen konstanteren Driver. In seinen ersten vier Saisonspielen wurden bei Morant 24,8 Drives pro Spiel verzeichnet, das wäre ein Liga- und persönlicher Bestwert. Es gibt keinen Verteidiger, der vor ihm bleiben kann, zumal Morant alle Tempo- und Richtungswechsel beherrscht, schlichtweg nicht greifbar ist.
Memphis Grizzlies: Besser und leichter
Mit dem Drive setzt Morant auch seine andere Superkraft frei, das Playmaking. Er weiß, wie er Defensiven manipulieren kann, um seinen Teammates leichte Würfe zu verschaffen, ist zwar ein Scoring Point Guard, aber nicht eigensinnig. Die Übersicht ist eine seiner größten Stärken, selbst wenn es wild wirkt, verliert er selten die Kontrolle.
Der Effekt auf das gesamte Team ist schon jetzt klar spürbar. Memphis stellt über die Saison noch immer die schlechteste Offense der gesamten Liga, der Trend geht aber bergauf. In Morants Minuten sind laut Cleaning the Glass anteilig sowohl die Abschlüsse am Ring (+8%) als auch aus den Ecken (+3,1%) gestiegen, also die "besten" Abschlüsse im Sport.
Kuriositäten aus der Sportwelt: Katze zerfleischt Hand von Skispringer Stefan Kraft
Und auch das Niveau dieser Würfe hat sich verändert. Sie sind leichter, offener, weil jetzt das Element zurück ist, das die Aufmerksamkeit der Defense auf sich zieht. Santi Aldama bekommt so häufiger offene Dreier, Ziaire Williams wird bei Cuts oder in den Ecken gefunden. Jaren Jackson Jr. hat öfter die Möglichkeit, eine Defense zu attackieren, die schon rotieren musste und ihm Vorteile bietet.
Die alte Hierarchie ist zurück
Es gibt eine neue, die alte Hierarchie im Grizzlies-Spiel. Der vielleicht größte Profiteur davon ist Desmond Bane, obwohl der Shooting Guard auf dem Papier jetzt nur noch die zweite Option ist. Tatsächlich hält er den Ball weniger in der Hand als in den vergangenen Wochen, Morant gibt ihm allerdings die Möglichkeit, noch mehr die Fähigkeiten einzubringen, die er eigentlich am besten beherrscht.
Bane musste über die ersten beiden Saisonmonate regelmäßig den primären On-Ball-Creator geben, weil es an Alternativen fehlte. Er füllte diese Rolle stark aus (25, 4 und 5 im Schnitt sind All-Star-Zahlen, selbst wenn er aufgrund der miesen Bilanz wohl übergangen werden wird), musste jedoch unfassbar viel dafür arbeiten, um die Grizzlies-Offense wenigstens okay aussehen zu lassen. Neben Morant kann er endlich auch sein überragendes Off-Ball-Spiel wieder mehr zum Tragen bringen.
Bane ist der mit Abstand beste Shooter der Mannschaft. In den Spielen neben Morant hat er bisher immer 12,3 Dreier genommen, deutlich mehr davon aus dem Catch&Shoot (ohne Morant: 8,7 pro Spiel). Es kann dem Team mit der ligaweit schlechtesten Dreierquote (33,7%) nur helfen, wenn Bane öfter Play-Finisher und seltener Initiator sein kann.
Externer Inhalt
Banes Fortschritte als Playmaker sind trotzdem gern gesehen, nicht nur in den Minuten, in denen Morant sitzt. Dessen brachiale Athletik hat ihn über die vergangenen Jahre schon zu einem gefährlichen Cutter und Off-Ball-Spieler gemacht. Vielleicht machen die Grizzlies sich diese Fähigkeit im neuen Team, mit Bane und dem gerade zurückgekehrten Marcus Smart, noch ein wenig mehr zunutze.
Glück im Unglück?
Viel Zeit bleibt ihnen nicht. Das Lazarett ist immer noch prall gefüllt, allen voran mit den Bigs Steven Adams und Brandon Clarke, die wohl auch (bei Clarke ist es noch nicht sicher) die restliche Saison verpassen werden.
Es gibt nach wie vor viele Probleme: Es fehlt an Floor-Spacern und konstanten Flügelspielern (Vince Williams Jr. hilft!), die Halbfeld-Offense war generell über die vergangenen Jahre immer im unteren Drittel angesiedelt. Ein dominantes Offensivteam waren die Grizzlies stets nur in Transition, das war in dieser Saison bisher nicht der Fall, sollte mit Morant aber wieder so werden.
Vielleicht ist es trotzdem schon zu spät und das Loch zu tief. 5 Spiele trennen die Grizzlies von Platz 10, zwischen ihnen und dem letzten Play-In-Platz liegen aber auch noch die Warriors, deren Pfeil zuletzt auch nach oben zeigte. Es wird nicht leicht, noch wenigstens zwei der elf guten, ambitionierten Teams in der Western Conference hinter sich zu lassen.
Vielleicht ist das aber auch gar nicht der wichtigste Fokus. Morant (24), Bane (25) und Jackson (24) sind noch immer ein junger Kern, der vor wenigen Monaten als der vielleicht vielversprechendste der Liga galt. Seitdem ist einiges passiert, aber … idealerweise spielen die drei noch lange zusammen.
Idealerweise hat Morant seine Lektion gelernt und kann die Grizzlies mittelfristig wieder auf den Kurs führen, von dem er sie selbst, hoffentlich nur kurzfristig, entfernt hat. Er steht jetzt in der Bringschuld – unter Beobachtung steht er sowieso.