Wichniarek glaubt an den nächsten Coup der Arminia
DFB-Pokalfinale - Arminias Rekordtorschütze Artur Wichniarek: "Wenn jemand das Finale verdient hat, dann Bielefeld"
- Veröffentlicht: 23.05.2025
- 22:05 Uhr
- Martin Volkmar
Im Interview mit ran spricht Bielefelds Kultstürmer "König Artur" Wichniarek über seine Probleme mit Hermann Gerland, den Turnaround in Bielefeld zum Publikumsliebling und die Chancen des Drittligisten im Pokalfinale gegen Stuttgart.
Das Interview führte Martin Volkmar
Auf Artur Wichniareks WhatsApp-Profil wird man an seine großen Zeiten erinnert:
Auf dem Bild ist zu sehen, wie der frühere Torjäger von Arminia Bielefeld einst Bayern Münchens Torwart-Titan Oliver Kahn überwand.
Der 48-Jährige ist mit Abstand der erfolgreichste Bundesliga-Stürmer der Ostwestfalen, wurde außerdem zweimal Torschützenkönig in der 2. Liga.
Zudem wohnt Wichniarek heute in Berlin, nur wenige Kilometer entfernt vom Olympiastadion, wo der krasse Außenseiter aus Bielefeld am Samstagabend (ab 20:00 Uhr im Liveticker) auf den VfB Stuttgart trifft.
Entsprechend groß ist das Interesse des Polen vor dem größten Spiel in der Vereinsgeschichte der Arminia, das er selbst vor Ort als TV-Experte verfolgen wird.
Arminia Bielefeld: "der Stadt immer verbunden"
Vorher äußerte sich "König Artur" bei ran über seinen schweren Start in Bielefeld, die Fehleinschätzung von Hermann Gerland, seine Verbundenheit zum Drittliga-Meister und die Chancen auf die Sensation.
ran: Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf das Pokal-Endspiel?
Artur Wichniarek: Natürlich ist das ein besonderes Spiel, weil meine Arminia im Finale steht. Ich drücke die Daumen, dass sie die guten Leistungen aus den anderen Pokalrunden wiederholen können. Aber sie sind in der 3. Liga auch als Meister aufgestiegen, außerdem haben sie insgesamt eine super grandiose Saison gespielt.
ran: Welche Bedeutung hat der Klub für Sie persönlich?
Wichniarek: Für mich ist Arminia auf jeden Fall der wichtigste Verein in Deutschland. Ich habe da meine besten Zeiten erlebt, sogar zweimal. Und meine erste Tochter ist in Bielefeld geboren. Deshalb sind wir mit der Stadt immer verbunden. In den letzten Jahren nach dem Absturz bis in die 3. Liga konnte man manchmal etwas Angst bekommen. Aber die Arminia war immer schon ein Fahrstuhlverein, der es auch immer wieder nach oben geschafft hat und jetzt wieder auf einem guten Weg ist. Das ist das Wichtigste.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Dass Sie mal so eine Verbundenheit spüren würden, hätten Sie nach Ihrem Wechsel 1999 wohl nicht gedacht, oder?
Wichniarek: Ja, damals sah es nicht danach aus, dass es sich mal so entwickelte. Eigentlich war der Anfang in Bielefeld alles, aber nicht einfach. Ich bin das Gegenteil. Ich habe nicht die Zeit bekommen, die andere Profis, auch aus Polen, bekommen haben, um sich an die Bundesliga sowie die neue Kultur zu gewöhnen und die neue Sprache zu lernen. Ich bin sofort ins kalte Wasser geworfen worden und sollte die Arminia, die unter Hermann Gerland in einer sehr tiefen Krise war, eigentlich im Alleingang wieder nach oben schießen. Ich war kein Cristiano Ronaldo oder Leo Messi und auch kein Robert Lewandowski – aber auch der hat in Dortmund am Anfang mehr Zeit bekommen als ich damals. Trotzdem habe ich nie aufgegeben.
