Bundesliga
FC Bayern München: Die Gewinner und Verlierer der Vorbereitung
- Aktualisiert: 10.08.2023
- 14:58 Uhr
- Chris Lugert
Knapp vier Wochen Vorbereitung liegen hinter dem FC Bayern München, am Wochenende wird die Saison mit dem Supercup gegen RB Leipzig eingeläutet. Wer konnte sich in den Testspielen aufdrängen? Und wer muss sich vorerst hinten anstellen? ran macht den Kadercheck beim Rekordmeister.
Von Chris Lugert
Ein knapp einwöchiges Trainingslager in Rottach-Egern, eine zehntägige Asienreise inklusive Testspielen gegen die beiden englischen Spitzenteams Manchester City und FC Liverpool sowie eine unterhaltsame Partie zum Abschluss der Vorbereitung gegen die AS Monaco - das war das Programm des FC Bayern München seit Trainingsstart Mitte Juli.
Trainer Thomas Tuchel konnte erstmals seit seinem turbulenten Amtsbeginn Ende März mehrere Wochen an den Stellschrauben seines Teams arbeiten und sich einen gezielten Eindruck der Spieler verschaffen. Der Kader ist noch nicht komplett, Harry Kane, einen Sechser und womöglich einen Rechtsverteidiger - sollte Kyle Walker endgültig absagen - würde er gerne noch haben.
Vor dem Supercup am Samstag (20:30 Uhr live in SAT.1 und auf ran.de) sind die kurzfristigen Weichen im Kader jedoch gestellt. Einige Spieler konnten in der Vorbereitung auf sich aufmerksam machen, andere jedoch müssen sich erst einmal mit einem Platz in der zweiten Reihe abfinden.
Wer sind die Gewinner und Verlierer der Vorbereitung beim FC Bayern? ran macht den Check.
Das Wichtigste zum FC Bayern München
Gewinner: Mathys Tel
Während sich die Bayern in langatmigen Verhandlungen um Kane an Tottenham Hotspur und Daniel Levy abmühen, nutzte Mathys Tel die Chance, kräftig Eigenwerbung zu betreiben. In Abwesenheit des verletzten Eric Maxim Choupo-Moting blühte der 18-Jährige in den Testspielen auf. Gegen Manchester City erzielte er als Joker das einzige Tor seines Teams, in den übrigen Testspielen stand er in der Anfangsformation und wusste auch dort zu überzeugen.
Mit derartigen Leistungen meldet Tel Ansprüche auf mehr Spielzeit an, was die Stürmersituation bei den Bayern nicht gerade vereinfacht. Dietmar Hamann forderte bei "Sky", den jungen Franzosen häufiger einzusetzen. Klar ist: Kommt Kane (oder ein anderer Stürmer von internationalem Format), sinken seine Chancen auf Spielminuten.
Allerdings dürfte Tel dank seiner guten Vorbereitung im Ansehen bei Tuchel gestiegen sein, in der internen Hackordnung sollte er Choupo-Moting überholt haben. Damit ist Tel derzeit Stürmer Nummer eins. Ob er das noch lange bleiben darf, ist allerdings fraglich.
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Gewinner: Sven Ulreich
Nicht nur ganz vorne gibt es bei den Bayern aktuell Redebedarf, sondern auch ganz hinten. Nach den Abgängen von Alexander Nübel und Yann Sommer, während Manuel Neuer weiterhin ein gutes Stück von einem möglichen Comeback entfernt ist, steht der Rekordmeister da wie im Januar. Damals hatte die Neuer-Verletzung den Klub erschüttert, einer wurde damals ziemlich ignoriert: Sven Ulreich.
Dem Routinier traute man im Klub die Rolle als dauerhaften Neuer-Vertreter nicht zu, stattdessen wurde Sommer geholt. Dass er es aber nach wie vor kann, bewies Ulreich in der Sommer-Vorbereitung. Zunächst noch im Jobsharing mit Sommer, durfte der frühere Stuttgarter gegen Monaco von Beginn an ran - und hielt stark. Zumindest in den kommenden Wochen ist der die Nummer eins.
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Hinter den Kulissen sucht der Klub weiter nach einer neuen Nummer 1b, Ulreich aber hat seinen Frieden damit gemacht. Es sei "schon auch richtig, dass man sich auf dem Transfermarkt umschaut", sagte er: "Ich weiß auch, dass bei Bayern andere Entscheidungen dazukommen. Deswegen ist für mich völlig legitim, dass über andere Namen gesprochen wird." Auch aufgrund dieser Aussagen ist er ein Gewinner der Vorbereitung.
