VfL Bochum: Der verrückte Verzicht auf Manuel Riemann und die Hintergründe
Aktualisiert: 22.05.2024
18:07 Uhr
Andreas Reiners
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Der VfL Bochum verzichtet freiwillig auf einen Führungsspieler und wichtigen Rückhalt im Tor. Doch der zweite Blick auf die Kaltstellung von Manuel Riemann zeigt, wie alternativlos der Schritt wohl war.
Führungsspieler sind essenziell, ohne sie geht es nicht. Sie sind das Herz einer Mannschaft, sie pumpen Energie in das Team, in den Verein.
Es sind Typen, die auf dem Platz vorangehen, die verbal dazwischenhauen, die auch mal eine Grätsche auspacken, um für Ordnung zu sorgen. Sie sind die Anführer, die Antreiber. Sie können durch ihre Präsenz, durch ihre Wucht und ihr Charisma ein Team mitreißen, das Potenzial potenzieren.
Der VfL hat Keeper Manuel Riemann vor den beiden Relegationsspielen gegen Fortuna Düsseldorf rausgeworfen. "Der VfL stellt klar, dass es sich nicht um eine Suspendierung oder Bestrafung handelt", teilte der Klub mit. Der 35-Jährige hat noch einen Vertrag bis 2025, seine Zukunft soll nach der Saison geklärt werden.
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VfL Bochum: Warum haben die Verantwortlichen das getan?
Das hat offenbar mehrere Gründe. Der VfL äußerte sich kurz und knapp und eher kryptisch ("unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminhaltlichen Themen") zu der rigorosen Maßnahme, doch komplett überraschend kommt die Entscheidung auch nicht.
Riemann ist einer dieser "Aggressive Leader", die einer Mannschaft extrem gut tun können. Der Keeper ist allerdings hoch emotional und überschreitet in seiner Art der Kommunikation wohl auch immer wieder Grenzen, was Ton und Worte angeht – gegenüber Mitspielern wohlgemerkt. Riemann treibt dann nicht an oder pusht, sondern geht angeblich auch unter die Gürtellinie, und hat dadurch innerhalb der Mannschaft Berichten zufolge inzwischen komplett den Rückhalt verloren.
Ein paar Beispiele: So soll Riemann laut der "Bild" aktiv Auswechslungen von Teamkollegen gefordert haben. Dazu gab es immer wieder verbale Kämpfe, sowohl auf dem Platz als auch in der Kabine. So soll es nach dem Spiel gegen Bremen fast zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit Matus Bero gekommen sein.
Hinzu kommt: Die Frage, ob er sich zu 100 Prozent dem gemeinsamen Ziel Rettung verschreibt, soll er verneint haben. Stattdessen soll er betont haben, nicht zur Mannschaft zu stehen. Sich selbst ändern wollte er angeblich auch nicht.
"Solche Entscheidungen sind zu keinem Zeitpunkt der Saison leicht. Wir haben nach dem Bremen-Spiel den Austausch mit allen gesucht, waren dabei sehr kritisch und haben Wege aufgezeigt, wie wir in den nächsten Tagen die Relegation bestreiten wollen", sagte Patrick Fabian, Geschäftsführer Sport des VfL: "Da hatten Manu und wir unterschiedliche Ansichten, da gibt es auch keinen Graubereich. Er ist alt genug, seine Entscheidungen zu treffen. Daher diese Entscheidung, die sicherlich nicht einfach war."
Nach dem Bremen-Spiel habe man den Austausch gesucht, erklärte Fabian weiter: "Da hatten Manu und wir unterschiedliche Ansichten. Daher diese Entscheidung, die sicherlich nicht einfach war. Der sportliche Wert von Manu ist unbestritten, natürlich hätten wir das alles am liebsten anders gehabt. Ich bin nicht erfeut darüber, jetzt diese Situation zu haben. Aber damit müssen wir umgehen, es geht jetzt nur um den VfL.“
VfL Bochum: Wie wichtig ist Riemann sportlich?
Sein Fehlen ist ein Verlust, das ist keine Frage. So kassierte er bei seinen 33 Einsätzen zwar 70 Gegentore, zeigte aber auch 122 Paraden – das sind ligaweit die viertmeisten!
Außerdem war er der "heimliche Spielmacher", da er viel ins Aufbauspiel eingebunden wurde. Kein anderer Keeper war häufiger am Ball als er, seine Abschläge und langen Pässe wurden von den Bochumern als wichtiges Stilmittel genutzt.
