Miroslav Klose spricht im ersten Teil des großen ran-Interviews über das Duell seiner beiden Ex-Klubs FC Bayern München und Lazio Rom in der Champions League und die Probleme des deutschen Rekordmeisters.
Von Martin Volkmar
Vier Jahre spielte Miro Klose für den FC Bayern München, danach fünf Jahre bis zum Karriereende bei Lazio Rom.
Im Gespräch mit ran erklärt der 45-Jährige unter anderem, warum er dem Außenseiter im Rückspiel am Dienstagabend (ab 21 Uhr im Liveticker) die Daumen drückt, ob beim FCB ein Umbruch nötig ist und was er von der Trennung von Thomas Tuchel hält.
ran: Herr Klose, Ihre Aussage vor dem Hinspiel, dass Sie eher Lazio Rom die Daumen drücken, hat einige überrascht. Können Sie es noch mal erklären?
Miroslav Klose: Ich habe es vor allem darauf bezogen, dass ich ein Jahr länger bei Lazio war als bei Bayern. Ich bin jetzt auch noch oft in Rom und habe da viele Freunde. In den fünf Jahren sind mir und meiner Familien Stadt und Verein wirklich ans Herz gewachsen mit allem, was wir da zusammen erleben durften. Außerdem halte ich halt eher zum Außenseiter. Denn wenn man ehrlich ist, war und ist nach wie vor Bayern klarer Favorit.
ran: Neben Kaiserslautern war Lazio mit jeweils fünf Jahren der Klub, bei dem Sie am längsten gespielt haben. War das der krönende Abschluss Ihrer Karriere?
Klose: Das kann man so sagen. Das gilt für das ganze Paket mit der Stadt, mit Lazio, mit der Mannschaft. Es gab 2011 auch andere Angebote aus England oder der Türkei. Aber wir haben uns als Familie ganz klar für Rom entschieden und das war das Beste, was uns hätte passieren können. Nicht nur, weil unsere Kinder dort eingeschult wurden und italienisch gelernt haben. Sondern ich habe auch gelernt, dass man in Italien den Fußball anders lebt. Die Gemeinschaft in der Kabine, das Miteinander, das war für mich sensationell und total neu damals. Bei Edi Reja, der mein erster Trainer bei Lazio war, durfte man zum Beispiel abends vor den Spielen noch ein Glas Wein trinken. Und trotzdem haben alle am nächsten Tag Leistung gebracht.
ran: Wie sehen Sie die Chancen im Rückspiel in München – ist Lazio nach dem 1:0 im Hinspiel psychologisch im Vorteil?
Klose: Ja, ich denke schon. Wobei man ehrlicherweise auch zugeben muss, dass bei Bayern einige Spieler zuletzt nicht ihr Niveau abgerufen haben. Natürlich haben sie auch viel Verletzungspech, so dass einige weniger Pausen haben oder auf Positionen spielen müssen, wo sie vielleicht nicht ihre Stärken besitzen. Aber trotzdem: Wenn man die Positionen durchgeht, sind die Bayern fast überall besser besetzt.
ran: Also kommt Bayern weiter?
Klose: Es ist trotzdem Fußball und die Italiener können halt verteidigen. Deshalb sind sie gerade wegen des Vorsprungs auch im Rückspiel nicht chancenlos. Ich glaube immer noch, dass Bayern sich durchsetzt, aber die Chancen für Lazio haben sich wirklich erhöht.
ran:Nicht nur in Rom, sondern bei fast allen Spielen in diesem Jahr bringt der FC Bayern seine nominelle Klasse nicht oder zu selten auf den Platz. Liegt es auch daran, dass die Mannschaft nach elf Meisterschaften in Folge etwas zu satt ist oder was denken Sie?
Klose: Wenn man elf Jahre hintereinander Meister wird, dann ist das normal, dass man irgendwo das Gefühl hat, dass viele Sachen von alleine gehen. Aber dafür hat Bayern nicht die Spieler. Wobei es sicher nicht an Profis wie Müller, Kimmich oder Goretzka liegt. Meine Meinung ist, dass es in der Struktur, in der Zusammenstellung der Mannschaft nicht stimmt. Wenn man neu dazukommt, dann braucht man erstmal ein bisschen, um die Bedeutung des Mia san Mia zu verstehen und was man in diesem Verein leisten muss. Es geht nicht nur darum, die Spiele zu gewinnen. Sondern um Dominanz, Ballbesitz, Stabilität. Dass man vorne jederzeit zuschlagen kann und hinten nichts zulässt etc. Und all das ist jetzt ein bisschen verloren gegangen. Man hat gesehen, dass die Mannschaft in vielen Bereichen verwundbar ist. Und so haben natürlich die Gegner Mut geschöpft, dass man gegen Bayern punkten kann.
ran: Woran liegt das?