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Hermann Gerland! "Heute kann man darüber lachen, aber..."
ran: Hermann Gerland wollte Sie aber damals möglichst schnell wieder loswerden …
Wichniarek: Gerland war ein Trainer, der mich nicht aufgebaut hat, sondern der mich nach einem halben Jahr nach Hause schicken wollte. Mit der Begründung, dass ich überhaupt nicht Fußball spielen kann und sein Zeugwart näher an der Stammelf dran sei als ich. Heute kann man darüber lachen, das ist ein supergeiler Spruch. Aber wenn du 22 Jahre alt bist, aus einem fremden Land kommst und mit so etwas konfrontiert wirst, ist es schon ein bisschen schwer. Doch ich habe Fußball zu sehr geliebt, dass mir jemand den Spaß wegnehmen konnte. Es hat etwas länger gedauert, aber ich glaube, die Geduld hat sich nicht nur für mich, sondern auch für Arminia Bielefeld ausgezahlt.
ran: Das kann man so sagen: Sie sind 2001 und 2002 Zweitliga-Torschützenkönig geworden, mit der Mannschaft aufgestiegen und Bundesliga-Rekordtorschütze des Klubs …
Wichniarek: Ich habe mich von Anfang an sehr wohlgefühlt in Bielefeld und in unserem Verein. Trotz der Schwierigkeiten beim Start hat mir eigentlich alles sehr gut gefallen, meiner Familie auch. So ein Umfeld braucht man, um sich auf Fußball zu konzentrieren. Außerdem hatten wir damals eine Superstimmung in der Mannschaft unter Gerlands Nachfolger Benno Möhlmann. Es gab viele geile Spiele und viele, viele gute Momente.
ran: In Bielefeld erhielten Sie den Ehrentitel "König Artur" und sind bis heute sehr beliebt. Was bedeutet Ihnen das?
Wichniarek: Es bedeutet schon etwas, dass man das als Ausländer, der lange als Fehleinkauf betrachtet wurde, geschafft hat. Die Wertschätzung ist sehr schön und ich wollte immer etwas mit meiner Leistung zurückgeben. Von daher war und bin ich sehr stolz, dass die Fans mich "König Artur" genannt haben. Aber als König bin ich als Mensch auch nicht glücklicher … Trotzdem: 88 Tore sind schon eine gute Quote. Darauf kann ich immer zurückblicken und meinen Enkelkindern davon erzählen, wenn ich die mal bekommen werde.
Pokal-Finale: Wichniarek glaubt an nächste Überraschung
ran: Sie sind zweimal von Bielefeld zu Hertha BSC gewechselt und konnten sich beide Male nicht durchsetzen. Trotzdem leben Sie in Berlin. Warum?
Wichniarek: Ich habe als Fußballer bei Hertha mein Glück nicht gefunden, das ist schon klar. Aber die Stadt hat uns immer schon gut gefallen. Unsere zweite Tochter ist hier geboren. Und da Berlin nahe an unserer Heimatstadt Posen liegt, haben wir uns entschieden, hierzubleiben. Die Entscheidung für Berlin war sportlich gesehen katastrophal, aber was das Leben angeht, absolut richtig.
DFB-Pokal: Die unterklassigen Klubs im Pokalfinale - Arminia Bielefeld ist Nummer 15
ran: Werden Sie dann im Olympiastadion vor Ort sein und der Arminia die Daumen drücken?
Wichniarek: Ja, ich arbeite schon seit 2018 als Experte für verschiedene polnische Fernsehsender und einer davon überträgt den DFB-Pokal. Aber auch ohne den Job wäre ich in meiner Lieblingsstadt natürlich dabei gewesen, denn die Arminia hat wie schon gesagt eine grandiose Saison gespielt. Wenn es jemand verdient hat, im Finale zu stehen, dann Bielefeld – spätestens nach dem Sieg über Titelverteidiger Leverkusen. Die Hälfte des Olympiastadions wird in Bielefelder Farben leuchten, das ist ein ganz besonderer Tag in der Vereinsgeschichte. Das werden die Spieler nie mehr in ihrem Leben vergessen. Deshalb sollen sie das Spiel genießen.
ran: Arminia ist krasser Außenseiter. Wie sehen Sie die Chancen?
Wichniarek: Natürlich ist Stuttgart Favorit. Aber die müssen die Saison retten mit dem Pokalsieg. Arminia ist bereits Drittliga-Meister sowie Aufsteiger und kann diesem Jahr die Krone aufsetzen. Deshalb glaube ich, dass sie mit freiem Kopf in die Party gehen werden und eine Chance haben - wenn sie so spielen wie in den Runden zuvor gegen Bremen und gegen Leverkusen. Da haben sie nicht nur mit Glück gewonnen, sondern mit Engagement und einer Spielidee des Trainers, die die Spieler zu 100 Prozent umgesetzt haben. Wieso soll das jetzt nicht auch im Finale passieren?