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Relegation: Legendäre Duelle - Elfer-Krimi und "Skandalspiel"
Außerdem ist er ein Elfmeterkiller, eine Stärke, die in der Relegation nicht zu verachten ist: In der Bundesliga wurden elf der 31 Strafstöße gegen Riemann nicht verwandelt (35 Prozent), sieben davon parierte er. In der 2. Bundesliga konnte er 16 von 47 Strafstößen abwehren, auch das ist eine überragende Quote.
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VfL Bochum: Und wer ersetzt ihn jetzt?
Andreas Luthe. Er stand bei Riemanns Gelbsperre am 24. Spieltag gegen RB Leipzig zwischen den Pfosten, die Bochumer verloren damals 1:4.
Das Gute: Luthe weiß, worauf es ankommt. Er stand 2011 bei Bochums letzter Relegation im VfL-Kasten (0:1 und 1:1 gegen Mönchengladbach) – damals war er 24 Jahre alt, jetzt ist er 37. Das größte Manko bei ihm ist die fehlende Spielpraxis.
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VfL Bochum: Was bedeutet das für die Relegation?
Die Verantwortlichen hoffen, dass die Trennung der Mannschaft einen entscheidenden Impuls liefert, um gegen Düsseldorf die Klasse zu halten. Der Rest des Teams sollte mit der Maßnahme gestärkt werden, und angeblich gab es ausschließlich positives Feedback für die Entscheidung.
Tatsächlich dürfte es alternativlos gewesen sein, wenn sich das Verhalten des Keepers so extrem negativ auf das Gesamtgefüge ausgewirkt hat. Zwar verzichtet der VfL auf einen starken Rückhalt, in zwei Spielen, in denen es auf Augenhöhe vor allem auch auf den Kopf und die Mentalität ankommt, dürften die Vorteile des Rauswurfs aber überwiegen. Gut möglich, dass die Trennung der Mannschaft die Hemmungen nimmt, wie man in der Führungsetage hofft. Es ist ein letzter, verzweifelter Akt im Kampf gegen den Abstieg.
Allerdings muss man dazu sagen, dass Riemanns Antrieb immer der Ehrgeiz war, Spiele gewinnen zu wollen. Das mag der 35-Jährige sehr schlecht verbalisiert und kanalisiert haben. Dafür lässt sein Statement, offenbar nicht zur Mannschaft zu stehen, angesichts seines vorherigen Commitments und seiner meist starken Leistungen auch den Schluss zu, dass der VfL weit mehr als nur ein Riemann-Problem hat. Die sportliche Achterbahnfahrt inklusive der Entlassung von Trainer Thomas Letsch und viele blutleere Auftritte verstärken diesen Eindruck schon länger.
Fakt ist: Die beiden Spiele gegen Düsseldorf werden unmissverständlich zeigen, ob die Maßnahme die richtige war. Die Mannschaft steht nun in der Pflicht.
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VfL Bochum: Was sagen die Beteiligten?
"Wir haben schon ganz andere Situationen überstanden und sind ganz sicher in der Lage, auch jetzt den Turnaround zu schaffen und unser Potenzial abzurufen", sagte Sportdirektor Marc Lettau. "Wir werden viel in die Einzelgespräche gehen müssen, aber wir sind absolut zuversichtlich, dass wir uns durchsetzen werden."
Als Erstligist sei man irgendwie immer Favorit, sagte Trainer Heiko Butscher. "Es sind zwei Endspiele. Die einen wollen in der Liga bleiben, die anderen wollen in die Liga rein. Wir müssen es schaffen", sagte er.
"Wenn alle die Köpfe senken, wird es nicht funktionieren. Es geht um vieles, nicht nur um uns, sondern um den ganzen Verein, um viele Leute, die da arbeiten. Wir dürfen nicht aufgeben", forderte Kapitän Anthony Losilla. "Die Mannschaft, die die bessere Mentalität an den Tag legt, die wird es schaffen. Und das müssen wir sein."
Dafür müssen nun aber die anderen Führungsspieler in die Bresche springen. Denn die sind essenziell. Ohne sie wird es nicht gehen.
Nach Riemann-Suspendierung: Die Skandale der Bundesliga-Relegation
Suspendierung von Manuel Riemann Der VfL Bochum wird die beiden Relegations-Partien gegen Fortuna Düsseldorf ohne Stammkeeper und Sprachrohr Manuel Riemann bestreiten. Grund dafür seien "unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminhaltlichen Themen". Team 2