FC Bayern München bei Lazio Rom: Wo der Faschismus immer noch offen ausgelebt wird
Aktualisiert: 14.02.2024
18:28 Uhr
Andreas Reiners
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Beim Achtelfinal-Hinspiel des FC Bayern bei Lazio Rom am Mittwoch (ab 21.00 Uhr im Liveticker) stehen die Fans des Gegners im Fokus. Denn die rechte Gesinnung hat Tradition. Kommt es gar zu Ausschreitungen?
Die Zähne sind gefletscht, die Gesichtsmuskeln angespannt. Der Blick ist angsteinflößend, denn Paolo Di Canio wirkt hasserfüllt. Voller Wut. Angriffslustig. Doch das alleine ist es nicht.
Denn als er vor den Fans von Lazio Rom zum Jubeln posiert, ist auch der rechte Arm ausgestreckt. Zu sehen ist dabei zudem eine Tätowierung. "Dux" steht dort. Was Führer bedeutet. Und keine zwei Meinungen erlaubt.
Was hierzulande als Hitlergruß verboten ist, nennt sich in Italien "Römischer Gruß". Faschistisch bleibt es trotzdem, die Querverbindung zum früheren Diktator Benito Mussolini ist eindeutig. Weniger eindeutig ist die Rechtslage in Italien, denn komplett verboten ist die Geste dort nicht.
Trotzdem ist die Szene aus dem Jahr 2005 wie ein Faustschlag. Einer mit Nachhall. Bis heute. Denn der faschistische Gruß ging nicht nur in die italienische Fußball-Geschichte ein, er steht stellvertretend für die Laziali.
Für einen Klub, der den Rechts-Ruf nicht mehr loswird. Weil die Gesinnung von einem Teil der Kurve immer noch ausgelebt wird. Dabei sind die faschistischen "Unbeugsamen" ("Irriducibili“) federführend.
Nachhall bis heute
"Das Problem existiert so nicht mehr seit einigen Jahren", sagt der langjährige Lazio-Sportchef Igli Tare im ran-Interview. Die Mehrzahl der Fans sei ganz normal, sagte er: "Da hat sich sehr viel verändert dank einer sehr guten Arbeit des Vereins. Man kann nach Rom kommen und man kann ganz normal ins Stadion gehen und dort feiern."
Es trifft natürlich zu, dass der Großteil der Anhänger normal und ungefährlich ist. Trotzdem ist es ein Stück weit eine Verniedlichung der Realität.
Denn der angeblich mehrere tausend Fans umfassende rechte Teil der gefürchteten Curva Nord treibt weiterhin sein Unwesen. Noch im Januar wurde Lecce-Profi Samuel Umtiti von Lazio-Fans rassistisch beleidigt, er hatte das Spielfeld unter Tränen verlassen.
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Lazio verurteilt die Ausfälle
"Lazio verurteilt die Täter dieser verabscheuungswürdigen, beschämenden und anachronistischen Geste und wird den Behörden wie immer ihre maximale Zusammenarbeit anbieten, um die Verantwortlichen zu identifizieren", hieß es in einer Erklärung des Klubs: "Lazio-Fans sind keine Rassisten und können nicht mit ein paar Personen in Verbindung gebracht werden, die das Image des Vereins ernsthaft beschädigen."
Die Curva Nord im Stadion von Lazio blieb nach dem Vorfall für ein Spiel gesperrt. "Fast alle Lazio-Fans", so die Disziplinarkommission der Serie A, seien an den "wiederholten, rassistischen Gesängen beteiligt" gewesen. Und diese Anhänger seien aus der "Curva Nord".
Wirklich in den Griff bekommt Lazio das Problem nicht. Nun ist Rassismus im italienischen Fußball ein weit verbreitetes und nicht nur ein spezielles Lazio-Problem. Bei dem 1900 mit einem bürgerlich-konservativen Hintergrund gegründeten Klub gehört der Faschismus aber fest zur Vereins-Vergangenheit, auch durch eine Mitgliedschaft Mussolinis. Ein verwurzelter Wahnsinn.
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Immer wieder heftige Ausschreitungen
Bestandteil der Gegenwart bleiben auch teils heftige Ausschreitungen, oft und gerne gegen den ungeliebten, weil politisch eher linksorientierten Stadtrivalen AS Rom. Zuletzt im Januar im Pokal. Hitlergrüße, rassistische Schmährufe gegen Roma-Stürmer Romelu Lukaku und eine Messerstecherei außerhalb des Stadions inklusive.
Ende Januar fand das Heimspiel gegen die SSC Neapel deshalb vor halbleeren Rängen statt. Insgesamt hätten sich von 16.000 Lazio-Anhängern in bestimmten Bereichen des Stadions 90 Prozent an den Sprechchören und sonstigen Ausschreitungen gegen die Roma beteiligt, urteilte die Sportjustiz.
Auch international sind die problematischen Lazio-Fans umtriebig, wenn sie wie in Glasgow erhobenen Armes durch die Fußgängerzone laufen. Oder sich in Marseille mit Hooligans von Olympique prügeln. Das französische Innenministerium verbot allen Lazio-Anhängern die Einreise zum nächsten Spiel und verwies auf die "Gewohnheit, faschistische Chöre anzustimmen und den Nazi-Gruß zu zeigen".
Lazio: Gegen die Bayern wird es "sehr, sehr heiß"
Ist nun gegen die Bayern ebenfalls mit rassistischen Ausfällen zu rechnen? Möglicherweise ja, denn der FCB hat seinen langjährigen jüdischen Präsidenten Kurt Landauer vor wenigen Jahren zum Ehrenvorsitzenden gemacht. Und die "Schickeria München" positioniert sich als antirassistisch und antifaschistisch.
Nicht nur deshalb dürfte es am Mittwoch im Achtelfinal-Hinspiel gegen die Bayern (ab 21.00 Uhr im Liveticker) knistern. Volle Hütte. Lazio als Underdog. Und dazu die deutsch-italienische Rivalität.
"Am Mittwoch wird das Stadio Olimpico ein Hexenkessel sein", sagt Tare. Über 65.000 Tickets sind verkauft, so der Ex-Sportchef, und "das Stadion wird ausverkauft sein". Und die Stimmung? Tare: "Wird sehr, sehr heiß sein".
Er meint es positiv. Bleibt zu hoffen, dass er Recht behält.