Exklusivinterview mit Didi Hamann
FC Bayern München - Dietmar Hamann exklusiv über Wirtz, Müller und Inter: "Das muss der FCB diesmal besser machen"
- Aktualisiert: 16.04.2025
- 14:52 Uhr
- Martin Volkmar
Dietmar Hamann spricht im ran-Interview über die Chancen von Bayern und BVB in der Champions League, den Kampf um die Meisterschaft und seine Bedenken gegen einen Wechsel von Florian Wirtz nach München.
44 Mal lief Dietmar Hamann in der Champions League auf, unter anderem hatte er beim Gewinn mit dem FC Liverpool im legendären Finale gegen AC Mailand 2005 großen Anteil.
Nun muss sein Ex-Klub Bayern München im Viertelfinal-Rückspiel der Königsklasse gegen Milans Lokalrivale Inter am Mittwoch (ab 21 Uhr im Liveticker bei ran) das 1:2 aus dem Hinspiel drehen.
Eine schwere Aufgabe, bei der Hamann den FCB aber nicht chancenlos sieht - im Gegensatz zu den Aussichten von Borussia Dortmund nach dem 0:4 beim FC Barcelona.
Im Gespräch mit ran äußert sich der 51-Jährige unter anderem über seine heftige Kritik an Dortmunds Julian Brandt, die Probleme von Min-Jae Kim, die Kritik an Max Eberl und die Situation von Thomas Müller.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Was ist denn für den BVB noch möglich in dieser Spielzeit?
Dietmar Hamann: In der Champions League werden sie im Viertelfinale ausscheiden, was keine Schande ist. Gerade gegen Barcelona, auch wenn die Leistung im Hinspiel natürlich schon enttäuschend war. Und in der Liga sind sie Achter und müssen sich strecken, um überhaupt nach Europa kommen. Frankfurt auf Platz drei werden sie bei neun Punkten Rückstand nicht mehr einholen, aber wenn sie vier der letzten fünf Spiele gewinnen, könnten sie vielleicht noch Vierter werden. Trotzdem ist die ganze Saison bei Dortmund ein Auf und Ab, das kann natürlich nicht ihr Anspruch sein. Die Leistung gegen Bayern war vor allem in der zweiten Halbzeit immerhin ein Schritt nach vorne, da hätten sie auch gewinnen können.
ran: Allerdings war auch die Leistung einiger Spieler in München schwankend, etwa von Julian Brandt, bei dem wenig zusammenging. Sie haben sogar gesagt, Brandt habe kein Interesse gezeigt, der Mannschaft zu helfen…
Hamann: Bei Brandt ging es mir nur um die Szene vor dem 1:1, wo er Gnabry nicht versucht zu stören, sondern durchlaufen lässt. Dafür habe ich kein Verständnis, denn da musst du dein Tor verteidigen mit allem, was du hast. Wenn der Treffer nicht fällt, hätte der BVB vielleicht gewonnen und dann wäre man bei der Aufholjagd auf die Europacup-Plätze wieder mittendrin gewesen. Die Konkurrenten wie Freiburg, Gladbach oder Mainz sind ja auch nicht so gefestigt und konstant, wie man zuletzt gesehen hat. Aber Kontinuität bekommen die Dortmunder halt ebenfalls nicht rein in der Liga. Da zeigen viele Spieler extreme Schwankungen, deshalb ist es mal hop und mal top.
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ran: Durch das 2:2 bleibt der FC Bayern sechs Punkte vor Leverkusen, hat aber eine Chance für eine Vorentscheidung in der Meisterschaft verpasst. Kann es vielleicht doch nochmal spannend werden?
Hamann: Ich glaube, dass die Bayern angesichts des Unentschiedens von Leverkusen gegen Union Berlin zum Schluss nicht mehr mit aller Konsequenz versucht haben, das Spiel zu gewinnen. Denn sie haben den Abstand gehalten und ich glaube, dass das an diesem Wochenende die letzte Chance für Bayer auf die Titelverteidigung war. Sie haben sich zuletzt gegen Heidenheim und sehr gute Unioner keine einzige Torchance herausgespielt. Da fehlt mir die Fantasie, wie Leverkusen in der momentane Verfassung die letzten fünf Spiele gewinnen soll.
ran: Machen Ihnen gerade mit Blick auf das Duell gegen Inter Mailand die anhaltenden Probleme der Bayern in der Defensive Sorgen?