Gewinner: Konrad Laimer
Neuzugänge benötigen Anlaufzeit? Nicht so Konrad Laimer. Der Österreicher, der ablösefrei von RB Leipzig nach München kam, fügte sich perfekt in Tuchels System ein und bildete meist mit Joshua Kimmich die Mittelfeldzentrale. Der 26-Jährige scheint Leon Goretzka aktuell den Rang abgelaufen zu haben, der Startelfeinsatz im Supercup gegen seinen Ex-Klub ist ihm sicher.
Laimer bringt eine enorme Aggressivität gegen den Ball mit, geht aber auch die Wege nach vorne. Im Test gegen Monaco erzielte er den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1. Im Gedränge in der Mittelfeldzentrale scheint Laimer zunächst einen Vorteil zu haben.
Oder doch nicht? Laimer vermied zumindest großspurige Kampfansagen. "Beim FC Bayern ist die Konkurrenz immer groß, das ist auch gut so, denn nur so können wir uns alle auf das höchste Level pushen", sagte er nach dem Spiel gegen Monaco.
Gewinner: Frans Krätzig
In jeder Vorbereitung bekommt auch der eine oder andere Nachwuchsspieler die Chance, sich zu beweisen. Das ist nicht nur bei den Bayern so, sondern fast bei allen Klubs. Dass die Leistungen der zuvor weitestgehend unbekannten Youngster auch dauerhaft in Erinnerung bleiben, kommt aber nicht so oft vor. Bei Frans Krätzig war das in diesem Sommer anders.
Ein Schuss wie ein Urknall, der die Bayern gegen Liverpool zum Sieg schoss, beförderte den 20 Jahre alten Linksverteidiger von einer Minute auf die andere in den Mittelpunkt. Dabei ist Krätzig erst seit kurzem überhaupt auf der linken Seite beheimatet, eigentlich ist er von Natur aus Offensivspieler. "Da habe ich nicht so viele Möglichkeiten gesehen. Entweder er geht in den Himmel oder in den Knick. Diesmal ging er zum Glück rein", sagte Krätzig cool.
Da habe ich nicht so viele Möglichkeiten gesehen. Entweder er geht in den Himmel oder in den Knick.
Frans Krätzig,, nach seinem Tor gegen Liverpool
In Abwesenheit des weiterhin verletzten Raphael Guerreiro könnte Krätzig bei den Bayern in den kommenden Wochen womöglich noch öfters in den Kader rücken. Und danach? Womöglich hat dieser eine Sommer seine Türen zu einer Profikarriere geöffnet - ob bei den Bayern oder anderswo.
Gewinner: Noussair Mazraoui
Seine erste Saison beim FC Bayern, vor allem die Rückrunde, verlief für Noussair Mazraoui nicht nach Wunsch. Nach der WM kam er zunächst verletzungsbedingt und später trotz kompletter Fitness kaum noch zum Einsatz, er äußerte sich öffentlich unzufrieden. Nach der Vorbereitung kann er zumindest ein zufriedenes Zwischenfazit ziehen.
In drei der jüngsten vier Testspiele stand er in der Strtelf, abgesehen von einem gegen Monaco ziemlich plump verursachten Elfmeter zeigte er ansprechende Leistungen. Sollte der Walker-Transfer nicht klappen und womöglich auch noch Benjamin Pavard den Verein verlassen, dürfte Mazraoui seinen Stammplatz sicher haben - auch mangels hochkarätiger Alternative
Verlierer: Leon Goretzka
Läuft die Zeit von Leon Goretzka beim FC Bayern ab? Zumindest dürfte er es unter Tuchel sehr schwer haben, noch einmal Stammspieler zu werden. Der Trainer watschte ihn für seine schwachen letzten Wochen der Vorsaison öffentlich ab und setzte ihm die Pistole auf die Brust.
Dass Goretzka, der in den vergangenen Jahren eine Institution bei den Bayern war, in Tuchels Planungen derzeit höchstens eine Nebenrolle spielt, zeigten dann die Testspiele. Nur gegen Monaco stand er in der Startelf, und das auch nur, weil Joshua Kimmich aus Gründen der Belastungssteuerung geschont wurde.
