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Hertha-Präsident hinterlässt Vermächtnis im Verein

Zum Tode von Kay Bernstein: Ein Gegenentwurf zum Establishment

  • Aktualisiert: 17.01.2024
  • 19:27 Uhr
  • Martin Volkmar
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Der Tod von Hertha-Präsident Kay Bernstein erschüttert ganz Berlin und hinterlässt tiefe Spuren und große Trauer im gesamten deutschen Fußball. Ein Nachruf.

Von Martin Volkmar

Die Deutsche Fußball-Liga stand sogar nach der schockierenden Nachricht am Dienstagvormittag kurz davor, ihren traditionellen Neujahrsempfang im Frankfurter Palmengarten abzusagen.

"Wir haben uns dagegen entschieden, weil viele Gäste schon auf der Anreise hierher waren. Ich bin den Verantwortlichen von Hertha BSC zudem sehr dankbar, dass sie auch gesagt haben, dass Kay Bernstein es nicht hätte haben wollen, wenn wir so kurzfristig abgesagt hätten", sagte der sichtlich getroffene DFL-Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke bei seiner sehr kurzen Ansprache vor den führenden Köpfen von Liga und DFB:

"Wir hatten über Fußball-ideologische Grenzen hinaus immer ein sehr, sehr freundschaftliches Verhältnis - das geht im Übrigen auch. Und wenn jemand mit 43 Jahren aus dem Leben scheidet und ein kleines Mädchen und seine Lebenspartnerin zurücklässt, dann ist das schon von unfassbarer Tragik."

Dem wollte an diesem traurigen Tag kaum jemand etwas hinzufügen, doch die Fassungslosigkeit und Bestürzung zahlreicher Weggefährten war greifbar, zumal einige noch am Vortag mit dem "Dauerkommunikator" Bernstein telefoniert hatten.

"Gestern Abend habe ich mit ihm gesprochen und heute Morgen hat ihn seine Frau tot im Bett aufgefunden. Das hat mich schon schwer getroffen", berichtete einer.

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Mutmaßungen über Todesursache

Die Ursache für Bernsteins Versterben in dessen Wohnung in Hoppegarten kurz hinter der östlichen Berliner Stadtgrenze war zunächst vollkommen unklar, weshalb die beteiligten Ärzte keinen natürlichen Tod bescheinigten.

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Daher hat die Kriminalpolizei Brandenburg wie in solchen Fällen üblich ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Vermutlich wird erst nach der erwarteten Obduktion Klarheit herrschen, ob erste Mutmaßungen über einen Herzinfarkt zutreffen.

"Es gibt wie üblich Todesermittlungsverfahren, wenn die Todesursache unklar ist", sagte eine Sprecherin dem Berliner "Tagesspiegel". "Hinweise auf einen Suizid oder Fremdeinwirkungen liegen derzeit nicht vor. Gleichwohl gibt es Ermittlungen, das Verfahren läuft. Die Staatsanwaltschaft wird über die weiteren Maßnahmen zur Aufklärung der Todesursachen entscheiden."

Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf zeigte sich in Frankfurt erschüttert. "Wir trauern gemeinsam mit der Hertha-Familie um ihren Präsidenten, vor allem aber um den Menschen Kay Bernstein. Das ist ein ganz schmerzvoller Tag für ganz, ganz viele Menschen", sagte er in einer Stellungnahme:

"Er war jemand, der den Fußball leidenschaftlich gelebt und Hertha BSC auch ein Stück weit verkörpert hat. Seine Geschichte als jemand, der es aus der Fanszene bis zum Präsidenten dieses großen Traditionsvereins gebracht hat, ist durchaus beeindruckend. Er wird uns fehlen."

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Aus der Kurve ins Präsidium

Tatsächlich hinterlässt Bernstein eine riesige Lücke. Vor allem bei der "Alten Dame", die er in den vergangenen Monaten sichtbar nach vorne gebracht hatte, aber auch in der gesamte Fanszene ist die Trauer groß.

