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FC Bayern vs. Eintracht Frankfurt - Urs Meier kritisiert Schiedsrichter Siebert: "Musst du im Blick haben"
- Aktualisiert: 07.10.2025
- 09:48 Uhr
- Andreas Reiners
Urs Meier spricht bei ran über das umstrittene Doan-Handspiel, Daniel Sieberts Fehler und seine Selbstkritik, das eigentliche Problem und mögliche Lösungen.
Das Interview führte Andreas Reiners
Die Szene sorgte für Diskussionen.
Auch wenn Eintracht Frankfurt am Ende 0:3 im Rahmen des sechsten Bundesliga-Spieltags gegen den FC Bayern verlor. Doch beim Handspiel von Ritsu Doan vor dem zwischenzeitlichen 1:1 durch Jean-Matteo Bahoya geht es auch um generelle Probleme rund um Handspiele, den VAR und die Schiedsrichter.
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Für Lothar Matthäus war es die richtige Entscheidung, auf Doan-Handspiel zu entscheiden und das Tor abzuerkennen. Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe sieht das wiederum anders. Für ihn wurde das 1:1 zu Unrecht aberkannt.
Wir haben uns mit Schiedsrichter-Legende Urs Meier über die Szene unterhalten. Aber auch über Referee Daniel Siebert, das eigentliche Problem der Unparteiischen, des Regelwerks und mögliche Lösungen.
Das Wichtigste in Kürze
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Schiedsrichter-Legende Urs Meier
… über die strittige Szene: "Solche Szenen sorgen immer für Theater, wenn man sie nicht direkt abpfeift. Der Ball ändert seine Richtung, er wäre eigentlich nach links weggegangen, aber durch die Hand wird er mitgenommen und geht nach rechts. Das ist eine eindeutige Richtungsänderung. Im Prinzip ist es doch so: Wenn ein Angreifer in der Bewegung ist und der Ball an die Hand geht oder er mit der Hand eingreift, wird das in der Regel von den Schiedsrichtern weggepfiffen. Alles andere sorgt nur für Diskussionen. Zu erklären, dass das keine Absicht gewesen sein soll, ist wahnsinnig schwer. Deshalb: Für mich ist das die richtige Entscheidung, dieses Handspiel so zu bewerten."
… über eine ganz strikte Auslegung: "Wenn man die Szene einfach nur als Handspiel bewertet, würde man wohl sagen: Nein, das ist keins, das ist keine Absicht. Und dann greift auch die andere Regel nicht, nämlich die, die besagt, dass ein Tor annulliert wird, wenn der Ball unmittelbar vorher an die Hand eines Angreifers geht. Aber hier war es eben nicht unmittelbar. Der Ball ging noch über zwei, drei andere Aktionen, bevor er im Tor war. Wenn man es ganz spitzfindig betrachtet, hätte man das Spiel also weiterlaufen lassen können. Der Schiedsrichter hätte in dem Moment entscheiden müssen: Für mich ist das kein absichtliches Handspiel, also weiterspielen. Aber er hat es nicht komplett gesehen und sich die Szene noch einmal angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen: Für mich ist es ein Handspiel. Und damit kann ich dann auch leben."
Urs Meier über Schiedsrichter Daniel Siebert: "Musst du im Blick haben"
…Schiedsrichter Daniel Siebert, der die Szene nicht genau gesehen hat: "Das sind genau die Situationen, auf die du gefasst sein musst. Expect the unexpected, das sagen wir immer so schön bei den Schiedsrichter-Ausbildungen: Erwarte das Unerwartete. Das musst du im Blick haben. Du kannst nicht nur auf den Ball oder die Füße schauen. Du brauchst das Gesamtbild, das ganze Spielfeld, die Bewegungen, die Abläufe. Und ja, da ärgert er sich selbst zu Recht, dass er das im Eins-gegen-Eins nicht gesehen und nicht sofort geahndet hat."