Hamann: Sie machen es über weite Strecken eigentlich gut, aber sie haben dann immer wieder einen Aussetzer drin. Und das solltest du dir nicht erlauben, weil Inter natürlich eine unheimlich effektive Mannschaft ist, die selber kaum Fehler macht. Das heißt, du musst sehr hart für deine Chancen arbeiten. Umso wichtiger wird sein, hinten die Konzentration zu halten. Dann ist es nicht ausgeschlossen, dass Bayern die Partie noch dreht. Aber es wird unheimlich schwer.
ran: Minjae Kim hat gegen Dortmund nicht zum ersten Mal gepatzt. Ist er momentan ein Sicherheitsrisiko?
Hamann: Kim hat sicher schon den ein oder anderen Fehler gemacht und sieht auch beim 0:1 von Dortmund unglücklich aus, aber ich würde den Jungen ein Stück weit in Schutz nehmen. Man hört ja immer wieder, dass er seit Wochen oder sogar Monaten ziemliche Achillessehnenprobleme hat. Deswegen wäre er vermutlich geschont worden, wenn alle Mann an Bord wären. So stellt er sich in den Dienst der Mannschaft, denn außer Dier gibt es ja gar keine Innenverteidiger mehr im Kader. Also muss er spielen, denn die Abwehr stellt sich eigentlich von alleine auf. Man könnte höchstens überlegen, Leon Goretzka in die Abwehr zu ziehen, wenn man das Spiel selber etwas aktiver gestalten will statt wie im Hinspiel über weite Strecken dem Ball hinterherzulaufen.
ran: In der Offensive hat Vincent Kompany nach Comans Rückkehr wieder etwas mehr Möglichkeiten…
Hamann: Das macht sicher Hoffnung, ebenso wie das Comeback von Pavlovic. Man muss schauen, wie der Trainer außen aufstellt. Serge Gnabry hat es gegen Dortmund nach seiner Einwechslung herausragend gemacht, er sollte daher den Vorzug vor Leroy Sane erhalten. Und dann haben die Bayern vorne eine ganz ordentliche Truppe auf dem Platz. Nur Harry Kane muss wieder treffen. So eine Phase ohne Tor hat er ja eher selten, da würden ein oder zwei Treffer am Mittwoch sicherlich helfen,
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ran: Muss Thomas Müller spielen?
Hamann: Müller wird sicher spielen. Ich hätte mir sogar vorstellen können, dass er auch gegen Dortmund draußen bleibt, damit er für Inter frisch ist. Aber er hat schon am Samstag sehr ordentlich gespielt, das wird ihm nochmal Selbstvertrauen geben. Zudem ist die Emotionalität, die er auf dem Platz und auch auf den Rängen reinbringt, natürlich ein Trumpf für Bayern.
ran: Ist die Entscheidung der Bayern, Müller keinen neuen Vertrag mehr zu geben, trotz dessen jüngsten Leistungen aus Ihrer Sicht richtig?
Hamann: Ja, das ist für mich absolut nachvollziehbar. Man hätte es ihm vielleicht früher mitteilen müssen, andererseits hat er vor Weihnachten auch noch mehr gespielt als in der Rückrunde. Und die Aussagen von Max Eberl im Januar waren sicher nicht schlau. Ich glaube, bei solch verdienten Spielern muss er seine Worte etwas vorsichtiger wählen. Das hat er ja auch eingeräumt, dass er da einen Fehler gemacht hat und sich dafür entschuldigt. Und damit muss man es auch mal gut sein lassen.
ran: Sie haben dennoch gesagt, dass Sie damit rechnen, dass im Verein im Sommer über Eberls Position als Sportvorstand diskutiert werden wird.