Denn für viele Traditionalisten war der einstige "Ultra" ein Gegenentwurf zu den Betriebswirtschaftlern mit Marketingsprech, den schwerreichen Unternehmern mit Hang zur Selbstdarstellung, den ausrangierten Politikern und den abgehalfterten Ex-Profis in den Führungsriegen zahlreicher Vereine.

Der 1980 im sächsischen Marienberg geborene Bernstein zog noch vor der Wende mit der Familie nach Berlin-Marzahn war in seiner Jugend Vorsänger und Capo der Fangruppe "Harlekins Berlin ‘98" in der Ostkurve des Olympiastadions, weshalb er beim organisierten Anhang besonders populär war.

Dank der Unterstützung dieses Teils der Hertha-Mitglieder wurde der Chef einer Event- und Kommunikationsagentur bei der Jahreshauptversammlung im Juni 2022 unerwartet zum Nachfolger von Werner Gegenbauer an der Vereinsspitze gewählt. "Ich kann dem Verein ein bisschen Seele zurückgeben", erklärte Bernstein damals.

Für viele ein Sieg über das Establishment, gerade in der Hauptstadt, das bereits den einst gescheiterten Bürgermeisterkandidaten und späteren CDU-Bundestagsabgeordneten Frank Steffel als neuen Hertha-Präsidenten ausgekungelt hatten.

Stattdessen stand nun ein früherer Ultra ganz vorne, der sich unter anderem für eine Gehaltsobergrenze, eine verringerte Abhängigkeit von den TV-Millionen und die Manifestierung der Kern-Anstoßzeit 15:30 Uhr einsetzte.

Umso heftiger waren gerade am Anfang die Anfeindungen durch seine Gegner, weil man dem Mann in der blauen Hertha-Trainingsjacke schlichtweg die Eignung für den Posten absprach. So mancher Kritiker fühlte sich angesichts der vielen schlechten Nachrichten in der Saison danach in diesem Urteil bestätigt.

Es gab anhaltenden Zoff mit Investor Lars Windhorst bis zu einer Spionageaffäre gegen den Geldgeber, für die allerdings Bernsteins Vorgänger verantwortlich waren. Auch die nahezu alternativlose Ablösung von Windhorsts Anteilen durch die teilweise dubiose US-Investmentfirma 777 Partners stieß auch in Fankreisen auf Kritik, ebenso die umstrittene Entscheidung für einen Wettanbieter als Trikotsponsor.

Hinzu kam die alles andere als geräuschlose Trennung von Sportchef Fredi Bobic, der siebte Abstieg aus der Bundesliga nach der vergangenen Saison und die auch damit zusammenhängende Fast-Insolvenz angesichts von aktuell angeblich noch immer rund 80 Millionen Euro Schulden.

Bernsteins "Berliner Weg" wird weiter gegangen werden

Bernstein fuhr einen harten Sparkurs, trennte sich von zahlreichen langjährigen Mitarbeitern und stieß mit seinen Methoden so manchem vor den Kopf. Aber niemand konnte ihm seinen Elan und seinen Willen absprechen, den Kahn wieder auf Kurs zu bringen.

Und zuletzt sah es so aus, als ob der vom Hertha-Boss propagierte "Berliner Weg" langsam greifen würde. Die wirtschaftliche Lage zeigte sich verbessert und die runderneuerte Mannschaft von Pal Dardai, bei der nach dem Abstieg zahlreiche überteuerte Stars aussortiert worden waren, schaffte nach schwerem Saisonstart den Anschluss nach oben.

"Bei allem, was kritisiert wird, hat er nach innen und außen viel bewegt", sagte ein langjähriger Beobachter. "Die Richtung hat gestimmt und die Bindung zwischen Fans und Mannschaft war trotz holpriger Hinrunde enorm. Da wächst was zusammen."

Umso größer sind nun die Trauer um den Verlust des nahbaren Präsidenten aus der Kurve und die Unsicherheit, wer nun die Lücke an der Hertha-Spitze füllen wird. Entsprechend groß war die

Anteilnahme, am Blau und Weiß beleuchteten Olympiastadion legten Anhänger und Sympathisanten Blumen nieder und entzündeten Kerzen zum Gedenken an Kay Bernstein.

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