"Fühle mich wohl hier" - Laimer zufrieden beim FCB
"Ich liebe den Verein, ich liebe die Stadt, ich liebe die Fans. Es gibt keinen Gedanken, den Verein zu verlassen", sagte Goretzka auf einen möglichen Abschied angesprochen. Sollte Tuchel aber weiterhin einen "Sechser" suchen und Goretzka dafür im Weg sein - dann könnte die Situation womöglich bald anders aussehen.
Verlierer: Dayot Upamecano
Schon die Verpflichtung von Kim Min-jae war ein Fingerzeig an Dayot Upamecano, die Testspiele seit Ankunft des Südkoreaners verdeutlichten dann seinen gesunkenen Stellenwert. Tuchel plant mit Kim und Matthijs de Ligt in der Innenverteidigung, Upamecano liegt im internen Ranking sogar hinter Benjamin Pavard nur auf dem vierten Platz.
Sein unbestreitbar enormes Talent mischte sich auch seit dem Amtsantritt des neuen Trainers zu oft mit ebenso unbestreitbar fürchterlichen Fehlern. Der Franzose hatte maßgeblichen Anteil an der klaren Niederlage im Champions-League-Viertelfinale bei Manchester City. Auch sonst leistet sich der 24-Jährige zu oft radikale Aussetzer.
Upamecano muss im täglichen Training überzeugen, in einer langen Saison wird der Franzose auch zu seinen Einsätzen kommen. In diesen muss er sich unentbehrlich machen. Den Eindruck, dass "Upa" dieses Prädikat vorweisen kann, hat Tuchel aktuell nicht.
Verlierer: Thomas Müller
Schon in der vergangenen Saison musste sich Thomas Tuchel häufig zu seinem Namensvetter Thomas Müller äußern, als Letztgenannter häufiger auf der Bank saß. Tuchel wurde nicht müde, den besonderen Stellenwert der Vereins-Ikone zu betonen. Dieser Sommer aber könnte endgültig den Anfang vom Ende der Ära Müller eingeläutet haben.
Dabei hat Müller nicht schlecht gespielt, sondern noch schlimmer: Er fiel quasi die gesamte Vorbereitung mit Hüftproblemen aus. Während seiner Abwesenheit spielte sich Jamal Musiala endgültig auf der Zehnerposition fest. Mit Leroy Sane, Serge Gnabry und Kingsley Coman gibt es weitere namhafte Spieler für die Offensive.
FC Bayern München - Leihe von Gabriel Vidovic perfekt
Müller hingegen muss sich erst wieder herankämpfen, was mit seinen inzwischen 33 Jahren auch immer schwieriger wird. Sicher wird er auch in dieser Saison seine Einsätze erhalten. Aber unverzichtbar ist "Radio Müller" spätestens seit dieser für ihn so verkorksten Vorbereitung nicht mehr.
Verlierer: Raphael Guerreiro
Der zweite Langzeitverletzte im Bayern-Kader tat Tuchel vermutlich noch mehr weh. Denn Neuzugang Raphael Guerreiro war einer seiner Wunschspieler, Tuchel wollte den Portugiesen in die Mannschaft einbauen - ob im Mittelfeld oder als Linksverteidiger. Stattdessen zog sich der 29-Jährige nach etwas mehr als einer Woche Training einen Muskelbündelriss in der Wade zu.
Die Asienreise war ebenso gelaufen wie die ersten Wochen der Pflichtspielsaison. Statt Alphonso Davies Konkurrenz zu machen, verbringt er seinen Einstand weitestgehend im Münchner Lazarett. Guerreiro wird hoffen, dass Tuchel auf ihn wartet, wovon man ausgehen darf. Zunächst einmal haben andere Spieler aber einen klaren Vorteil.
Verlierer: Eric Maxim Choupo-Moting
Und der dritte Verletzte gleich hinterher. Bereits in der vergangenen Saison plagte sich Eric Maxim Choupo-Moing mit einer hartnäckigen Knieverletzung herum, auch in der Vorbereitung machte das Knie dem Stürmer einen Strich durch die Rechnung.
Und so musste der 34-Jährige nicht nur tatenlos zusehen, wie der Klub an Harry Kane baggert, sondern auch, wie ihm Mathys Tel den Rang abläuft. Choupo-Moting ist aktuell weit entfernt von einer Rolle wie im Vorjahr, als er sich plötzlich als halbwegs adäquater Lewandowski-Ersatz entpuppte.
Stattdessen könnte es für ihn schwierig werden, überhaupt noch ansatzweise eine Rolle zu spielen, sollten die Bayern einen neuen Stürmer holen.