Klose: In den Führungsrollen war irgendwann ein Vakuum, da Thomas Müller immer öfter auf die Bank musste und Manuel Neuer lange verletzt war. Zudem hatte die Mannschaft in den letzten drei Jahren mit Hansi Flick, Julian Nagelsmann und jetzt Thomas Tuchel, der auch bald wieder weg ist, drei Trainer. Und jeder hat eine eigene Philosophie und setzt auf andere Spielertypen und sein System. Und da muss man aufpassen, dass der Klub seine DNA nicht verliert, weil das gefährlich ist.
ran: Inwiefern?
Klose: Für mich ist Bayern München die Nummer 1 in Deutschland und man darf diesen Anspruch nicht verlieren. Diese absolute Dominanz und diese Selbstverständlichkeit, überall hinzufahren und zu wissen, wenn wir unsere Leistung abrufen, gehen wir als Sieger vom Platz. Das habe ich als Außenstehender zuletzt vermisst. Denn früher haben sich die Gegner an Bayern orientiert und nicht umgekehrt.
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ran: Sie haben Spieler wie Kimmich und Goretzka angesprochen, die angeblich auf dem Prüfstand stehen. Offenbar soll der neue Sportvorstand Max Eberl einen Umbruch im Sommer einleiten, die Rede ist von bis zu zwölf Abgängen. Ist das nötig?
Klose: Den Umbruch braucht es schon und man muss auch klar sagen, dass ein Thomas Müller nicht mehr ewig spielen kann. Er ist jedoch extrem wichtig für diese Mannschaft, weil er dieses Bayern-Gen verkörpert. Aber für so jemanden braucht man sehr bald einen Ersatz. Gleichzeitig muss man den jungen Spielern vom Campus, die ich teilweise dort trainiert habe, eine Chance geben. Bei Jamal Musiala hat damals auch keiner damit gerechnet, dass er Stammspieler bei Bayern und deutscher Nationalspieler wird. Max Eberl hat das ja offenbar erkannt und bei seiner Vorstellung auch angesprochen, dass man hier eine Entwicklung sehen muss, bei der mehr Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nach oben kommen.
ran: Vor nicht mal einem Monat haben Sie eine Trainerdiskussion um Thomas Tuchel als verfrüht bewertet und für mehr Geduld plädiert. Was sagen Sie nun dazu, dass auch Tuchel spätestens im Sommer gehen muss?
Klose: Es stimmt, mir war die Diskussion zu früh. Man sollte mit einem Trainer von Vereinsseite her etwas geduldiger sein und ihm noch mehr Zeit geben, damit die Spieler seine Ideen verstehen können. Ich erinnere mich noch, als Louis van Gaal zu Bayern gekommen ist: Da hat er überall auf dem Platz Linien eingeteilt und Dreiecke aufgestellt, zwischen denen man sich bewegen musste. Da haben wir Spieler erstmal gar nichts kapiert, bis du es irgendwann nach drei bis vier Monaten verstanden hast. Und dann hast du halt so einen erfolgreichen Fußball spielen können, der ja bis heute die Grundlage beim FC Bayern bildet. Aber diese Zeit bekommt man halt selten, gerade bei Bayern.
ran: Aber es waren auch nicht nur die Ergebnisse, die nicht stimmten ...
Klose: Es sind vielleicht auch Fehler passiert im Umgang mit den Spielern – wie gesagt von außen betrachtet. Und die Kaderstruktur passt möglicherweise auch nicht zu der Art und Weise, wie sich Thomas Tuchel das vorstellt. Letztlich ist Fußball ein Ergebnissport und die Ergebnisse sind eben auch ausgeblieben in den letzten Wochen. Wenn man bei Bayern mehr als ein Spiel verliert, dann rumort es immer. Jetzt haben sie sich entschieden, dass im Sommer Schluss ist und nun sind sie wieder auf der Suche nach einem neuen Trainer.
ran: Xabi Alonso gilt als Wunschkandidat des Vereins. Würde er passen?
Klose: Es ist nicht meine Entscheidung, aber ich würde das befürworten. Wenn ich die Spiele von Alonso mit Leverkusen sehe, dann geht mir das Herz auf. Diese dominante Spielweise ist genau das, was mir gefällt, und was Bayern ja eigentlich auch haben möchte. Also es wäre schon super, wenn sie das schaffen, ihn nach München zu lotsen. Wobei auch einiges dafür spricht, in Leverkusen zu bleiben und in der Champions League den nächsten Schritt zu machen. Man sieht jedenfalls Alonsos enorme Qualität als Trainer alleine schon daran, welche Topklubs sich um ihn bemühen.