Hamann: Ja, ich gehe davon aus, dass dann die gesamte Saison nochmal analysiert wird. Aber gerade bei Bayern hängen die Einschätzungen sehr stark vom Tagesgeschäft ab. Es kann sein, dass die Mannschaft am Mittwochabend im Halbfinale der Champions League steht, wo sie gegen Barcelona aus meiner Sicht alle Chancen auf den Einzug ins Finale in der Allianz Arena hätte. Wenn sie dann auch noch Meister werden, ist vielleicht gar kein Bedarf da, sich über irgendwelche Positionen Gedanken zu machen. Die Diskussionen bei Bayern kommen schnell auf bei Misserfolg – und können im Erfolgsfall auch schnell wieder verschwinden.
ran: Das eingesparte Geld bei Müller könnte Bayern in Florian Wirtz reinvestieren. Wie realistisch ist ein Wechsel in diesem Sommer?
Hamann: Ich glaube, dass bei der Frage, ob Wirtz in Leverkusen bleibt, Xabi Alonsos Zukunft eine sehr große Rolle spielt. Wenn er bei Bayer weitermacht und sie die Mannschaft zusammenhalten können, sehe ich keine zwingende Notwendigkeit für Wirtz, nach München zu gehen. Denn dann könnten sie Bayern nächstes Jahr nochmal angreifen. Außerdem habe ich Bedenken, ob Wirtz und Musiala miteinander spielen können, weil sie beide im Zentrum ihre Stärken haben. Einer würde dann also nach außen ausweichen müssen und vermutlich seine Leistung darunter leiden. Natürlich können sie zusammen einen Gegner schwindelig spielen, wenn der müde wird, so wie zuletzt gegen schwächere Teams in der Nationalmannschaft. Aber bei der EM hat das nicht wirklich gut funktioniert. Da war von Wirtz zu wenig zu sehen.
ran: Könnte ein Wechsel an Bayerns offenbar angespannter Finanzsituation scheitern?
Hamann: Nein, auf keinen Fall. Im Zweifel wird adidas helfen, die ein großes Interesse an einem Wechsel zu Bayern haben dürften. Denn nach dem Verlust der deutschen Nationalmannschaft an Nike ist die Bedeutung von Wirtz als Werbeträger für adidas wahrscheinlich nochmal um einiges gestiegen. Die Frage ist letztlich, welche Optionen Wirtz auf dem Tisch hat. Er kann natürlich in Leverkusen bleiben und seinen Vertrag verlängern. City ist interessiert, aber da will er offenbar nicht hin. Und ob Real Madrid die Ablöse im Bereich von 150 Millionen Euro zahlen kann oder will, da bin ich mir auch nicht sicher. Bayern könnte sie zahlen.
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ran: Da würden Bayern die zusätzlichen Millionen aus der Champions League bei einem Ausscheiden im Viertelfinale natürlich fehlen. Welche Auswirkungen hätte ein K.o. sportlich?
Hamann: Wie gesagt: Bewertungen in München sind oft ergebnisabhängig. Fakt ist, dass Bayern in der Champions League auswärts dreimal verloren hat und auch gegen Celtic zu Hause in den Playoffs mit dem späten Ausgleich großes Glück hatte. Nach dem Spiel gegen Inter wird man eine erste Bewertung über die Arbeit von Vincent Kompany abgeben können. Er ist zum ersten Mal als Trainer bei einem großen Verein und macht es sehr ruhig und souverän. Daher sehe ich keinen Grund, ihn in Frage zu stellen. Aber bei einem Aus in der Champions League kann man bei Bayern sehr schnell unter Druck kommen.
ran: Vor dem Spiel im San Siro wird von einigen an das "Wunder von Mailand" von 1988 erinnert, als Bayern nach einer Hinspielniederlage durch einen Sieg im Rückspiel noch weiterkam. Ist das auch dieses Mal nötig?
Hamann: Es wäre mit Sicherheit kein Wunder, Bayern hat noch alle Chancen weiterzukommen. Ich glaube aber, dass Inter Favorit ist. Nicht nur wegen des 2:1-Siegs vergangene Woche, sondern auch wegen der Art und Weise, wie sie gespielt haben. Inter hat in der Champions League erst drei Gegentore kassiert und Bayern muss mindestens eins schießen, vielleicht sogar zwei oder drei. Also ausgeschlossen ist Bayerns Weiterkommen nicht, aber es wird alles andere als einfach.