"er war der killer heute"
Basketball-WM - Erkenntnisse zum DBB-Sieg gegen Australien: Das Meisterwerk von FIBA-Dennis
- Aktualisiert: 27.08.2023
- 17:15 Uhr
- Ole Frerks
Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt ohne Franz Wagner gegen WM-Mitfavorit Australien, weil Dennis Schröder das Team trägt - und ihn die Mannschaft dabei unterstützt.
Von Ole Frerks
Ohne Franz Wagner hat Deutschland auch sein zweites WM-Spiel gewonnen. Beim packenden 85:82 gegen Mitfavorit Australien zeigt Dennis Schröder das vielleicht beste Spiel seiner Karriere – Hilfe kommt jedoch von allen Seiten. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. Die Legende von FIBA-Dennis
"Das fühlt sich an wie ein großer Sieg", sagte "MagentaSport"-Experte Per Günther nach dem Spiel. Da konnte man ihm nur beipflichten. Es war außerdem ein Sieg, nach dem man selbst als Zuschauer das Gefühl hatte, erstmal durchatmen oder direkt kopfüber in die Eistonne springen zu müssen. Noch mehr galt dies sicherlich für das DBB-Team, das eine sensationelle Leistung zeigte und sich damit in eine exzellente Ausgangsposition für die Zwischenrunde brachte.
Im Locker Room wurde nach dem Spiel Franz Wagner besungen, der ausgerechnet an seinem 22. Geburtstag verletzungsbedingt zum Zuschauen gezwungen gewesen war. Es ist nicht überliefert, ob danach auch Dennis Schröder besungen wurde, der zwar keinen Geburtstag feierte, es aber dennoch zweifelsohne verdient hätte.
Viel wurde im Vorfeld vor Patty Mills alias FIBA-Patty gewarnt, der bei der Nationalmannschaft stets "zu Stephen Curry" wird, wie Schröder es selbst ausdrückte. Mills zeigte auch, warum er diesen Ruf hat – nach einem grausamen Start ballerte der Guard die Australier mit 13 Punkten erst ins Spiel und traf dabei gegen teilweise sehr gute Defense einen Jumper nach dem anderen. Nach dieser Explosion indes war es nicht mehr FIBA-Patty, der dieses Spiel dominierte. Sondern Schröder.
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Auch der ist bekanntlich seit Jahren ein anderer Spieler, wenn er den DBB-Dress trägt – eher ein Rollenspieler in der NBA, aber ein Star auf internationaler Bühne. Diese Partie wurde zu seinem wohl besten Spiel in der Nationalmannschaft, gerade in Anbetracht der Situation. Es ist endgültig an der Zeit, bei ihm von "FIBA-Dennis" zu sprechen. "Er war der Killer heute", sagte Maodo Lo.
30 Punkte (10/19 FG, 5/5 FT) und acht Assists verzeichnete Schröder, dazu verteidigte er über weite Strecken Mills und trug dazu bei, dass dieser über die letzten drei Viertel bloß noch acht Punkte machte. Vier Steals holte Schröder bei drei Ballverlusten (von denen mindestens einer, sein Schaufeln im vierten Viertel, eine abenteuerliche Schiedsrichter-Entscheidung war), es war nahe an der Perfektion.
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Er war außergewöhnlich
Gordon Herbert über Dennis Schröder
"Dennis hat eine überragende individuelle Leistung innerhalb einer starken Teamleistung gezeigt. Er war außergewöhnlich", schwärmte DBB-Coach Gordon Herbert. "Dennis war unglaublich. Wie er sich die vergangenen Jahre entwickelt hat, ist unglaublich. Er spielt auf einem so hohen Niveau und das über so viele Minuten. Er ist unser klarer Leader", sagte Johannes Thiemann.
Immer wieder traf Schröder gute Entscheidungen. Wurde er gedoppelt, zog er beide Verteidiger bis hoch an die Mittellinie und passte erst dann, damit seine vier Mitspieler eine Überzahlsituation ausspielen konnten. Gegen Single Coverage zog er in die Zone oder packte einen Stepback-Jumper aus, überragende fünf seiner neun Dreier fanden ihr Ziel.
Er strahlte eine beeindruckende Ruhe aus und überdrehte nie. Vielmehr gab er der Mannschaft in fast jeder Situation das, was sie brauchte. Die Mannschaft gab allerdings auch viel zurück.
2. Die Macht des Kollektivs
Auch nach dem Spiel wurde Schröder seiner Rolle als Kapitän gerecht und betonte, dass es ein Teamerfolg gewesen war, womit er natürlich richtig lag. Einen Mitfavoriten wie Australien schlägt kein Spieler alleine. Das DBB-Team konnte dieses Spiel auch deshalb gewinnen, weil Herbert von jedem eingesetzten Spieler einen Beitrag bekam.