…Sieberts Ehrlichkeit: "Das ist genau richtig. Ich erwarte von Persönlichkeiten in der Bundesliga, dass sie sich hinstellen und zu ihren Fehlern stehen. Das passiert leider selten und könnte ruhig öfter vorkommen. Die Schiedsrichter müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen. Und dazu gehört auch, dass man sich hinstellt und sagt: „Aus meiner Sicht war das so und so."
…das eigentliche Problem: "Wenn die Schiedsrichter auf dem Platz nicht die Verantwortung übernehmen, wenn sie keine klare Entscheidung treffen, dann wird automatisch der VAR in die Pflicht genommen. Aber das ist nicht gut. Der Schiedsrichter auf dem Platz hat mehr Informationen als der Videoassistent. Er sieht die Absicht, die Bewegung, die Distanzen. Deshalb ist er eigentlich der prädestinierte Mann, um Entscheidungen zu treffen. Denn auf den Bildern stimmen die Distanzen nicht, die Geschwindigkeiten nicht und plötzlich wirkt eine völlig harmlose Aktion wie ein klares Handspiel. Ein Nicht-Handspiel wird zur angeblichen Absicht. Das verzerrt die Wahrnehmung."
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… eine mögliche Lösung: "Wir müssen wieder dahin zurückkommen, dass nur die klaren Handspiele geahndet werden: Wenn die Hand zum Ball geht, wenn die Armhaltung unnatürlich ist, wenn eine Absicht erkennbar ist, den Ball zu stoppen oder zu spielen. Nur dann sollte es Handspiel geben. Momentan pfeifen wir viel zu viele und dadurch verwässert alles. Kein Wunder, dass es so viele Diskussionen gibt."
… Schiedsrichter in der Pflicht: "Die Schiedsrichter müssen wieder ein echtes Gefühl dafür bekommen, was ein natürliches und was ein unnatürliches Handspiel ist. Schiedsrichter sollten selbst Fußball spielen. Ich habe immer gesagt: Lasst sie spielen. Lasst sie in Zweikämpfe gehen, in echte Spielsituationen. Nehmt das mit der Kamera auf und zeigt es ihnen. Dann sehen sie: „Aha, der Arm schwingt mit. Aha, der geht automatisch weg vom Körper. Aha, das ist natürlich." Wenn das einmal im Kopf verankert ist, verstehen Schiedsrichter auch wieder, was sie pfeifen müssen und was eben nicht.“
Handspiel-Problem im Fußball? "Gehen viele Tore verloren"
… das Handspiel-Problem im Regelwerk: "Ich bin kein Freund davon, dass im Regelwerk zwischen Handspiel eines Verteidigers und eines Angreifers unterschieden wird. Dass es da überhaupt zwei Maßstäbe gibt, hat für mich nichts mit Gleichbehandlung zu tun. Man hat das gemacht, um es den Schiedsrichtern einfacher zu machen, vor allem bei Situationen unmittelbar vor einem Tor. Aber was heißt überhaupt unmittelbar? Auch das ist wieder auslegbar. Fakt ist: Wenn der Ball an die Hand geht und daraus ein Tor entsteht, wird das Tor annulliert. Das ist konsequent, und dadurch gibt es in solchen Szenen kaum noch Diskussionen. Aber: Beim Verteidiger wird die Regel völlig anders angewandt. Da geht es wieder um die alte Diskussion: War es Absicht, war es keine, ging die Hand zum Ball oder der Ball zur Hand? Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker, und für mich kann es einfach nicht sein, dass Angreifer und Verteidiger unterschiedlich behandelt werden."
… die Folgen davon: "Dadurch gehen uns viele Tore verloren, die eigentlich zählen müssten. Und das ist absurd, wenn man bedenkt, dass gerade die FIFA immer betont hat, man wolle mehr Tore sehen, das Spiel offensiver machen. Mit dieser Regel hat man genau das Gegenteil erreicht. Und das ist auch der Punkt, der mich am meisten stört: Es ist für Spieler, Trainer und Fans schwer nachvollziehbar, warum in der einen Szene gepfiffen wird und in der anderen, bei einem Verteidiger, nicht."