Anstelle von Wagner durfte Isaac Bonga starten, der mit seiner Defense und Energie einen riesigen Anteil am exzellenten Start der deutschen Mannschaft hatte. Bonga traf unter anderem einen Dreier, wurde von Schröder bei einem Cut gefunden und arbeitete stark am offensiven Brett. Vielleicht hätte man noch mehr von ihm gesehen, wenn er sich in der ersten Halbzeit nicht leicht verletzt hätte.
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Doch er war nicht der einzige. Niels Giffey rückte in die Rotation und traf einen Midrange-Jumper, Daniel Theis trat vor allem als bärenstarker Ringbeschützer in Erscheinung, Johannes Voigtmann zeigte einige starke Pässe und traf jeden seiner Würfe. Thiemann wurde etwas überraschend Teil des Closing Lineups, verzeichnete einen wichtigen Block gegen Josh Green und blieb bei dessen letzten Drive vor Mills, der sieben Sekunden vor Schluss bei einem Punkt Rückstand den Ball verlor.
Es hatten alle Spieler ihren Anteil an diesem Sieg, bei dem die Deutschen auch zeigten, wie resilient sie mittlerweile sind. Nach einem offensiv richtig schwachen dritten Viertel (13 Punkte) schien eigentlich viel für Australien zu sprechen, zumal das DBB-Team in der Vergangenheit in engen Spielen öfter mal den Kürzeren gezogen hatte.
Nicht an diesem Tag, weil die Defense im letzten Viertel noch einmal merklich anzog und weil Schröder und sein Nebenmann Lo den offensiven Karren wieder aus dem Dreck ziehen konnten. "Es war ein Spiel der Läufe. Der Beginn des vierten Viertels war der Schlüssel für uns, weil wir im dritten Abschnitt das Momentum verloren hatten“, sagte Herbert.
Aber noch einmal zu Lo …
3. Willkommen zurück, Maodo Lo
Die Switching-Defense der Australier mit zahlreichen exzellenten Individualverteidigern ist prädestiniert dafür, Ball- und Player-Movement merklich zu erschweren. Deshalb ergaben sich beispielsweise für Andreas Obst kaum Möglichkeiten (2 Punkte, 0/5 FG) und auch Theis oder Moritz Wagner wurden nicht so oft im Fluss des Spiels in Position gebracht wie gegen Japan.
Isolationen wurden umso wichtiger – und Deutschland hatte zwei Spieler, die in diesen Situationen glänzten. Schröder sowieso, aber auch für Lo war es ein "Breakout-Game", wie Herbert es ausdrückte. Im vierten Viertel war der Ex-Berliner mit zehn Punkten (insgesamt 20, 8/12 FG, 4/8 Dreier) sogar der punktbeste Deutsche.
Der Durchbruch kam zum perfekten Zeitpunkt, zumal Lo nach durchwachsener Vorbereitung ja auch gegen Japan nicht überzeugt hatte. Es kündigte sich an, als er gegen Ende des ersten Viertels Dante Exum mit einem Crossover auf die Bretter schickte und endlich zum Korb durchkam, mit zunehmender Spielzeit schien sein Selbstvertrauen dann nur immer größer zu werden.
"Für mich fühlt es sich gut an, weil ich im ersten Spiel so Probleme hatte. Ohne Franz musste ich mehr Verantwortung übernehmen, und das ist mir gelungen", untertrieb Lo nach dem Spiel.
Mit seinem Stepback-Dreier hat Lo genau wie Schröder die Möglichkeit, auch aus Broken Plays noch etwas Positives herauszuholen. Der Start des vierten Viertels verdeutlichte das gut, als Australien gut verteidigte und nacheinander Schröder und Lo trotzdem tiefe Dreier aus dem Dribbling versenkten. Beide attackierten am Ende unheimlich konsequent jedes Mismatch, das sie vorfanden (oft Nick Kay).
Lo spielte in den Schlusssekunden dann auch (wie vorher Schröder mit einem Pass, bei dem er vielleicht auf der Seitenaus-Linie stand) noch einmal mit dem Feuer, als er zwei Sekunden vor Spielende einen freien Layup nahm und Australien damit noch einmal in Ballbesitz brachte, statt die Uhr einfach auszudribbeln.
Vom Helden zum tragischen Helden ist es manchmal nicht weit, aber egal – es ist ja gut gegangen. Und auch wenn Franz Wagner (hoffentlich) zurückkehrt: Mit der tanzenden, Stepback-Dreier-treffenden Version von Lo ist Deutschland noch einmal viel gefährlicher und variabler im Angriff. Dieses Spiel war vom Team und insbesondere von den beiden Guards eine Ansage.